Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in den unter den Punkten 1 a und b sowie 2 a und b des Urteilssatzes ergangenen Schuldsprüchen sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuerlicher Verhandlung und und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 8. Jänner 1958 geborene Elektromechaniker Manfred A und der am 8. Juli 1952 geborene Landwirt Karl B des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB. sowie des Vergehens der (teils) versuchten - Karl B nur in dieser Erscheinungsform - teils vollendeten Nötigung zur Unzucht nach den §§ 15, 204 Abs. 1 bzw. 204 Abs. 1 und 15 StGB., Manfred A überdies des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. schuldig erkannt und zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt.
Als Verwirklichung der genannten Bestimmungen zum Schutz der Sittlichkeit liegt den beiden Angeklagten zur Last, am 28. März 1979 in St. Martin am Wölmißberg die Dorothea C 1.) im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit Gewalt, in dem sie ihr die Kleider vom Leibe rissen und sie auf die Ladefläche des PKW. des Manfred A zerrten, a) zum außerehelichen Beischlaf b) zur Unzucht, indem sie sie aufforderten, an ihnen einen Mundverkehr durchzuführen, 2.) Manfred A allein a) mehrmals mit Gewalt, indem er sie gegen den PKW. und den Erdboden drückte, zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht, b) durch gefährliche Drohung, indem er sich Dorothea C gegenüber äußerte, falls sie ihn nicht seinen Finger in ihren Geschlechtsteil einführen lasse, müsse sie nackt nach Hause gehen, sohin mit einer Verletzung an der Ehre, zur Unzucht genötigt zu haben.
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf die Z. 2, 3, 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Was zunächst die Beschwerdeausführungen zu dem zweitangeführten Nichtigkeitsgrund anlangt, so erweisen sich diese als nicht berechtigt, weil die den - an sich im übrigen gar nicht bekämpften (vgl. S. 217) - Schuldspruch des Manfred A wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. im Tenor und die diesen Schuldspruch bedingenden Tatumstände (§ 260 Abs. 1 Z. 1 StPO.) überhaupt nicht enthaltenden Ausfertigungen des angefochtenen Urteils mit Beschluß des Schöffengerichts vom 20. November 1979 in der Zwischenzeit rechtskräftig an den in der relevierten Hinsicht vollständigen Wortlaut des verkündeten Urteils angeglichen wurden und es dem Angeklagten A daher schon aus diesem Grund an einer Beschwer im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Mangelhaftigkeit der ihm zugestellten Urteilsausfertigung fehlt. Mit Recht machen die beiden Beschwerdeführer jedoch eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes geltend.
Dieses aus dem § 252 Abs. 1 StPO. abzuleitende Prinzip verlangt, daß Zeugen, sofern dies nur irgendwie möglich und durchführbar ist, vom erkennenden Gericht selbst vernommen werden und dieses sich nicht mit der bloßen Verlesung ihrer im Vorverfahren abgelegten Aussagen begnügen darf.
Solange nicht zweifelsfrei feststeht, daß die Erkrankung eines Zeugen längerfristig ist, sind, sollen Grundsätze eines die Strafverteidigung sichernden Verfahrens nicht hintangesetzt werden, die Voraussetzungen für die Verlesung seiner im Vorverfahren abgelegten Aussage im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle nicht gegeben (EvBl. 1969/354 u. a.).
Eine derartige Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bewirkt zwar nicht schon an sich eine Nichtigkeit des Verfahrens nach der von den Beschwerdeführern zu Unrecht angezogenen Bestimmung der Z. 2 des § 281 Abs. 1 StPO., weil von der Gendarmerie verfaßte Protokolle als nichtige Vorerhebungsakte nach dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht kommen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, § 281 Z. 2 E.Nr. 2 und 3) und § 252 StPO. nicht zu den Vorschriften gehört, deren Einhaltung unter Nichtigkeitssanktion steht, jedoch vermag die sachlich nicht begründete Ablehnung eines Antrages auf Vernehmung eines Zeugen vor dem erkennenden Gericht unter den sonstigen Voraussetzungen den Nichtigkeitsgrund der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. darzustellen.
