OGH 11Os153/80

OGH11Os153/805.11.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.November 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB. und eines anderen Deliktes über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichtes vom 14. Jänner 1980, GZ. 23 Vr 1.350/79-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kriftner jun. und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.März 1947 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Günther A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB. schuldig erkannt.

Von weiteren Anklagepunkten wurde er rechtskräftig freigesprochen. Mit seiner auf die Z. 5, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten, der Sache nach auch in Richtung der Z. 9 lit. a dieser Gesetzesstelle ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf.

Als Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. werden Undeutlichkeit und Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen sowie Angabe nur offenbar unzureichender Gründe geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge hält einer Überprüfung nicht stand:

Daß der Angeklagte bekleidet in die Wohnungen der Zeuginnen B und C kam, sich in der Wohnung der ersteren überhaupt nicht auszog, kein gesteiftes Glied hatte und auf die Zeuginnen C einen ruhigen und vernünftigen Eindruck machte, bedurfte keiner besonderen Erörterung im Urteil, weil diese Umstände weder die Feststellung der vom Erstgericht aus anderen Beweisergebnissen abgeleiteten Absicht des Angeklagten, mit Maria B und den Schwestern C den Beischlaf durchzuführen, hindern, noch einen Schluß auf die vom Angeklagten geltend gemachte Freiwilligkeit eines Rücktritts vom Versuch des ihm zur Last gelegten Verbrechens zulassen. Zudem kann den Gründen des angefochtenen Urteils keineswegs entnommen werden, daß das Erstgericht den betreffenden Bekundungen der Zeuginnen etwa nicht gefolgt und von gegenteiligen Annahmen ausgegangen wäre. Auch in rechtlicher Hinsicht muß der Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben.

Der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1

StGB. macht sich schuldig, wer - außer dem Fall der Notzucht (§ 201 Abs. 1 StGB.) - eine Person weiblichen Geschlechtes mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf nötigt. Gewaltanwendung und gefährliche Drohung, wodurch die Frau zur Duldung des Beischlafs bestimmt werden soll, sind hiebei - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt -

nicht 'der Ausführung vorangehende' Handlungen (§ 15 Abs. 2 StGB.), sondern bereits Ausführungshandlungen, mit denen die Tat auf jeden Fall in das Stadium des (strafbaren) Versuchs tritt. Vollendet ist das Delikt nach dem § 202 Abs. 1

StGB. allerdings erst dann, wenn der Täter sein Ziel, nämlich zumindest den Beginn der Vollziehung des (mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung abgenötigten) außerehelichen Beischlafs, erreicht.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge als 'rechtlich richtig' bezeichnete, in der Rechtsrüge aber offenbar in Frage gestellte Definition von 'Gewalt' als 'Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft, während ein tatsächlicher oder erwarteter Widerstand überwunden werden soll' (S. 188 d.A.), entspricht dem von Lehre (siehe hiezu Pallin im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, RN. 7 zu § 202) und Rechtsprechung (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/29 u.a.) entwickelten Gewaltbegriff:

Somit konnte auch das vom Erstgericht im Urteilsspruch und in den Entscheidungsgründen eindeutig und im Einklang mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens festgestellte Vorgehen des Angeklagten diesem Begriff ohne Rechtsirrtum subsumiert werden, wobei es im Wesen des Deliktes nach dem § 202 StGB. gelegen ist, daß es sich hiebei - im Gegensatz zur Notzucht nach dem § 201 StGB. -

meist um Fälle geringerer Gewalt handelt (siehe hiezu Pallin, a. a.O., RN. 1 zu § 202 StGB.).

Was aber die Eignung der vom Angeklagten der Zeugin Maria B gegenüber gebrauchten Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, anlangt, so ist diese Frage nach dem Gesetz insbesondere auch 'mit Rücksicht auf die Verhältnisse' zu beurteilen. Zieht man in Betracht, daß der Angeklagte in die Wohnung der Maria B schlich, plötzlich vor der - nackten - Frau stand, sie an den Schultern erfaßte, an sich zu ziehen versuchte und in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelte, so ist in der Beurteilung der Äußerung des Angeklagten, wenn sie weiter schreie, werde ihr etwas passieren, als gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Z. 5 (202 Abs. 2) StGB. kein Rechtsirrtum zu erkennen.

