Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1./ und 3./ (ersatzlos) sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Für das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB wird Mahmut D***** nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 24 (vierundzwanzig) Monaten verurteilt, von der ein Teil von 16 (sechzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen auf § 263 Abs 2 StPO gegründeten Vorbehalt der selbstständigen Verfolgung des Angeklagten wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB enthält, wurde Mahmut D***** des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1), des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (2) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er am 21. November 2007 in Innsbruck Isabella K*****
1) mit Gewalt zur Duldung eines Zungenkusses genötigt, indem er sie mit einer Hand am Kopf erfasste, zu sich zog, festhielt und seine Zunge in ihren Mund steckte;
2) mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie am Hinterkopf erfasste, ihren Kopf gegen ihren Widerstand zu seinem entblößten Penis drückte, sodass sie mit ihrem Mund seinen Penis kurz berührte, und sie aufforderte, den Oralverkehr an ihm durchzuführen;
3) mit Gewalt zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er deren rechte Hand ergriff, sie zu seinem Penis führte, sie festhielt und mit ihrer Hand Masturbationsbewegungen an seinem Penis bis zum Samenerguss durchführte.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Schuldspruch 2 richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 (lit) b StPO.
Formell aus Z 5 und Z 9 lit b, inhaltlich lediglich einen Feststellungsmangel behauptend, bringt der Nichtigkeitswerber vor, eine Passage seiner Einlassung in der Hauptverhandlung (S 141) indiziere freiwilligen Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung.
Soweit die Mängelrüge dem Ersturteil diesbezüglich eine unvollständige Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) anlastet, übergeht sie die ausdrückliche Zitierung dieser Aussage in US 9 und die daran anschließenden, auch dieses Verfahrensergebnis miteinbeziehenden Erwägungen der Tatrichter (US 9 ff).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) verfehlt die Ausrichtung an der Prozessordnung, weil sie nicht auf der Basis des gesamten Sachverhaltssubstrats der angefochtenen Entscheidung argumentiert, was auch bei Geltendmachung eines Feststellungsmangels erforderlich ist, um eine meritorische Antwort erwarten zu dürfen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 600; RIS-Justiz RS0099788).
Denn mit dem Hinweis auf seine Aussage in der Hauptverhandlung (ON 18 S 9), er habe dem Mädchen bloß seine rechte Hand flach auf den Hinterkopf gelegt und sie gefragt, ob sie seinen Geschlechtsteil in den Mund nehmen würde, was sie verneinte, worauf er sie ausgelassen habe, lässt der Angeklagte die Feststellungen US 6 außer Acht, wonach er den Kopf des Opfers in Richtung seines Penis drückte, zum Oralverkehr aufforderte und es wegen des Widerstands der jungen Frau lediglich zu einer Berührung deren Lippen mit dem Geschlechtsteil des Mannes kam.
Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sei angemerkt, dass es nach ständiger Judikatur (RIS-Justiz RS0115581, zuletzt 13 Os 141/06v; vgl zum divergierenden Meinungsstand in der Lehre Schick in WK² § 201 [2007] Rz 43 ff) für die Vollendung einer Vergewaltigung ausreicht, wenn der Täter die tatbestandsmäßige Handlung vorzunehmen und das Tatopfer diese zu erdulden beginnt; die vorsätzliche Berührung unmittelbar geschlechtsbezogener Körperpartien genügt (siehe auch RIS-Justiz RS0094905 und 12 Os 3/04). Die Feststellung einer rechtsrichtig als vollendete strafbare Handlung zu beurteilenden Tat steht somit der Anwendung von § 16 Abs 1 StGB jedenfalls entgegen (Fabrizy, StGB9 § 16 Rz 5). Überdies wäre nach dem Urteilsinhalt ein Rücktritt von einem Versuch zufolge fehlender Freiwilligkeit ausgeschieden, weil ein Eindringen des Penis in den Mund nur wegen des Widerstands des Tatopfers unterblieb (US 6; vgl rechtlich Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 128, 142; SSt 62/23).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass es einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bedarf, weil - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführte - den Schuldsprüchen wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (3) der - vom Beschwerdeführer nicht gerügte - materielle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.
