OGH 11Os132/10m

OGH11Os132/10m19.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ahmet S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ahmet S***** sowie die Berufungen des Angeklagten Marcel M***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juni 2010, GZ 012 Hv 52/10t-50, sowie die Beschwerden der Angeklagten S***** und M***** gegen einen gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des im Schuldspruch D beschriebenen Verhaltens unter § 241e Abs 2 erster Fall StGB sowie folglich in den Strafaussprüchen der beiden Angeklagten aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden die jeweiligen Rechtsmittelwerber auf die Kassation der Strafaussprüche verwiesen.

Dem Angeklagten S***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch der beiden Angeklagten von einem weiteren Diebstahlsvorwurf sowie unbekämpft gebliebene Schuldsprüche des Zweitangeklagten Marcel M***** enthält - wurde Ahmet S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (A I), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A II 2 bis 4), des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB (B I 2 und II) sowie des Verbrechens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz, Abs 2 erster Fall StGB (D) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Belang - Ahmed S***** und Marcel M***** in Wien

A) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) nachgenannten Personen mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie ihnen einen Stoß bzw Schlag versetzten und ihnen die Handtasche bzw Geldbörse entrissen,

I. am 22. November 2009 Elisabeth D***** eine Lederhandtasche samt Geldbörse mit 50 Euro Bargeld, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung der Elisabeth D***** (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich Brüche von drei Rippen, zur Folge hatte;

...

D) Ahmet S***** und Marcel M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 30. Jänner 2010 gewerbsmäßig sich ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen dürfen, nämlich die Bankomatkarte der Nives S*****, mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden, indem sie diese Nives S***** wegnahmen, um mit der Karte beim Bankomat Bargeld zu beheben.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen die Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB beim Schuldspruch A I richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Ahmed S*****.

Die Mängelrüge (Z 5) bestreitet mit dem Vorwurf von Aktenwidrigkeit ausdrücklich nicht die Mittäterschaft an diesem Raubfaktum, sondern lediglich die Haftung (auch) des Erstangeklagten für die schwere Körperverletzung des Opfers.

Im Hinblick auf die unbekämpft gebliebene tatplangemäße (auch schwere Verletzungen subjektiv umfassende) Mittäterschaft (US 9) wird damit keine entscheidende Tatsache angesprochen: Mittäter haben nämlich wegen ihrer Mitwirkung an der Tatausführung auch für die Folgen von Tatbeiträgen anderer Mittäter strafrechtlich einzustehen (RIS-Justiz RS0089808; 11 Os 31/95, SSt 62/51; jüngst 11 Os 48/10h).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet den Vorsatz in Bezug auf die Qualifikation, übergeht dabei aber die diesbezüglichen Feststellungen der Tatrichter US 9 und 10 f und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten S***** war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer ungerügt gebliebenen materiellrechtlichen Nichtigkeit zum Nachteil beider Angeklagten, weil die Subsumtion des Schuldspruchs D auch unter Abs 2 erster Fall des § 241e StGB ohne jegliche Feststellungsbasis erfolgte (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Dies musste zu den aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebungen führen, auf die die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren den Strafpunkt betreffenden Rechtsmitteln zu verweisen waren.

Die Kostenentscheidung zum Erstangeklagten S***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte