OGH 11Os39/85

OGH11Os39/8526.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas A wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 17.Jänner 1985, GZ 2 b Vr 1.203/84-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Knob, des Angeklagten, seiner gesetzlichen Vertreterin Eveline B und des Verteidigers Dr. Hasenauer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Andreas A ist schuldig, er hat am 31.März 1984 in Wien dem Staat in seinem Recht, den Zulassungsvorschriften nicht entsprechende Kraftfahrzeuge vom öffentlichen Verkehr auszuschließen, dadurch einen Schaden absichtlich zuzufügen versucht, daß er sein Motorfahrrad, Marke Vespa mit dem Kennzeichen W 17.614, das infolge des Austausches des Originalzylinders mit 50 ccm Hubraum gegen einen solchen mit cirka 117 ccm Hubraum als Motorrad galt, im öffentlichen Verkehr benützte, sohin Straßenaufsichtsorgane durch Täuschung über Tatsachen zu einer Unterlassung, die den Schaden herbeiführen sollte, nämlich der Kontrolle und des Ausschlusses des Fahrzeuges vom Verkehr, zu verleiten gesucht.

Er hat hiedurch das Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung der §§ 11 Z 1 JGG und 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 50 (fünfzig) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 25 (fünfundzwanzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Die Höhe des Tagessatzes wird mit 70 (siebzig) Schilling bestimmt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Mai 1967 geborene Schlosserlehrling Andreas A gemäß § 259 Z 4 StPO von der wider ihn erhobenen Anklage (des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB) freigesprochen, er habe am 31.März 1984 in Wien dem Staat in seinem Recht, Fahrzeuge, die die materiellen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen, vom öffentlichen Verkehr auszuschließen, absichtlich dadurch einen Schaden zuzufügen versucht, daß er Organe der öffentlichen Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die Zulassungsverhältnisse an seinem Motorfahrrad Marke 'Vespa' mit dem Kennzeichen W 17.614 (an dem er statt des Originalauspuffes einen nicht genehmigten durchlässigeren Rennauspuff montiert sowie den Originalzylinder mit 50 ccm Inhalt gegen einen solchen mit ca. 117 ccm Inhalt, daher gegen einen stärkeren Motorzylinder ausgetauscht hatte), zu einer Unterlassung, die den Schaden herbeiführt, und zwar zur Unterlassung des Einschreitens und der Abnahme der Kennzeichentafel, zu verleiten suchte, indem er mit dem auf die beschriebene Weise technisch zu einem Motorrad veränderten, jedoch entgegen den Vorschriften des § 33 KFG der Behörde nicht zur Erteilung einer Einzelgenehmigung vorgeführten und auch nicht entsprechend höher haftpflichtversicherten Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnahm.

Daß dem Angeklagten im gegebenen Zusammenhang das Vergehen nach dem § 225 Abs. 2 StGB zur Last fallen könnte, schloß das Erstgericht aus, weil am Fahrzeug seinerzeit (nach Anmeldung beim Verkehrsamt) nicht etwa von einem Beamten oder von einer kraft Gesetzes mit öffentlichem Glauben versehenen Person (nach Begutachtung) eine Begutachtungsplakette (§ 57 a Abs. 5 KFG) angebracht, sondern am Moped nur eine gemäß dem § 57 a Abs. 6 KFG mit dem entsprechenden Kennzeichen versehene Plakette befestigt worden war, die (im Gegensatz zu den Plaketten gemäß dem § 57 a Abs. 5 KFG) nicht den Charakter eines öffentlichen Beglaubigungszeichens besitzt. In tatsächlicher Hinsicht stellte das Jugendschöffengericht fest, daß der Angeklagte das von ihm in der oben beschriebenen Weise technisch wesentlich veränderte Fahrzeug (§ 33 Abs. 2 KFG) im öffentlichen Straßenverkehr in der Absicht benützte, die Straßenaufsichtsorgane nicht nur über das weitere Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu täuschen, sondern (infolge der durch Täuschung angestrebten Unterlassung der Abnahme des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln) den Staat in seinem konkreten Recht (§§ 44 Abs. 1 lit. a und d, 58 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 57 Abs. 8 KFG) zu schädigen, mittels der genannten Maßnahmen der Straßenaufsichtsorgane nicht mehr als Motorfahrrad (§ 2 Z. 14 KFG) zulassungsfähige, auf ihre Verkehrssicherheit nicht geprüfte Fahrzeuge vom öffentlichen Verkehr auszuschließen (S 52 in Verbindung mit S 54). Diesen Sachverhalt subsumierte das Gericht rechtsrichtig dem Tatbestand der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB (9 Os 53/84, ZVR 1984/343), gelangte aber trotzdem zu dem eingangs erwähnten Freispruch, weil es vermeinte, daß die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 Abs. 1 StGB gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu Recht ein, daß konkrete Umstände, nach denen die Schuld des Angeklagten unter der Schwelle des von der Strafdrohung des § 108 StGB typischerweise erfaßten Schuldgehalts läge, weder den Urteilsfeststellungen noch sonst dem Akteninhalt zu entnehmen seien.

