OGH 11Os3/06k

OGH11Os3/06k14.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard R***** und andere Angeklagte wegen mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Gerhard R*****, Rickard B***** und Johann S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 5. Juli 2005, GZ 14 Hv 9/04s-77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann S***** sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht Wels zurückverwiesen.

Die Angeklagten Gerhard R***** und Rickard B***** werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen, der Angeklagte Johann S***** wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gerhard R*****, Rickard B*****, Johann S***** und Andreas St***** der (richtig: jeweils mehrerer) Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I) und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) im bewussten und gewollten Zusammenwirken gewerbsmäßig mit den Marken „Marlboro" und „Marlboro light" versehene, tatsächlich aber nicht vom Markeninhaber stammende Zigaretten unverzollter, EU-ausländischer Herkunft, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, gekauft, sonst an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt, nämlich

(1) Johann S***** und Andreas St***** in der Zeit vom Februar 2004 bis zum 3. März 2004, indem dieser von jenem in mehreren Angriffen 300 Stangen zu je 16,00 Euro erwarb und in der Folge einen Großteil weiterveräußerte,

(2) Johann S***** und Andreas St***** am 2. März 2004 sowie am 18. April 2004, indem sie 14.000 Stangen in einen Lagerraum verbrachten und hievon 16 bis 20 Kartons zu je 50 Stangen weitergaben, sowie

(3) alle vier Angeklagten am 21. April 2004, indem Johann S***** und Andreas St***** 7.000 Stangen von Eugendorf via Pinsdorf nach Regau verbrachten, wo sie an eine von Gerhard R***** und Rickard B***** vermittelte Person verkauft werden sollten, weiters (II) alle vier Angeklagten durch die zu I beschriebenen Tathandlungen Monopolgegenstände, hinsichtlicher welcher in Monopolrechte eingegriffen worden war, gekauft, sonst an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt.

Die strafbestimmenden Wertbeträge wurden mit 10.503,84 Euro (I 1), 490.179,20 Euro (I 2) und 245.089,60 Euro (I 3), die Bemessungsgrundlagen (II) hinsichtlich Johann S***** und Andreas St***** mit 724.200,00 Euro sowie bezüglich Gerhard R***** und Rickard B***** mit 238.000,00 Euro festgestellt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhoben Gerhard R***** aus Z 4, 5a und 9 lit b, Rickard B***** aus Z 5 und 10 sowie Johann S***** aus Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerden. Nur Letzterer kommt Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann S*****:

Die Mängelrüge (der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5) wendet zutreffend unzureichende Begründung der Feststellungen über die strafbestimmenden Wertbeträge (§ 37 Abs 2 FinStrG) und die Bemessungsgrundlagen (§ 46 Abs 2 FinStrG iVm § 44 Abs 2 lit c FinStrG) ein. Das Erstgericht stützt sich diesbezüglich auf die in der Anzeige des Zollamtes Graz (ON 54) und einem Nachtrag hiezu (ON 55) enthaltenen Berechnungen (US 27 f), denen aber die Berechnungsgrundlagen nicht zu entnehmen sind. Insbesonders die - in diesem Zusammenhang wesentliche - Urteilsaussage, wonach „sich für das Gericht kein Unterschied dahin ergab, dass es sich hier um geschmuggelte bzw total gefälschte Zigaretten handelte, für die allenfalls ein niedrigerer Endverkaufspreis anzusetzen wäre" (US 28), lässt jede Begründung vermissen. Auch diesbezüglich ist aus dem Verweis auf die Berechnungen des Zollamtes Graz nichts zu gewinnen, weil aus diesen nicht einmal hervorgeht, ob ihnen die Werte von Original-Zigaretten zugrundegelegt worden sind (S 547 - 553/II, 11 - 17/III), und demnach auch nicht, aus welchem Grund dies allenfalls geschehen ist.

Berechtigt ist auch der zum Schuldspruch II erhobene Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), dass die angefochtene Entscheidung keine - für eine Verurteilung wegen des Finanzvergehens der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG wesentlichen - Feststellungen zu einer Monopolrechte verletzenden Vortat enthält. Schließlich trifft auch die Rechtsansicht der Sanktionsrüge (Z 11) zu, wonach die aggravierende Wertung des Zusammentreffens mehrerer Finanzvergehen sowie des hohen hinterzogenen Betrags an Eingangsabgaben gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt, weil diese Umstände nach (hier) §§ 21 Abs 2, 37 Abs 2 und 46 Abs 2 FinStrG schon die Höhe des Strafrahmens bestimmen (SSt 59/90, zuletzt 11 Os 9/04; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 711).

Da sich schon aufgrund dieser Urteilsmängel zeigt, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen. Zumal die (den Angeklagten nachteiligen) Urteilsfehler zum Teil in der unrichtigen Anwendung des Strafgesetzes bestehen und im Übrigen allen vier Angeklagten gleichermaßen zustatten kommen, war die angefochtene Entscheidung zur Gänze aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Somit war auf die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Gerhard R***** und Rickard B***** nicht einzugehen. Im zweiten Rechtsgang wird zunächst das Zollamt Graz aufzufordern sein, die Grundlagen für die Berechnung der strafbestimmenden Wertbeträge und der Bemessungsgrundlagen (und damit auch des Wertersatzes) darzulegen. Allfällige (substantiierte) Einwände hiegegen werden - dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO folgend - im Rahmen der Beweiswürdigung zu erörtern sein. Hinsichtlich des Vorwurfs des Finanzvergehens der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG ist zu berücksichtigen, dass die Begehung des Finanzvergehens des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit b FinStrG durch den Entfall des Verbots der Überführung von Tabakerzeugnissen in den zollrechtlich freien Verkehr zu gewerblichen Zwecken im Monopolgebiet infolge Aufhebung des § 2 TabMG 1996 durch Art VII des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 2002 BGBl I 2002/132 mangels eines akzessorischen Einfuhr-Tabakmonopols im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz (§ 4 Abs 2 FinStrG) als Vortat nicht (mehr) in Betracht kommt (vgl 11 Os 112/04, 14 Os 43/04, 11 Os 74/05z, 12 Os 107/05k).

Rechtlich mögliche Vortaten wären hingegen vorsätzliche Eingriffe in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG, weil der Handel mit Tabakerzeugnissen, also das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von solchen Erzeugnissen im Monopolgebiet (§ 5 Abs 4 TabMG) nach wie vor verboten ist (§ 5 Abs 3 TabMG).

Mit Blick auf den Vorwurf, Zigaretten gewerbsmäßig verhandelt zu haben (ON 56), wäre auch die (unmittelbare) Subsumtion der inkriminerten Tathandlungen (nicht unter § 46 Abs 1 lit a FinStrG, sondern) unter § 44 Abs 1 lit a FinStrG grundsätzlich vom Anklagesachverhalt gedeckt.

Ob die Sachverhaltsgrundlagen für allfällige Schuldsprüche nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG oder § 46 Abs 1 lit a FinStrG vorliegen, wird von den Tatrichtern in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu beurteilen und (gegebenenfalls) durch - hinreichend begründete (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - Feststellungen zur subjektiven und zur objektiven Tatseite darzulegen sein.

Für den Fall abermaliger Schuldsprüche nach dem Finanzstrafgesetz sei auf die oben angeführte Judikatur zum Doppelverwertungsverbot hingewiesen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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