OGH 11Os124/99

OGH11Os124/9914.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harm als Schriftführer, in der Strafsache gegen Werner Friedrich C***** wegen des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom 28. Juni 1999, GZ 14 Vr 118/99-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Werner Friedrich C***** des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB schuldig erkannt, weil er am 3. Februar 1999 in Attersee sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hat hinreißen lassen, Karl S***** zu töten, indem er zwei Schüsse aus seiner Pistole auf den Genannten abfeuerte, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 345 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Zu beiden Nichtigkeitsgründen macht die Beschwerde geltend, die gegen ausdrücklichen Widerspruch des Verteidigers (S 106 f/II) beschlossene (Z 5) und tatsächlich in der Hauptverhandlung erfolgte (Z 4) Vorführung des Videofilms über die an Ort und Stelle am 24. März 1999 stattgefundene Tatrekonstruktion, die unter Mitwirkung des Angeklagten, des Tatopfers und des Sachverständigen für Waffen- und Schießwesen (in Anwesenheit des Verteidigers und des Staatsanwaltes) durchgeführt wurde, verstoße gegen die Vorführbeschränkung des § 252 Abs 1 StPO, weil der Film die Vernehmungen des Zeugen Karl S***** und des Beschwerdeführers im Rahmen des Lokalaugenscheins, deren jeweilige Demonstration des Vorfalles sowie gutachterliche Äusserungen des Sachverständigen wiedergebe. Eine der in Z 1 bis 4 des § 252 Abs 1 StPO angeführten Voraussetzungen liege aber nicht vor. Die Formverletzung habe auch einen für den Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung ausgeübt, da die Filmvorführung geeignet sei, "die aufgenommenen Szenen verzerrt bzw missverständlich wiederzugeben", was die Gefahr unzulässiger Beeinflussung der Geschworenen in sich berge.

Diesen Einwänden ist zunächst zu entgegnen, dass Protokolle über Augenscheins- und Befundaufnahmen nach § 252 Abs 2 StPO in der Hauptverhandlung grundsätzlich vorgelesen werden müssen. Ebenso sind die diesen Protokollen gleichzusetzenden (JBl 1996, 194), lediglich der besseren Veranschaulichung dienenden technischen Aufzeichnungen von einer Augenscheins- und Befundaufnahme zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen (RZ 1976/118; 14 Os 99/89; 15 Os 58/95).

Soweit in einem solchen Augenscheinsprotokoll oder hierüber hergestellten Film (§§ 116 ff StPO) auch Aussagen eines Zeugen oder gutachterliche Äußerungen eines Sachverständigen enthalten sind, gelten hiefür die Bestimmungen des § 252 Abs 1 StPO. Da im konkreten Fall die Vernehmung der in Rede stehenden Personen und die Gutachtenerstattung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung stattfand, kam es zu keiner Substituierung einer persönlichen Zeugenaussage oder Gutachtenerstattung unter Hintanhaltung der Fragemöglichkeiten der Parteien, sodass keine Verletzung des durch § 252 Abs 1 StPO geschützten Grundsatzes der Unmittelbarkeit vorlag (14 Os 168/97; RZ 1998/15).

Überdies fehlt es dem Nichtigkeitswerber an der Beschwerdelegitimation, hat er doch der Verlesung des Protokolles über den gerichtlichen Ortsaugenschein (ON 30) - neben anderen Vernehmungsprotokollen des Vorverfahrens und des Sachverständigengutachtens - am Ende der Hauptverhandlung ausdrücklich zugestimmt (S 124f/II). Aus der grundsätzlichen Gleichstellung von Vernehmungsprotokollen und technischen Aufzeichnungen folgt daher die aus dem Verlesungseinverständnis abzuleitende untrennbare Zustimmung zur Vorführung der die betreffende Vernehmung wiedergebenden Videoaufzeichnung (vgl auch 14 Os 132/94 = JBl 1996, 194).

Als weiteren Verfahrensmangel (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die mit Zwischenerkenntnis (S 126/II) erfolgte Abweisung seines Antrages auf Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins zum Beweis dafür, "dass die vom Angeklagten geschilderte Version des Tatherganges richtig, mit den örtlichen Gegebenheiten in Übereinstimmung zu bringen, zumindest aber diese Darstellung wesentlich wahrscheinlicher sei als jene des Zeugen S*****" (S 124/II). Zutreffend verweist der Schwurgerichtshof in seiner Beschlussbegründung (S 126/II) auf die hinreichende Gelegenheit der Geschworenen, sich von den Gegebenheiten des Tatortes durch die Lichtbildmappe und den vorgeführten Videofilm über die Tatrekonstruktion einen genügenden Eindruck verschaffen zu können. Im übrigen wird in der Antragstellung gar nicht dargetan, aus welchen Gründen die begehrte Beweisaufnahme eine weitere Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes zugunsten des Angeklagten erbringen könnte, weshalb der bloß auf eine Erkundung abzielende Beweisantrag zu Recht der Abweisung verfiel.

Es war daher die unbegründete Nichtigkeitsbe- schwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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