OGH 11Os169/96

OGH11Os169/9626.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Riedler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tomislav I***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.August 1996, GZ 3 d Vr 7032/96-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, und des Verteidigers Dr.Doschik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) im Ausspruch, daß die Nötigung mit "schwerer" Gewalt und die Drohung mit gegenwärtiger "schwerer" Gefahr für Leib und Leben begangen wurde, ferner in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Tomislav I***** hat durch die im Schuldspruch zu Punkt 1 bezeichneten Tathandlungen das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tomislav I***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu 1) "ab einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Herbst 1994 bis Dezember 1995 seine (am 15.August 1979 geborene) leibliche Tochter Danijela I***** in wiederholten Angriffen mit (schwerer - siehe US 8, 9) Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr jeweils Schläge versetzte und ihr mit dem Umbringen drohte, sie jeweils brutal auf das Bett niederdrückte, ihr die Beine auseinanderzwängte und an der in extremer Angst vor ihm befindlichen Jugendlichen den Geschlechtsverkehr vollzog, wobei sich Danijela I***** jeweils deswegen in einem extremen Angstzustand befand, da sie (ihr Vater Tomislav) I***** früher oftmals verprügelt und auch mit einem Riemen geschlagen hatte und sie aufgrund der jeweiligen rücksichtslosen und brutalen sexuellen Übergriffe und der früheren körperlichen Attacken des Tomislav I***** gegen sie im Fall der Gegenwehr zumindest mit einer schweren Körperverletzung rechnete, deren sofortige Verwirklichung Tomislav I***** aus der jeweiligen brutalen Durchführung des Geschlechtsverkehrs in Verbindung mit der Tatsache, daß er Danijela I***** bereits oftmals verprügelt und auch mit einem Riemen geschlagen hatte, zu erkennen gab";

(zu 2) durch die zu 1 angeführte Handlungsweise an einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch zu Punkt 1 bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich als begründet erweist.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer geltend, daß die ihm unter Punkt 1 des Schuldspruches zur Last liegende Tat nicht dem Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB, sondern jenem nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle zu unterstellen wäre.

Nach den maßgeblichen Urteilfeststellungen bestanden die vom Angeklagten gegen seine Tochter als Nötigungsmittel eingesetzte Gewaltanwendung und Drohung im wesentlichen im Versetzen von Schlägen und im Niederdrücken auf das Bett sowie in der Drohung mit dem "Umbringen" (5 und 6). Im Rahmen der Rechtsausführungen wurde - in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Teil des Urteilsspruches - dazu noch ausgeführt, daß Danijela I***** derartige Drohäußerungen aufgrund früherer Aggressionshandlungen des Angeklagten in Verbindung mit dem bei ihr "dadurch ausgelösten Krankheitsbild" zumindest als Drohung mit einer schweren Körperverletzung einstufen mußte (US 9). Lediglich vor dem Hintergrund dieses für das Tatopfer gleichsam einen "qualvollen Zustand" (wenn auch nicht im Sinne des § 201 Abs 3 StGB) bedingenden gesamten Aggressionsverhaltens des Angeklagten unterstellte das Erstgericht die als erwiesen angenommenen Tathandlungen dem § 201 Abs 1 StGB, wiewohl die betreffenden Begehungsweisen - wie auch das Schöffengericht hiezu ausführte - für sich allein weder dem Begriff der schweren Gewalt noch jenem der gegenwärtigen schweren Gefahr für Leib und Leben im Sinne dieser Gesetzesstelle entsprachen.

Mit dieser Rechtsauffassung mißversteht das Erstgericht jedoch den Bericht des Justizausschusses zur Strafgesetznovelle 1989, BGBl 1989/242, wonach eine Gewaltanwendung auch dann als "schwer" anzusehen ist, "wenn ihre Gefährlichkeit oder Intensität zwar nicht das entsprechende Ausmaß erreicht, aber - oberhalb der Schwelle der erheblichen Gewalt, jedoch ohne daß dadurch bereits ein qualvoller Zustand des Opfers (im Sinne des StGB) herbeigeführt würde - so nachhaltig ist, daß sie durch ihre (längere) Dauer eine gleichartige Wirkung zu entfalten geeignet ist, wie eine an sich schwere Gewalt" (927 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII.GP, S 3). Denn damit wird lediglich eine solche längerwährende Einwirkung auf das Tatopfer der an sich schweren Gewalt als Begehungsweise zur Realisierung einer von einem einheitlichen Vorsatz getragenen Einzeltat gleichgesetzt, soweit die zueinander in einem engen räumlichen und zeitlichen Verhältnis stehenden Ausführungshandlungen dieser einen Tat eine längere Zeitdauer in Anspruch nehmen. Nach den Urteilsfeststellungen bildete das Tatverhalten des Angeklagten aber nicht ein einheitliches, als einzige Tat zu wertendes Gesamtgeschehen; ihm liegt vielmehr eine Mehrzahl jeweils auf einem gesonderten Willensentschluß beruhender eigenständiger Vergewaltigungsakte zur Last, die zueinander im Verhältnis der Realkonkurrenz stehen. Die Subsumierung dieser Taten unter den Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB hätte daher vorausgesetzt, daß die zur Erreichung des Tatziels erfolgte Gewaltanwendung in jedem Einzelfall für sich allein bereits die Qualität schwerer Gewalt erreichte, was aber auch nach den Ausführungen des Erstgerichtes hier nicht der Fall war.

Gleiches gilt nach den getroffenen Urteilsfeststellungen auch hinsichtlich der als weiteres Begehungsmittel eingesetzten Drohungen, besteht doch eine nach § 201 Abs 1 StGB tatbestandsmäßige Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben in der glaubhaften Androhung des unmittelbar bevorstehenden Eintrittes des Todes oder einer im § 106 Abs 1 Z 1 StGB bezeichneten körperlichen Beeinträchtigung oder der glaubhaften Androhung einer Lebens- und Gesundheitsgefährdung durch die dort genannten oder durch gleichwertige Mittel (13 Os 130/94, 14 Os 86/91, 11 Os 30/91 ua; Leukauf/Steininger Komm3 § 201 RN 15).

Mangels Vorliegens der Nötigungsmittel der schweren Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben war somit die zu Punkt 1 des Schuldspruches bezeichnete Tat auf der Grundlage der erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen rechtsrichtig als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB zu beurteilen.

Im Hinblick auf die mit der Behebung des unterlaufenen Subsumtionsirrtums verbundene Aufhebung auch des Strafausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen zur Strafbemessungsrüge.

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die oftmalige Tatwiederholung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, zwei Vorverurteilungen wegen § 83 Abs 1 StGB (ebenfalls begangen an seiner Tochter) und die durch die Tathandlungen des Angeklagten bewirkte zweimalige Schwangerschaft des Mädchens, als mildernd keinen Umstand.

Auf der Basis dieser Strafbemessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) ist die Verhängung der Höchststrafe (nach § 201 Abs 2 StGB) von fünf Jahren Freiheitsstrafe jedenfalls erforderlich, um dem hohen Handlungsunwert sowie dem gravierenden sozialen Störwert der zahlreichen Vergewaltigungsakte des Angeklagten über einen längeren Zeitraum verbunden mit zweimaliger Schwangerschaft der Tochter Rechnung zu tragen und auch der Verwerflichkeit von sexueller Gewalt in der Familie den gebotenen Stellenwert einzuräumen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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