Berücksichtigt man nämlich, daß das Lenken eines Motorrades (§ 2 Z 15 KFG) im öffentlichen Straßenverkehr durch (in der Regel risikofreudige) Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die demnach auch nicht im Besitz der erforderlichen - den Nachweis entsprechender theoretischer und praktischer Fahrkenntnisse voraussetzenden - Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 2 KFG) sind, die hohe Gefahr eines Unfalles mit naheliegenden folgenschweren Nachteilen nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch in vermögensrechtlicher Hinsicht, und zwar sowohl für den Lenker selbst als auch für andere davon potentiell ohne konkrete Schutzmöglichkeit ( 32 Abs. 3 StGB) betroffene Verkehrsteilnehmer in sich birgt, kann nach Lage des Falles von einer unter der deliktstypischen Norm gelegenen, bloß geringen Schuld (§ 42 Abs. 1 Z 1 StGB) des Täters nicht gesprochen werden (vgl. hiezu ZVR 1984/343, S 375, 10 Os 198/84; LSK 1979/240, 1984/5).

Da mangelnde Strafwürdigkeit der Tat das kumulative Vorliegen sämtlicher im § 42 Abs. 1 StGB normierter Voraussetzungen erfordert (Leukauf-Steininger 2 , RN 20 zu § 42 StGB), erübrigt es sich in diesem Zusammenhang (siehe jedoch die Ausführungen zur Strafzumessung), auch noch auf die weiteren - fallbezogen aktuellen - Fragen einzugehen, ob eine Bestrafung des Andreas A, der bereits am 22.Juni 1983 zu 22 U 383/83 des Jugendgerichtshofes Wien im Zusammenhang mit einem von ihm als Mopedfahrer verschuldeten Verkehrsunfall des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 StGB schuldig erkannt worden war, nicht auch deshalb geboten ist, um ihn von (weiteren) strafbaren Handlungen abzuhalten und um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 42 Abs. 1 Z 3 StGB).

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil im bekämpften Freispruch aufzuheben und der Angeklagte anklagegemäß des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig zu erkennen.

Bei der Strafzumessung war erschwerend die auf dem gleichen Charaktermangel, nämlich der Mißachtung von Verkehrsvorschriften, beruhende und damit einschlägige (§§ 71, 33 Z 2 StGB) Vorstrafe, als mildernd war hingegen zu werten, daß es beim Versuch geblieben ist (§ 34 Z 13 StGB) und der Angeklagte durch seine Aussagen wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Z 17 StGB). Im Hinblick auf den arbeitssamen Lebenswandel und die nicht ungünstigen sozialen Verhältnisse des jugendlichen Angeklagten kann davon ausgegangen werden, daß es keinesfalls der Verhängung oder Androhung einer Freiheitsstrafe bedarf, um die Strafzwecke in spezial- und auch generalpräventiver Richtung zu erreichen (§ 37 Abs. 1 StGB), weshalb eine schuldangemessene, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des als Schlosserlehrling im dritten Lehrjahr beschäftigten, im mütterlichen Haushalt wohnhaften und aushilfsweise auch im Kaffeehausbetrieb der Mutter mitarbeitenden Angeklagten entsprechende Geldstrafe verhängt wurde.

Da die im Vorverfahren gewährte echte bedingte Verurteilung (§ 13 JGG) den Jugendlichen nicht von der Begehung dieser Straftat abhalten konnte, ist die Gewährung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) nicht angebracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte