Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 3.Dezember 1958 geborene Hilfsarbeiter Wilhelm (Karl) B*** des Verbrechens des Totschlags nach dem § 76 StGB schuldig erkannt.
Inhaltlich des Schuldspruchs tötete der Angeklagte am 17. Juni 1986 in Bregenz Erika B***, nachdem er sie bis zur Bewußtlosigkeit gewürgt hatte, dadurch vorsätzlich, daß er ihr einen zum Verbluten führenden tiefen Schnitt durch das rechte Handgelenk zufügte und ihr anschließend einen Kopfpolster auf das Gesicht drückte, wobei er sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tathandlung hinreißen ließ.
Die Geschwornen hatten die gemäß dem § 312 Abs 1 StPO im Sinn des Anklagevorwurfes an sie gerichtete Hauptfrage I nach dem Verbrechen des Mordes verneint, die Eventualfrage II nach dem Verbrechen des Totschlags hingegen bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes behauptet die Staatsanwaltschaft, die Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags sei dermaßen unvollständig, daß sie bei den Geschwornen zu Irrtümern Anlaß geben konnte, weswegen sie einer unrichtigen Rechtsbelehrung gleichgehalten werden müsse.
Diese Rüge versagt:
Gemäß dem § 321 Abs 2 StPO muß die Rechtsbelehrung - für jede Frage gesondert - eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Daß die vorliegende Rechtsbelehrung, die einleitend zu jeder Frage den Gesetzestext wiedergibt und in der Folge (vgl. S 169) auch das prozessual-formale Verhältnis der Fragen zueinander erklärt, infolge einer Unvollständigkeit in Behandlung der gesetzlichen Merkmale der Straftaten, auf die die Fragen gerichtet sind, zu Mißverständnissen oder zur irrigen Auslegung der in den Fragen enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes und zu Irrtümern über das Verhältnis der Fragen zueinander Anlaß geben konnte, wird von der Beschwerdeführerin zwar allgemein behauptet, konkret aber nicht aufgezeigt.
Im einzelnen ist den Beschwerdeausführungen entgegenzuhalten:
Daß ein Handeln im Affekt die Beurteilung einer vorsätzlichen Tötung als Mord "grundsätzlich nicht ausschließt", ist in der Rechtsbelehrung mit hinreichender Deutlichkeit für Laienrichter klargestellt. Geht doch aus den bezüglichen Darlegungen klar hervor, daß nicht jede Gemütsbewegung für die Annahme der Privilegierung des § 76 StGB ausreicht (AS 165), sondern nur eine solche, die
1. heftig, 2. allgemein begreiflich und 3. zur Tatzeit noch nicht abgeklungen ist (AS 166, 167).
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verdeutlichung der Begriffe "besonders verwerflicher Beweggrund bzw. Zweck", ferner eine beispielhafte Konkretisierung der in der Rechtsbelehrung enthaltenen Ausdrücke "verwerfliche Eigenschaften oder Neigungen" und "äußere Umstände", eine Definition des in der Rechtsbelehrung erwähnten "Durchschnittmenschen" (AS 206, 207) und eine Definition des Begriffes "Tatzeit" (AS 208) verlangt, übersieht sie, daß es sich dabei nicht um Ausdrücke des Gesetzes handelt, die in der schriftlichen Rechtsbelehrung erklärt werden müßten. Zur Vertiefung des Verständnisses für die Rechts- und Tatsachenfragen und zur Ausräumung allfälliger Zweifel und Irrtümer dient vielmehr die gemäß dem § 323 Abs 2 StPO im Anschluß an die (mündliche) Rechtsbelehrung abzuhaltende Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen. Der Hinweis in der Rechtsbelehrung, daß - abweichend vom Regelfall, bei dem der Tatentschluß und die Tatausführung unmittelbar aufeinander folgen - "auch Fälle denkbar sind, bei denen die heftige Gemütsbewegung längere Zeit hindurch andauert und deshalb eine gewisse Zeitspanne zwischen Entschluß und Ausführung der Tat liegt", trägt - dem Beschwerdevorbringen zuwider - sowohl den Ergebnissen des Beweisverfahrens als auch der Schilderung des Sachverhaltes durch die Beschwerdeführerin in der Anklage Rechnung. Denn darnach würgte der Angeklagte am 17.Juni 1986 seine Gattin Erika B*** zunächst ohne Tötungsvorsatz bis zur Bewußtlosigkeit und fügte ihr erst später (nachdem