European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00029.24K.0423.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (II/) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses „nach §§ 212 Abs 1 Z 1 und 2, 15 StGB“ (III/; erkennbar gemeint: für die Zeit von 2012 bis Winter 2014/15 nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB und für die Zeit ab Sommer 2015 bis Ende 2016 nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W*
I/ mit der am * 2007 geborenen, sohin zum Tatzeitpunkt unmündigen * K* dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er
1/ am 9. August 2014 einen Analverkehr mit ihr vollzog;
2/ zu einem unbekannten Zeitpunkt im Zeitraum von 2013 bis 8. August 2014 ihren Kopf nahm, zu seinem Penis drückte und ihr sagte, dass sie den Mund öffnen solle, sodann seinen Penis in ihren Mund schob und in weiterer Folge ihren Kopf festhielt, während er seinen Unterleib hob bzw bewegte;
II/ zu unbekannten Zeitpunkten im Zeitraum von 2012 bis Winter 2014/15 und ab Sommer 2015 bis Ende des Jahres 2016 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am * 2007 geborenen, sohin unmündigen * K* vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen bzw vorzunehmen lassen versucht, indem er
1/ ihr einmal die Hose wegzog und ihr unter der Unterhose auf ihre nackte Scheide griff und seine Hand darauf legte;
2/ in wiederholten Angriffen, nämlich ca einmal wöchentlich, ihre Hand zu seinem teils bekleideten, teils nackten Penis führte, den sie dann auch berührte, wobei es ihr teilweise gelang, ihre Hand vor einer Berührung wegzuziehen, sodass es insoweit beim Versuch blieb;
III/ durch die unter I/ und II/ beschriebenen Tathandlungen in der Zeit zwischen 2012 bis Winter 2014/15 mit der am * 2007 geborenen, sohin unmündigen * K*, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person, und ab Sommer 2015 bis Ende 2016 mit seiner am * 2007 geborenen, sohin minderjährigen Stieftochter geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, teils dies versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 8 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) ortet einen „krassen Widerspruch“ in der Urteilsbegründung, weil (zusammengefasst) einerseits die – zufolge der einprägsamen Situation – ausführliche Schilderung des vom Schuldspruch zu I/1/ umfassten Sachverhalts durch das Opfer als Indiz für die Erlebnisbasiertheit seiner Angaben herangezogen (US 12 f) und andererseits der Umstand, dass das Opfer vor der Polizei den zeitlich früheren Oralverkehr (I/2/) noch nicht erwähnt hatte (vgl US 10 f), als aus fachlicher Sicht nachvollziehbar erachtet worden sei (US 13). Damit wird jedoch kein Begründungsmangel iSd Z 5 dritter Fall (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119089) dargetan, sondern lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StGB) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld kritisiert.
[5] Die (auch aus dem Blickwinkel von § 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO hinreichend deutlich getroffene [vgl US 2, 5 f, 15, 18]) Feststellung, wonach der Angeklagte die Taten im Zeitraum von 2012 bis Winter 2014/15 unter Ausnützung seiner Stellung als Aufsichtsperson beging oder zu begehen versuchte (§§ 212 Abs 1 Z 2, 15 StGB), blieb der Beschwerde zuwider nicht offenbar unzureichend unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde aus dem Umstand abgeleitet, dass das (zum Beginn dieses Tatzeitraums erst fünf und zu dessen Ende erst sieben Jahre alte) Opfer sich den (US 4 ff: gezielt in Entfernung oder Abwesenheit von anderen Personen verübten) Angriffen des Angeklagten als (damals) Lebensgefährten der Mutter des Opfers nicht entziehen konnte (US 15, 18; vgl RIS‑Justiz RS0095273).
[6] Das aus § 281 Abs 1 Z 8 StPO erhobene Vorbringen macht einen Verstoß gegen § 262 StPO geltend, weil der Angeklagte zur rechtlichen Beurteilung der (vor der Eheschließung des Angeklagten mit der Mutter des Opfers) im Zeitraum 2012 bis Winter 2014/15 gesetzten Taten zu III/ als Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (anstelle wie in der Anklage nach § 212 Abs 1 Z 1StGB [vgl ON 22 S 2]; vgl RIS‑Justiz RS0095264) nicht gehört worden sei.
[7] Die Beschwerde legt jedoch nicht plausibel dar, weshalb mit Blick auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt (vgl RIS‑Justiz RS0129723) in Ansehung dieser im materiellen Sinn mit der Anklage identen Taten (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 545) unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte im Verfahren durchgehend geschlechtliche Handlungen mit dem Mädchen in Abrede gestellt hatte (US 7; ON 7.3 S 3 und ON 27 S 3, 5 f), die Verteidigung eine andere gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0113755 [insb T5, T8, T29, T33]; zum bereits in der Anklageschrift angeführten Zeitpunkt der Eheschließung des Angeklagten mit der Mutter des Opfersvgl zudem ON 7.3 S 2, ON 22 S 3 und ON 27 S 3).
[8] Mit der auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Kritik, § 43a Abs 4 StGB sei zu Unrecht nicht angewendet worden, weil – entgegen derAnsicht des Schöffengerichts (US 20) – (insbesondere) keine spezialpräventiven Hindernisse für eine teilbedingte Strafnachsicht vorlägen, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet (vgl RIS‑Justiz RS0099892 [insb T4], RS0101597; Ratz, WK‑StPO § 281 Abs 1 Rz 724, 728). Dem Einwand, das Erstgericht hätte bei Beurteilung dieser Frage weitere Umstände feststellen und bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen, ist im Übrigen zu erwidern, dass der (hier allein in Betracht kommende) dritte Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO auf keine Sachverhaltsschilderung der Entscheidung abstellt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 677, 691).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (zum Teil als „Beschwerde“ angemeldete) Berufung folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)