OGH 11Os147/10t

OGH11Os147/10t10.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Saadati als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinrich H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, AZ 22 St 170/10a der Staatsanwaltschaft Graz (= 18 HR 249/10z des Landesgerichts für Strafsachen Graz), über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 22. Oktober 2010, AZ 10 Bs 421/10b (= ON 22 der HR-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Grundrechtsbeschwerde wird festgestellt, dass Heinrich H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Mit seiner Grundrechtsbeschwerde wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 800 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Beschuldigten Heinrich H***** - gegen den die Staatsanwaltschaft Graz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG führt - wider den Beschluss des Haft- und Rechtsschutzrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 15. Oktober 2010 auf Fortsetzung (ON 17) der am 1. Oktober 2010 verhängten (ON 8) Untersuchungshaft nicht Folge und ordnete die Perpetuierung der freiheitsentziehenden Provisorialmaßnahme wegen Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO) an.

Das Beschwerdegericht hält Heinrich H***** für dringend verdächtig, im Zeitraum Juli 2009 bis Juli 2010 in Graz vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge im Sinne des § 28b SMG übersteigenden Menge anderen überlassen zu haben, indem er zumindest 200 Gramm Kokain (mit ca 80 Gramm Reinsubstanz) an Ortansa T***** verkaufte.

Aus Anlass der dagegen vom Beschuldigten erhobenen Grundrechtsbeschwerde musste sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, dass der Entscheidung des Oberlandesgerichts ein - nicht gerügter ­grundrechtsverletzender Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet (§ 10 GRBG, §§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 StPO; vgl RIS-Justiz RS0119859 sowie [dasselbe Beschwerdegericht betreffend] 12 Os 21/09v, EvBl 2009/63, 419).

Das Überlassen des Suchtgifts erfolgte nämlich in einer Vielzahl von Teilakten, sodass - auf der Grundlage der vom Beschwerdegericht angenommenen Suchtmittelqualität - davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Teilmengen die Grenzmenge des § 28b SMG nicht überstiegen. Das Überlassen von die Grenzmenge für sich allein nicht übersteigenden Suchtgiftquanten ist aber nur insoweit zusammenzufassen, als der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Der angefochtene Beschluss enthält jedoch keinerlei Feststellungen zu einem derartigen Vorsatz des Beschuldigten. Damit liegt keine zur Subsumtion des Tatverdachts unter § 28a Abs 1 SMG ausreichende Sachverhaltsbasis vor. Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts besteht vielmehr lediglich der dringende Verdacht des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG.

Ausgehend davon erweist sich jedoch fallbezogen - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - die weitere Fortsetzung der Untersuchungshaft über den 62-jährigen, bislang unbescholtenen Beschuldigten als außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehend (vgl Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 9; Fabrizy, StPO10 § 173 Rz 4; RIS-Justiz RS0119491).

Bei dieser Lage sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, aus Anlass der Grundrechtsbeschwerde den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Beschwerdeführer darauf zu verweisen.

Gemäß § 7 Abs 2 GRBG sind die Gerichte verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich eine der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs entsprechenden Zustand herzustellen. In sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift wird der Beschwerdeführer somit aus der Untersuchungshaft zu entlassen sein.

Da das Erkenntnis im Sinne der Feststellung einer Grundrechtsverletzung stattgebend ausfiel, hatte die Kostenfolge des § 8 GRBG einzutreten.

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