Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen (Teil-)Freispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte (richtig:) jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III) sowie (richtig:) jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (zu ergänzen:) Z 1 StGB (II) und der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) in der Zeit vom Frühjahr 2002 bis zum Sommer 2003 mit der am 18. September 1989 geborenen Jennifer K***** den Beischlaf sowie - durch oftmaliges Einführen eines Fingers in deren Scheide - dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, (II) durch die zu I beschriebenen Tathandlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen, (III) im Mai 2002 die am 10. November 1989 geborene Jasmin L***** wiederholt am Gesäß und an der Brust betastet sowie (IV) im August 2004 die Brust sowie die Innen- und die Außenseiten der Oberschenkel der am 5. Februar 1989 geborenen Manuela S***** betastet.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 8, 9 (zu ergänzen:) lit a und lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) verkennt zunächst, dass der herangezogene Nichtigkeitsgrund - abgesehen vom hier nicht relevanten Fall des § 74a StPO - stets eine Befassung des (Schwur-)Gerichtshofes durch den Beschwerdeführer voraussetzt. Die relevierte Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden gemäß § 249 Abs 2 StPO (S 157/II, 159/II, 167 f/II, 183/II, 185/II, 205/II und 207/II) kommt daher insoweit als Anfechtungsbasis nicht in Betracht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 303 f).
Durch den Vorgang, dass der Gerichtshof (nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung) - entgegen der Bestimmung des § 238 Abs 1 StPO - nicht über den Antrag des Beschwerdeführers auf „Vorlage" von an die Zeugin Jennifer K***** gerichteten E-Mails (S 241/II) entschied, wurden die Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil der Antrag ein Beweisthema vermissen ließ und solcherart einem essentiellen inhaltlichen Antragserfordernis nicht entsprach (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).
Dem Vorbringen zu einer Datensicherungs-CD des Zeugen Hubert Mo***** und zu angeblichen Beschuldigungen dieses Zeugen durch das Erstgericht sowie den Spekulationen über allfällige Spuren an der Kleidung der Zeugin Jasmin L***** liegt weder ein Antrag des Beschwerdeführers noch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis zugrunde, womit es der Rüge diesbezüglich an der Beschwerdelegitimation mangelt. Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe hinsichtlich der Tathandlung des Beischlafs (I und II) nicht festgestellt, „wann und wo dieser stattgefunden habe", bezieht sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen.
Die von der Beschwerde vermisste Begründung zu den Schuldsprüchen I und II findet sich auf den US 8 bis 13.
Die Beschwerdebehauptung, die Tatrichter haben „entscheidungswesentliche Verfahrenserkenntnisse übergangen und viele wichtige Aussagen ohne Erklärung als unglaubwürdig abgetan", entzieht sich mangels Konkretisierung einer inhaltlichen Erwiderung. Mit dem unsubstantiierten Vorbringen, die im Vorverfahren vernehmenden Polizeibeamten hätten geäußert, dass Jennifer K***** „immer wieder" gelogen habe, durch das begründungslose Bestreiten von Feststellungen zu den Schuldsprüchen I und II sowie mit den nicht auf die Urteilskonstatierungen bezogenen Ausführungen zum Tatort werden aus Z 5 beachtliche Mängel inhaltlich nicht einmal behauptet. Die Beschwerdeprämisse, der Schuldspruch III finde im Akteninhalt keine Deckung, ignoriert die diesen tragenden - von den Tatrichtern auch aktenkonform beweiswürdigend herangezogenen (US 13 f) - Aussagen der Zeuginnen Jasmin L***** (S 261/II iVm S 143/I, 425 f/I und 429e f/I) und Carina E***** (S 261/II iVm S 137/I, 453/I und 455f, i/I). Der Einwand der Tatsachenrüge (Z 5a), die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei „fragwürdig", verfehlt mangels Bezugnahme auf den Akteninhalt die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Korrespondierendes gilt für die Prämisse des stillschweigenden Übergehens (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) angeblich im Akt befindlicher - nicht konkret bezeichneter - „Glückwünsche und Schreiben der Zeugin Jennifer K*****".