er aus der Küche ein Küchenmesser geholt hatte) mit Tötungsvorsatz die tödlichen Schnittverletzungen zu. Diese von der Beschwerdeführerin als "überflüssig" bezeichnete, aber richtige (vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN 8 zu § 76 StGB) Auslegung der in der Eventualfrage enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes "Wer sich in einer .... heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt" .... war hier aber auch nicht geeignet, bei den Geschwornen Mißverständnisse über die Bedeutung des den psychischen Ausnahmezustand herbeiführenden Anlasses hervorzurufen, zumal die Rechtsbelehrung ohnedies ausdrücklich darauf hinweist, daß diese Verknüpfung (und nicht die Tatreaktion) allgemein begreiflich sein muß (Punkt 2/ der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage). Einer Belehrung darüber, daß es für die Beurteilung der Tat (als Mord oder Totschlag) unerheblich ist, ob die Gemütsbewegung vom Opfer veranlaßt oder sonst durch eine dem Täter zugefügte Unbill hervorgerufen wurde, bedurfte es nicht, weil das Gesetz insoweit keine Einschränkungen kennt, sondern bloß darauf abstellt, ob die (worin auch immer gelegene) Ursache des Affekts sittlich verständlich ist.
Auch mit dem auf Punkt 3/ der Belehrung zur Eventualfrage beschränkten Vorbringen, der Schwurgerichtshof hätte in der Rechtsbelehrung dem Umstand "weit größeres Augenmerk widmen müssen", daß sich nach Lage des Falles das mehraktige Tatgeschehen über einen längeren Zeitraum hinzog, bringt die Staatsanwaltschaft den angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn zum einen läßt die Rechtsbelehrung ihrem gesamten Inhalt und Sinngehalt nach ohnedies keinen Zweifel, daß Totschlag als privilegierter Fall vorsätzlicher Tötung nur dann angenommen werden kann, wenn sowohl der Tatentschluß als auch dessen Ausführung in den Zeitraum der (heftigen) Gemütsbewegung fallen. Zum anderen übersieht die Beschwerdeführerin abermals, daß es nicht Aufgabe der Rechtsbelehrung, sondern der vom Vorsitzenden mit den Geschwornen gemäß dem § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden, einer Anfechtung im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde entzogenen Besprechung ist, die einzelnen Fragen zu erörtern, dabei in die Fragen aufgenommene gesetzliche Merkmale auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt zurückzuführen, die für die Beurteilung der Fragen entscheidenden Tatsachen hervorzuheben und auch auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung hinzuweisen (Mayerhofer-Rieder StPO 2 , ENr. 14, 15 zu § 345 Z 8).
Gleichermaßen verfehlt ist die Heranziehung und (einseitig auf die rechtsethische Wertung der allgemeinen Begreiflichkeit des tiefgreifenden Affekts beschränkte) Ausdeutung der vom Obmann der Geschwornen gemäß dem § 331 Abs 3 StPO verfaßten Niederschrift mit der erklärten Zielsetzung, das Vorliegen einer - in Wahrheit nicht unterlaufenen - Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung zu untermauern (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 , Anm.Nr. 10, 18 zu § 331). Ein von der Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde mit Bezug auf den Affektstau als "völlig verfehlt" bezeichneter "Hinweis auf die Sachverständigengutachten" ist der Rechtsbelehrung zu den Schuldfragen nach Mord und Totschlag nicht zu entnehmen. Die in den "Zusammenfassenden Ausführungen zu allen Fragen" (AS 168) enthaltene Wendung, die Frage, ob jemand zur Tatzeit zurechnungsfähig war, sei nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, "insbesondere nach den dazu abgegebenen Sachverhaltsgutachten zu entscheiden", ist aber weder geeignet, bei den Geschwornen Mißverständnisse hervorzurufen, noch kann dieser Teil der Rechtsbelehrung Gegenstand einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde sein, weil eine Zusatzfrage nach den Schuldausschließungsgründen des § 11 StGB nicht gestellt wurde (Mayerhofer-Rieder StPO 2 , ENr. 24 zu § 345 Z 8).