Diesen machen die Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall in folgender Hinsicht mit Recht geltend:
Das Schöffengericht hat in der Hauptverhandlung vom 4. Oktober 1979 den Antrag der Verteidigung auf Einvernahme der einzigen unmittelbaren Tatzeugin Dorothea C vor dem erkennenden Gericht und auch den Antrag des Staatsanwaltes auf deren zumindest gerichtliche Einvernahme (durch den Untersuchungsrichter) mit der Begründung abgelehnt, daß nicht feststeht, wann die Zeugin auf Grund ihres gesundheitlichen Zustandes zu einer Einvernahme fähig sei und diese Einvernahme 'wegen Unbestimmtheit der Vernehmungsfähigkeit' daher nicht durchgeführt werden könne ((siehe S. 173).
Abgesehen davon, daß diesem Beschluß die Art der vom Erstgericht als Vernehmungshindernis angesehenen Krankheit nicht entnommen werden kann, geht er auch ohne ausreichende Entscheidungsgrundlagen von einer unbestimmten, offensichtlich gemeint länger währenden Krankheitsdauer aus.
Das Erstgericht stützt sich in diesem Zusammenhang ersichtlich auf eine von Dorothea C übersandte Bestätigung des praktischen Arztes Dr. Heinrich D vom 2. Oktober 1979 (ON. 28) und auf ein mit diesem am 4. Oktober 1979 geführtes Telefongespräch (siehe S. 1 h verso), wonach die genannte Zeugin - sinngemäß zusammengefaßt - zu den genannten Zeitpunkten an einer sich ständig verschlechternden manisch-depressiven Verstimmung litt, 'aus Angst' (?) akute Suicidgefahr bestand und nicht gesagt werden konnte, wann eine Vernehmungsfähigkeit eintreten wird.
Da nach der Aktenlage andererseits insbesondere der Prim. Dr. E des Landessonderkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie in Graz die Vernehmungsfähigkeit der Zeugin - nach ihrem letzten Selbstmordversuch am 2. Juni 1979 (siehe S. 89) - auf Grund einer diesbezüglichen gerichtlichen Anfrage am 19. Juli 1979 bejahte, am 20. Juli 1979
zwar wieder verneinte (siehe S. 1 f verso), jedoch am 23. Juli 1979 gemeinsam mit einem weiteren Facharzt neuerlich für gegeben ansah und lediglich empfahl, die Vernehmung erst 3 bis 4 Wochen später vorzunehmen (siehe S. 106, 107), kann die entgegen dieser fachkundigen Meinung von Spezialisten bzw. ohne deren Berücksichtigung geäußerte Ansicht eines praktischen Arztes - wie die Beschwerdeführer zutreffend erkannt haben - noch nicht als ausreichend angesehen werden, um endgültig über die im konkreten Fall wohl nur durch einen gerichtsärztlichen Sachverständigen zu klärende Frage der angeblich länger währenden Vernehmungsunfähigkeit der Hauptbelastungszeugin Dorothea C abzusprechen.
Daß aber die persönliche Vernehmung der Zeugin geeignet sein kann, auf die richterliche Überzeugung in anderer Weise einzuwirken, als die bloße Verlesung ihres von der Gendarmerie aufgenommenen - z.B. bis auf die Betastung der Brüste keinerlei Unzuchts- bzw. Beischlafshandlungen des Zweitangeklagten B wiedergebende - Vernehmungsprotokoll, kann um so weniger bezweifelt werden, als das Schöffengericht selbst bei der im vorliegenden Fall gegebenen Beweislage noch am 10. und am 23. Juli 1979 eine gerichtliche Vernehmung der Zeugin C (allenfalls außerhalb einer Verhandlung) ausdrücklich für erforderlich erachtete (S. 1 f und 108 d.A.) und zu diesen Zeitpunkten u.a. der Inhalt von Niederschriften noch gar nicht bekannt war, in welchen insbesonders der Angeklagte Manfred A jede strafrechtlich relevante Gewaltanwendung gegenüber Dorothea C so wie bei seinen späteren gerichtlichen Vernehmungen in Abrede stellte (siehe die erst am 12. September 1979 über Antrag der Verteidigung erfolgte Vorlage dieser Urkunden durch die Gendarmerie).
Da sich somit erweist, daß schon wegen des aufgezeigten Verfahrensmangels die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst nicht einzutreten hat, war, ohne daß es einen Eingehens auf die weiteren Ausführungen in der Rechtsmittelschrift bedurfte, gemäß dem § 285 e StPO. nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit ihrer dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)