Auch haften dem Urteil weder die vom Beschwerdeführer zur subjektiven Tatseite geltend gemachten Feststellungsmängel noch die in diesem Zusammenhang behaupteten Begründungsmängel an. Aus den Entscheidungsgründen geht unmißverständlich hervor, daß der Angeklagte in beiden Fällen in der Absicht handelte, mit den Frauen einen Beischlaf durchzuführen, und daß er - des widerstrebenden Willens der Opfer auf Grund der heftigen Gegenwehr bewußt - erreichen wollte, daß die Frauen letztlich in den Beischlaf einwilligen (S. 186 und 188-189 d.A.).

Diese Absicht des Angeklagten konnte das Erstgericht aus der Art des Vorgehens und den Äußerungen des Angeklagten, daß er mit Maria B 'schlafen' wolle und daß die Schwestern C 'heute drankämen', zutreffend erschließen. Damit ist festgestellt und auch mängelfrei begründet, daß der Angeklagte sowohl objektiv als auch subjektiv tatbestandsmäßig im Sinn der §§ 15, 202 Abs. 1

StGB. handelte.

Die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Rechtsrüge, daß dem Angeklagten zumindest strafbefreiender Rücktritt vom Versuch zustattenkomme, weil er den Tatentschluß freiwillig aufgegeben habe, ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als sie von urteilsfremden Annahmen ausgeht; denn nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte keineswegs freiwillig, sondern deshalb von der weiteren Ausführung seines Vorhabens Abstand, weil die Gegenwehr der Maria B heftig war und sie ihm zudem mit seinem ehemaligen Chef drohte, bzw. weil er im Fall der Schwestern C hörte, daß die Polizei bereits verständigt sei (S. 189 d. A.).

Soweit der Beschwerdeführer aber unter Hinweis auf die schon im Rahmen der Mängelrüge geltend gemachten Umstände sowie u.a. darauf, daß er von den Frauen einfach abgelassen habe und weggegangen sei, darzutun sucht, es habe sich doch um freiwilligen Rücktritt gehandelt, stellt dieses Vorbringen lediglich einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und demnach unbeachtlichen Versuch einer Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, daß ihm zumindest im Fall B die Vollendung des Delikts möglich gewesen wäre, so er gewollt hätte, schlägt nicht durch.

Denn die Abstandnahme von der Vollendung muß beim freiwilligen Rücktritt zur Gänze aus freien Stücken geschehen, d.h. der Täter darf von der planmäßigen Vollendung nicht - zumindest: auch - durch irgendwelche entgegenstehende oder vermeintliche Hindernisse abgehalten worden sein (siehe hiezu die bei Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, zitierten Entscheidungen; Foregger-Serini, StGB.2, Erl. III zu § 16). Letzteres konnte der Schöffensenat vorliegend aber schon allein wegen der heftigen Gegenwehr der Frau mit zureichendem Grund annehmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB.

eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die 'Faktenhäufung' und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend; als mildernd fand demgegenüber der Umstand Berücksichtigung, daß es in den Verbrechensfakten beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafausmaßes, allenfalls auch die Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe an.

Die Berufung ist zum Teil berechtigt.

Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig fest, fand jedoch ein Strafmaß, das unter Beachtung der Handlungs- und Erfolgsunwerte der verfahrensgegenständlichen Handlungen, insbesonders auch im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen, als zu streng angesehen werden muß: Selbst bei Bedachtnahme auf die einschlägigen Vorstrafen erweist sich eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten noch als schuldund tatangemessen.

Der Berufung des Angeklagten war daher insoweit Folge zu geben und die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe entsprechend herabzusetzen.

Für die begehrte Umwandlung der verhängten Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe fehlt es hingegen schon von der Dauer der sechs Monate übersteigenden Strafe her an einer der gesetzlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 StGB.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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