OGH 11Os161/08y

OGH11Os161/08y4.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Michael M***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juni 2008, GZ 031 Hv 179/07d-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält (II.) - wurde Dr. Michael M***** des Verbrechens des „gewerbsmäßig schweren" Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt (I.). Danach hat er [als österreichischer Botschafter] in Kiew mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die Republik Österreich am Vermögen schädigten, wobei er die Betrügereien gewerbsmäßig beging und durch die Tat einen 50.00 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, A.) indem er in seinem am 14. Dezember 2001 eingereichten Antrag auf Gewährung eines Ehegattenzuschlags wahrheitswidrig erklärte, dass er mit seiner Ehegattin Elizabeth M***** an seinem Dienstort (Kiew) einen gemeinsamen Haushalt führe und seine Ehegattin seit 30. November 2001 ständig mit ihm am Dienstort lebe, und während des fortgesetzten Genusses des Ehegattenzuschlags, des erhöhten Ehegattenzuschlags und des Pensionsvorsorgezuschusses von Anfang 2002 bis 31. Dezember 2005 unterließ (§ 2 StGB), der in § 21 Abs 9 GG 1956 bzw ab 1. Jänner 2005 in § 21g Abs 12 GehG gesetzlich begründeten Aufklärungspflicht, zu der er sich auch in seinem Antrag schriftlich bekannt hatte, sowie der im Runderlass des BMaA vom 30. März 1999, Zl 336.25/0003e-VI.2/99, Zi 4, normierten Pflicht nachzukommen und die zuständigen Beamten des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten darauf hinzuweisen, dass seine Ehegattin tatsächlich nicht ständig mit ihm am Dienstort lebt und nicht gemeinsam mit ihm den Haushalt führt, sondern nur sporadisch wenige Tage im Jahr zu Besuch nach Kiew kommt, wodurch ihm ohne tatsächliche Anspruchsgrundlage insgesamt ein Ehegattenzuschlag von 20.237,05 Euro, ein erhöhter Ehegattenzuschlag von 28.835,89 Euro und ein Pensionsvorsorgezuschuss von 8.288,40 Euro ausbezahlt wurde, wobei ihm unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Familienverhältnisse über den genannten Zeitraum nur ein Ehegattenzuschuss von etwa 2.000 Euro pro Jahr zugestanden wäre, er sohin die Republik Österreich um 49.361,43 Euro am Vermögen schädigte;

B.) indem er von 2002 bis 2004 inhaltlich unrichtige Gesellschaftsberichte, die auf seine Anordnung hin von seiner Sekretärin abgefasst worden waren, nämlich Spesenabrechnungen über Arbeitsessen, an denen angeblich seine Ehegattin teilgenommen hätte, obwohl sie tatsächlich nicht in Kiew anwesend war, an die zuständigen Beamten des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten übermittelte, und diese zur Überweisung von 1.600,95 Euro zu Unrecht verleitete, und zwar

  1. 1.) im Jahr 2002 für 13 Veranstaltungen,
  2. 2.) im Jahr 2003 für 15 Veranstaltungen,
  3. 3.) im Jahr 2004 für 18 Veranstaltungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte erhebt dagegen Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 (lit) a StPO.

Die Mängelrüge (Z 5) lässt über weite Strecken außer Acht, dass sich das Aufgreifen von Formalmängeln auf entscheidende Tatsachen beziehen muss, das sind solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS-Justiz RS0106268).

Weil für den Betrugstatbestand durchgehend bedingter Vorsatz genügt, geht die Kritik an offenbar unzureichenden Gründen für eine deliktische Absicht solcherart fehl.

Gleiches gilt für eben diesen Vorwurf hinsichtlich des Wissens des Angeklagten, dass ihm aus eigenem Einkommen bestrittene Aufwendungen für berufsbedingte Bewirtungen nicht vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten ersetzt würden (Schuldspruch I B).

Versteht man die Mängelrüge als gegen die Begründung des vom Tatbestand geforderten bedingten Vorsatzes gerichtet, versagt sie angesichts der keineswegs inhaltsleeren, sondern sehr wohl fallbezogenen und insgesamt mängelfreien erstgerichtlichen Ausführungen US 22 f und 25. Dass diese dem Rechtsmittelwerber nicht genügend überzeugend erscheinen, stellt die vorgebrachte Nichtigkeit nicht her.

