OGH 11Os132/13s

OGH11Os132/13s29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Frank G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Mai 2013, GZ 16 Hv 181/12h-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Frank G***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und vierter Fall StGB (1./) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (2./) sowie des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (3./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er

1./ am 9. Mai 2012 im Raum N***** und G***** Sylvia S***** durch Festhalten im Nackenbereich, sohin mit Gewalt, sowie durch Entziehung der persönlichen Freiheit, und zwar indem er sie im Zuge der zu 2./ beschriebenen Tathandlungen gegen ihren Willen in seinem PKW an den Tatort verbrachte und unter Vorhalt einer täuschend echt wirkenden Schreckschusspistole sinngemäß äußerte, er würde sie umbringen, wenn sie nicht alles mache, was er von ihr verlange, somit durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zum Oralverkehr und zur Duldung analer und vaginaler Digitalpenetration genötigt, wobei er sie durch die Tat auch in besonderer Weise erniedrigte, indem er sein Ejakulat in ihrem Gesicht verrieb und sie zwang, dieses von seiner Hand abzulecken, wodurch Sylvia S***** eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Traumafolgestörung mit posttraumatischen Elementen mit einer Gesundheits-schädigung über 24 Tage, erlitt;

2./ von 9. bis 10. Mai 2012 an verschiedenen Orten Österreichs Sylvia S***** über mehrere Stunden widerrechtlich in dem von ihm gelenkten PKW gefangen gehalten, indem er sie gegen ihren Willen an verschiedene Orte in Österreich verbrachte und sie an der Flucht hinderte, wobei er dem völlig eingeschüchterten Mädchen hochprozentigen Alkohol zu trinken gab, sohin die Freiheitsentziehung auf solche Weise beging, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete;

3./ am 21. Februar 2013 in Graz im Rahmen seiner Vernehmung als Angeklagter in der Hauptverhandlung des Verfahrens zum AZ 16 Hv 181/12h des Landesgerichts für Strafsachen Graz die Polizeibeamten GI Gerald B***** und GI Gernot K***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Nötigung unter Ausnützung einer Amtsstellung falsch verdächtigte, indem er behauptete, die Polizisten hätten ihm gedroht, er würde „eine aufs Maul bekommen“, wenn er nicht geständig wäre, obwohl er wusste, dass die Verdächtigungen falsch sind.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 1, 4, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit die Besetzungsrüge (Z 1) reklamiert, den Vorsitzenden mit Schriftsatz vom 3. April 2013 abgelehnt zu haben, weil dieser dem Angeklagten aufgrund des Mitführens von zwei gefüllten Benzinkanistern in der Hauptverhandlung am 21. Februar 2013 unterstellt habe, dass er sich der Privatbeteiligten „entledigen“ habe wollen, scheitert diese bereits daran, dass die relevierten Umstände entgegen § 281 Abs 1 Z 1 zweiter Satzteil StPO in der Hauptverhandlung nicht sofort gerügt wurden.

Im Übrigen trifft die im Beschluss des Präsidenten vom 9. April 2013 (ON 112) vertretene Rechtsauffassung zu, wonach § 43 Abs 1 Z 3 StPO bloß das Tätigwerden eines voreingenommenen Richters verhindern will, der ungeachtet der Verfahrensergebnisse seine Meinung nicht zu ändern bereit ist (RIS-Justiz RS0096733).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfielen auch die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Br***** und Dr. Martin Sch***** zum Beweis dafür, dass beim Angeklagten keine Persönlichkeitsstörung vorliege bzw dieser nicht unter einer hochgradigen seelisch-geistigen Abartigkeit leide oder unter einem solchen Einfluss gehandelt habe, zu Recht der Abweisung.

Ein Zeuge ist eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende Tatsachen mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im Verfahren aussagen soll (§ 154 Abs 1 StPO). Der vom Antragsteller der Sache nach angestrebten Überprüfung der Schlüsse des vom Gericht beigezogenen Gutachters dient eine Vernehmung eines Zeugen hingegen nicht. Gemäß § 127 Abs 3 erster Satz StPO sind sachliche Zweifel an der Expertise eines Sachverständigen durch dessen Befragung, im Fall nicht beseitigter Bedenken hingegen durch Beiziehung eines weiteren Sachverständigen auszuräumen. Dabei liegen Qualitätsmängel im Sinn der genannten Norm nur dann vor, wenn der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist, was in einem diesbezüglichen Antrag (§ 55 Abs 1 StPO) fundiert dargetan werden müsste (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16). Mit dem Hinweis auf die Angaben der Zeugin Dr. Felicitas D*****, wonach die bei Sylvia S***** festgestellten Verletzungen (auch) für sie „frischerer Art waren, also nur Stunden bis vielleicht ein/zwei Tage“ zurücklagen und der darauf basierenden Kritik am Gutachten der Sachverständigen Dr. Eva Sche*****, wonach die Verletzungen zwar alle vom Unfall stammen, aber keine zwei Tage zurückliegen können, zeigt die Rüge derartige Mängel jedenfalls nicht auf.

Die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Urologie zum Nachweis fehlender Ejakulationsfähigkeit des Angeklagten erfolgte gleichfalls zu Recht, weil der Beschwerdeführer nicht darlegte, weshalb das behauptete Beweisergebnis bei der von ihm zugestandenen zumindest zeitweiligen Fähigkeit dazu zu erwarten sei (ON 122 S 23).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Diesen Anforderungen wird die Rüge (nominell Z 9 lit a und 10, der Sache nach ausschließlich Z 10), soweit sie die vorgenommene Subsumtion des Tatgeschehens auch unter § 201 Abs 2 StGB bekämpft, nicht gerecht.

Aus welchem Grund sich der Angeklagte mit der festgestellten Traumafolgestörung mit einhergehender Gesundheitsschädigung über 24 Tage abgefunden haben muss, obwohl § 7 Abs 2 StGB die fahrlässige Herbeiführung der Tatfolgen genügen lässt, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

Nicht nachvollziehbar ist auch das weitere Argument der Rüge, wonach das Erstgericht zwar festgestellt habe, dass der Angeklagte beabsichtigte, die Privatbeteiligte in besonderer Weise zu erniedrigen, Feststellungen zur Willenskomponente aber fehlen würden.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Wollen des objektiven Tatbildes in sich schließt, dass der Täter den konkreten Sachverhalt bedacht, ihn sich also vorgestellt hat.

Soweit die Rüge Konstatierungen zur Wollenskomponente vermisst, ist sie auf US 6 zu verweisen („um das Mädchen besonders zu erniedrigen, rieb er ihr das Ejakulat von hinten ins Gesicht und zwang es, dieses von seiner Hand abzulecken“).

Der Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider haben die Tatrichter den Ursachenzusammenhang zwischen der geistigen Abnormität höheren Grades und der Begehung der Anlasstaten ausdrücklich festgestellt (US 11, 13) und es wurden (bei verständiger Lesart) auch sämtliche der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen für die Gefährlichkeitsprognose (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) berücksichtigt (US 3, 4, 11 und 13).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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