Der Vorwurf, das Erstgericht habe es unterlassen, einen Sachverständigen beizuziehen - hinsichtlich dessen im Übrigen nicht einmal ein Fachgebiet angeführt wird - und habe (weitere) Erkenntnisquellen ungenutzt gelassen, legt nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer insoweit an der Ausübung seines Rechts auf zweckdienliche Antragstellung gehindert gewesen sein soll, und geht solcherart ins Leere (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480; jüngst 11 Os 93/06w).
Die von der Beschwerde vermisste Begründung für die Annahme der Glaubwürdigkeit der Zeugin Jennifer K***** (der Sache nach Z 5 vierter Fall) findet sich auf den US 8 bis 13.
Das Vorbringen zu nach der Verkündung der angefochtenen Entscheidung angeblich getätigten Äußerungen ist aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots ebenso unbeachtlich wie die dem Obersten Gerichtshof mit Schriftsatz vom 5. Jänner 2007 vorgelegte Urkunde.
Die Kritik an der nicht erfolgten „Zulassung" weiterer Zeugen (der Sache nach wohl Z 4) entzieht sich mangels Konkretisierung einer inhaltlichen Erwiderung.
Indem die Rüge ohne Aktenbezug die Voreingenommenheit des Erstgerichts sowie die Unglaubwürdigkeit der Zeuginnen Jennifer K*****, Manuela S***** und Jasmin L***** behauptet, verfehlt sie einmal mehr die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Die Ausführungen zur angeblich schlechten Qualität der Videoaufzeichnungen über die kontradiktorischen Zeugenvernehmungen gehen fehl, weil die darin enthaltenen Aussagen bereits durch die Verlesung der diesbezüglichen Protokolle (S 261/II) - rechtmäßig - in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO). Die Videoaufnahmen haben insoweit nur begleitenden Charakter (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 46). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer auf die Vorführung der Aufnahmen ausdrücklich verzichtet hat (S 261/II).
Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO hat der Beschwerdeführer weder bei der Anmeldung noch in der Ausführung der Beschwerde bestimmt bezeichnet, aus welchem Grund auf sein Rechtsmittel insoweit keine Rücksicht zu nehmen ist (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Dem undifferenziert unter dem Titel „Nichtigkeitsgründe § 281 (1) Z 9 bis 11" erstatteten Vorbringen ist zu erwidern:
Die Beschwerdeprämisse, die Feststellungen zum Tathergang und zu den Tatzeiten tragen die Schuldsprüche I und II nicht (der Sache nach Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 und Z 10), lässt nicht erkennen, welche über die von den Tatrichtern getroffenen (US 5) hinausgehende Konstatierungen mit Blick auf die vorgenommene Subsumtion erforderlich gewesen sein sollen.
Der Einwand des Verfolgungshindernisses mangelnder Ermächtigung (der Sache nach Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 5) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb das Vergehen der sexuellen Belästigung (IV) - entgegen dem Gesetzeswortlaut - ein Ermächtigungsdelikt sei. Der in § 218 Abs 3 StGB verlangte Antrag der belästigten Person ist in ON 55 enthalten.
Mit den urteilsfremden Spekulationen zur Interpretation eines Teils der vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe wird ein Rechtsfehler im Sinn des hiemit wohl angesprochenen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 11 StPO inhaltlich nicht einmal behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 35 Abs 2 StPO) mit der - urkundlich unterlegten - Behauptung, die Verurteilung sei durch falsches Zeugnis einer dritten Person veranlasst worden, die außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof (§ 362 StPO) anregt, verkennt er, dass die Bestimmung des § 362 StPO nach ständiger Judikatur gegenüber der des § 353 (hier herangezogen: Z 1) StPO subsidiär ist (zuletzt 12 Os 141/05k; Ratz, WK-StPO § 362 Rz 2). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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