Bei der Behauptung eines inneren Widerspruchs und einer unzureichenden Begründung (letzteres formell verfehlt unter Z 9 lit a) des Ersturteils im Zusammenhang mit dem Pensionsvorsorgezuschuss versäumt der Beschwerdeführer die alleinige Entscheidungswesentlichkeit des Begriffs „Haushaltsgemeinschaft" darzulegen, weil der bezughabende Erlass des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten nicht nur auf diese, sondern auch auf eine qualifizierte Erwerbstätigkeit des begünstigten Ehepartners abstellt. Letzteres wird vom Nichtigkeitswerber nicht in seine Anfechtung einbezogen, wiewohl das Erstgericht seinen diesbezüglichen Schuldspruch zumindest auch darauf stützte (US 11 f, 23, 28) und dieses Merkmal alternativ anspruchsvernichtend wirkt (US 9; vgl zur Argumentation aus dem Blickwinkel der Z 5 Ratz, WK-StPO § 281 Rz 455, 394, 399, 424; RIS-Justiz RS0117264).

Im Zusammenhang mit dem Ehegattenzuschlag verkennt der Rechtsmittelwerber, dass dafür nicht nur ein gemeinsamer Haushalt zu führen ist, sondern der Ehegatte ständig mit dem Antragsteller am Dienstort leben muss (US 8, 21 f). Die isolierte Argumentation bloß zum ersten Umstand vermag somit nicht zum Rechtsmittelerfolg zu führen.

Dem Beschwerdevorbringen entgegen hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Angeklagten, er habe auf eine „30-Tage-Regel" (einmaliger Aufenthalt im Monat genüge für die Zuerkennung des Ehegattenzuschlags), ohnedies auseinandergesetzt (US 22). Im Übrigen zeigt das Urteil in seiner Gesamtheit - was den Bezugspunkt der Mängelrüge darstellt - (unbekämpft) oftmals weit längere Absenzen der Ehegattin des Beschwerdeführers auf (US 11), womit dessen Argumentation der Boden entzogen ist.

Dass sämtliche Änderungen der anspruchsbegründenden und -vernichtenden Tatsachen den Inhalt der von den Tatrichtern als verletzt angesehenen Meldepflicht bildeten, ergibt sich aus US 8, 12 ff und 23.

Zum Schuldspruch I B versäumt der Nichtigkeitswerber über seine allgemeinen Ausführungen hinaus konkret faktenbezogen darzulegen, aus welchem Grund im Einzelfall die Urteilsannahmen einer betrügerischen Verzeichnung der konsumierenden Botschaftersgattin formell mangelhaft seien, um solcherart die beweiswürdigende Argumentation der Tatrichter (US 24 f) nicht bloß nach Art einer Berufung wegen Schuld - die das kollegialgerichtliche Verfahren nicht kennt - zu hinterfragen.

Die Tatsachenrüge versucht mit Hinweisen auf die leugnende, vom Schöffengericht indes eingehend begründet verworfene (US 20 bis 25) Einlassung des Angeklagten erhebliche Bedenken an der Feststellung vorsätzlichen Handelns zu erwecken.

Der Oberste Gerichtshof vermag dem nicht näher zu treten. Der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach nämlich erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt der Mehrzahl von Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) nimmt durchgehend nicht Bezug am angefochtenen Urteil und entzieht sich somit der Erledigung nach §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO:

So erging entgegen der Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zu § 148 zweiter Fall StGB der Schuldspruch nach dem ersten Fall leg cit. Die faktenweisen Konstatierungen zum Schuldspruch I B finden sich in US 15 f; der Forderung einer Feststellung, dass in einzelnen Fällen andere Personen statt der Botschaftersgattin am Spesenereignis teilgenommen hätten, steht die tatricherliche Annahme, dass so etwas nie vorkam (US 16), entgegen, die der Nichtigkeitswerber prozessordnungswidrig schlicht übergeht. Dass die Argumentation mit dem Grundsatz in dubio pro reo bei der Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit verfehlt ist, liegt auf der Hand. Die Behauptung, es sei zum Schuldspruch I B festzustellen gewesen, der Angeklagte habe dabei an „abzugsfähige bzw ersatzfähige" Beträge gedacht, ignoriert - einmal mehr - die gegenteiligen Urteilsannahmen US 15 ff.

Schließlich versagt die Geltendmachung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen hinsichtlich des Inhalts der vom Angeklagten unterlassenen Meldungen im Grunde der tatrichterlichen Feststellungen US 13 f iVm US 8.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - auch unter Berücksichtigung der gemäß § 24 StPO erstatteten Äußerung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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