Es versagt aber auch die Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Beurteilung der Tat als Mord anstrebt. Voraussetzung für die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) ist es, daß sich die behauptete unrichtige Gesetzesanwendung ausschließlich aus der Vergleichung der im Wahrspruch der Geschwornen enthaltenen und damit festgestellten (vgl. § 351, zweiter Satz, StPO) Tatsachen mit dem vom Schwurgerichtshof angewendeten Strafgesetz ergibt. Die Staatsanwaltschaft leitet aber jene Wertung, derzufolge sie eine allgemeine Begreiflichkeit der festgestellten heftigen Gemütsbewegung, welche den Angeklagten zum Tatentschluß hinriß, für nicht gegeben hält, nicht aus dem allein maßgebenden Wahrspruch ab, sondern bezeichnet diesen Spruch mit Bezug auf "die Ergebnisse des Beweisverfahrens" und den Inhalt der Anklageschrift als irrig. Die Stichhältigkeit des Beschwerdevorbringens kann aber nur unter Bindung an die im Wahrspruch getroffenen Feststellungen, und zwar auch zur subjektiven Tatseite, geprüft werden. Ausgeschlossen ist ein Zurückgreifen auf Verfahrensergebnisse, die im Wahrspruch mangels einer - vom Gesetz für Schuldfragen in Richtung des Totschlags prinzipiell nicht geforderten (vgl. ÖJZ-LSK 1985/54 = EvBl 1985/134 = RZ 1985/65; 10 Os 3/87) - Konkretisierung jener Umstände, aus denen die Geschwornen eine Tatbegehung in allgemein begreiflicher heftiger Gemütsbewegung abgeleitet haben, keine Berücksichtigung fanden (SSt. 42/34 ua). Demgemäß verfehlt die Beschwerdeführerin die gesetzmäßige Ausführung des angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes, weil sie in Wirklichkeit einen Rechtsirrtum bei der Subsumtion des im Wahrspruch umschriebenen Sachverhaltes gar nicht behauptet.
Dem Standpunkt, daß die Beweisergebnisse auf eine allgemeine Begreiflichkeit des Affekts nicht hindeuten und demnach der Privilegierungstatbestand des Totschlags nicht verwirklicht worden sein könne, hätte die Staatsanwaltschaft in prozeßordnungsmäßiger Weise nur durch einen rechtzeitigen Widerspruch gegen die bezügliche Eventualfrage und durch eine folgende Anfechtung dieser Fragestellung zum Durchbruch verhelfen können (§ 345 Abs 1 Z 6 und Abs 4 StPO; vgl. ua 10 Os 3/87), was jedoch vorliegend versäumt wurde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über Wilhelm B*** nach dem § 76 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es die angewendete brutale Gewalt gegenüber dem im Bett liegenden Opfer, das diesen Angriff nicht gewärtigen und sich ihm nicht entziehen konnte, als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit sowie das verminderte Dispositionsvermögen des Angeklagten, bedingt durch anlagemäßige Charakterumstände, lebensgeschichtliche Belastungen, hochgradige emotionelle Einflüsse sowie eine leicht bis mittelgradige Restalkoholisierung, als mildernd.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung, die Anklagebehörde die Erhöhung des Strafausmaßes an.
Die Berufungen sind nicht begründet.
Das Erstgericht fand nach Lage des Falles mit der nahe der Obergrenze des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzten Strafe ein der hohen Tatschuld adäquates Ausmaß, das in keiner Richtung hin zu einer Abänderung Anlaß bietet. Den vom Angeklagten geltend gemachten Milderungsgründen wurde vom Erstgericht ausreichend Rechnung getragen.
Den Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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