Mehrere geschlechtliche Handlungen, die nicht im Beischlaf bestehen oder diesem gleichzusetzen sind, die aber einem einheitlichen, auf Erzwingung geschlechtlicher Akte gerichteten Tätervorsatz entspringen und zeitgleich oder in nahem zeitlichen Zusammenhang an demselben Opfer begangen werden, sind nämlich von einem Schuldspruch nach § 201 Abs 1 StGB mitumfasst (vgl Fabrizy, StGB9 § 201 Rz 9; Schick in WK² § 201 Rz 49, RIS-Justiz RS0117038).
Nach dem Tatsachensubstrat des Urteils stellen alle einschlägigen Handlungen, worunter auch der unter gleichzeitigem Betasten der Brüste unter der Kleidung erzwungene Zungenkuss fällt (US 6, 9), eine von einheitlichem Vorsatz des Täters getragene tatbestandliche Handlungseinheit (RS0120233; RS0117038; 13 Os 1/07g vS, EvBl 2007/114, 614) dar, weshalb die gesonderte Subsumtion der gewaltsamen Nötigung des Vergewaltigungsopfers zur Duldung eines Zungenkusses und zur Vornahme eines Handverkehrs verfehlt ist.
Wenngleich ein Freispruch von diesen Vorwürfen infolge festgestellter tatbestandlicher Handlungseinheit mit dem Vorwurf der gewaltsamen Vornahme eines Oralverkehrs nicht in Betracht kommt, waren die dem Angeklagten - nicht zuletzt wegen des vom Schöffengericht konsequenterweise angenommenen Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens zweier Verbrechen mit einem Vergehen - zum Nachteil gereichenden Schuldsprüche nach §§ 105 Abs 1 StGB und 202 Abs 1 StGB zu beseitigen.
Bei der infolgedessen notwendigen Kassation des Strafausspruchs und der deshalb erforderlichen Strafneubemessung war erschwerend kein Umstand, mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten.
Wiewohl eine formelle Aufhebung der rechtlichen Unterstellung unter § 15 StGB wegen Fehlens eines Nachteils für den Angeklagten ausschied (vgl 12 Os 119/06a vS, EvBl 2007/130, 700), war im Hinblick auf das festgestellte vollendete Tatgeschehen (vgl oben die Erledigung der Rechtsrüge) kein Platz für den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB (anders noch 12 Os 48/04). Das Verbot der reformatio in peius (§§ 290 Abs 2, 295 Abs 2 erster SatzStPO) wird dadurch nicht berührt (Fabrizy, StPO10 § 290 Rz 9).
Die spruchgemäße Strafe entspricht dem Tatschuldgehalt des besonders verwerflichen Ausnützens einer vom vorgeblich Hilfe beim Besorgen von Alkohol anbietenden Angeklagten herbeigeführten Situation gegenüber einem sechzehnjährigen Mädchen, wobei zufolge des beengten Tatortes ein besonders intensiver Gewalteinsatz nicht nötig war.
Präventive Gesichtspunkte lassen nach Art der Tat und zufolge Fehlens von Anknüpfungspunkten für eine positive Prognose im Nachtatverhalten lediglich teilbedingte Strafnachsicht zu (§ 43a Abs 3 StGB).
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Rechtsmittelwerber auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche moniert das Fehlen eines Schadens und von Belegen für dessen Höhe. Der zuerkannte Schmerzengeldbetrag von 1.000 Euro ist indes hinsichtlich der keiner weiteren Beweisführung bedürfenden Folgen der verurteilten Tat für das Opfer (vgl S 91) keineswegs überhöht (vgl Spenling, WK-StPO § 369 Rz 32-36). Dieser Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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