OGH 11Os117/03

OGH11Os117/0311.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Christian P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 16. Juli 2003, GZ 11 Hv 82/03b-37, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Begehung der Anlasstat unberührt bleibt, im (Sanktions-)Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian P***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er am 7. März 2003 in Vöcklabruck in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, Alfred K***** und Thomas U***** durch die wiederholte lautstarke Äußerung "Scheiß Eisenbahner, i bring euch um, Schweine", wobei er seiner Äußerung dadurch Nachdruck verlieh, dass er Alfred K***** und Thomas U***** schreiend und schimpfend durch zwei Personenwagen [eines Eisenbahnzuges] folgte und gegen die schließlich verriegelte Verbindungstür zwischen zwei Waggons schlug, mit dem Tod gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sohin Taten beging, die ihm, wäre er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5a, 9 [lit] b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen versagt.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zur Begründung des auf eine Drohung mit dem Tode gerichteten Vorsatzes übersieht, dass sich das Erstgericht damit ausführlich unter Verwertung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beweisergebnisse auseinandersetzte (US 9). Vom eingewandten Außerachtlassen aktenkundiger Verfahrensergebnisse (der Sache nach sohin Z 5) kann daher keine Rede sein und begegnet die beweiswürdigende Lösung dieser Tatfrage keinen erheblichen Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Unter Anrufung von Z 9 [lit] b und 10 - der Sache nach nur als Subsumtionsrüge - erörtert der Rechtsmittelwerber, ob ein längerer und qualvoller Zustand der Bedrohten vorlag und geht damit am Schuldspruch, der eine andere Qualifikation nach § 107 Abs 2 StGB annahm, vorbei. Mit dem Bestreiten des Vorliegens einer Drohung mit dem Tode wiederum negiert der Beschwerdeführer die anderslautenden erstgerichtlichen Feststellungen (US 5, 11) und bringt somit insgesamt die behauptete materiellrechtliche Nichtigkeit nicht zu einer für eine meritorische Erledigung geeigneten Darstellung. In diesem Umfang (§ 260 Abs 1 Z 1, Z 2 StPO) war die Nichtigkeitsbeschwerde folglich gemäß §§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1, Z 2 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Im Recht ist allerdings die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall - 15 Os 27/97 = EvBl 1997/166; Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21-25 Rz 8;

Mayerhofer StGB5 § 21 E 35 [Entscheidungsgruppe 2]):

Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB setzt nämlich voraus, dass die Prognosetat rechtlich als eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen zu beurteilen ist. Dafür bedarf es eindeutiger darauf bezogener Feststellungen, die diesen Schluss ermöglichen.

Das Ersturteil beschränkt sich jedoch auf die Annahme einer "hochgradigen potentiellen Gefährlichkeit, wobei praktisch das gesamt soziale Umfeld betroffen ist, insbesondere alle jene Personen, von denen sich Herr P***** subjektiv beeinträchtigt und belästigt fühlt" (US 8), leitet "jene Feststellungen, dass bei Christian P***** die hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass er unter dem Einfluss seiner Abartigkeit weitere mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde", aus der psychiatrischen Expertise ab (vgl diese S 169, 237, 238; US 9) und sieht rechtlich alle Voraussetzungen für eine Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB gegeben, "da aufgrund der festgestellten Gefährlichkeitsprognose auch Taten gegen Leib und Leben anderer, sohin solche mit schwersten Folgen, zu befürchten sind" (US 11). Die von den Tatrichtern ausgenommene Sachverhaltsgrundlage lässt indes eine rechtsrichtige Gefährlichkeitsprognose nicht zu, weil nicht alle "Taten gegen Leib und Leben" besonders folgenschwer sein müssen, selbst wenn sie mit brachialer Gewalt (vgl das zitierte Gutachten S 239) ausgeübt werden (13 Os 153/00; Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 14, 15; Mayerhofer aaO E 20; Ratz aaO § 21 Rz 27, 28 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 716, 719, 721), stellt doch dieser einen handgreiflichen (brachialis lat. zum Arm gehörend), brutalen (Österreichisches Wörterbuch38 230) Angriff umfassende Begriff nur auf die Art eines Vorgehens, nicht aber auf dessen Konsequenzen ab. Mangels ausreichenden Tatsachensubstrates im Urteil (§ 288 Abs 2 Z 3 Satz 2 StPO) war daher der Einweisungsausspruch (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) aufzuheben und Verfahrensneudurchführung anzuordnen (§ 285e StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte