Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt
-
1. im den Angeklagten Wolfgang G***** betreffenden Strafausspruch sowie
2. im Umfang des zur Hauptfrage I ergangenen Wahrspruches, des darauf beruhenden, Kurt V***** betreffenden Schuldspruches I wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und demgemäß im Strafausspruch hinsichtlich dieses Angeklagten aufgehoben.
Zu 1. wird in der Sache selbst erkannt:
Wolfgang G***** wird nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes Krefeld vom 16. Dezember 1998, AZ 22 DS 25 JS 386/98 (638/98), zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 4 Jahren, 9 Monaten und 20 Tagen verurteilt.
Die Vorhaftanrechnung wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Der Angeklagte Wolfgang G***** wird mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last. Zu 2. wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen und der Angeklagte V***** mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Kurt V***** und Wolfgang G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I), Kurt V***** überdies des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach haben sie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, und zwar:
I. Kurt V***** und Wolfgang G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter Verwendung einer Waffe am 2. November 1998 in St. N***** der Postbediensteten Maria L***** einen Bargeldbetrag in der Höhe von 191.570,04 S (= 13.921,94 Euro), einen Tresorschlüssel und diverse andere Schlüssel in nicht näher bekanntem Wert, indem Wolfgang G***** eine Schrotdoppelflinte und Kurt V***** eine Spielzeugpistole gegen sie richtete;
II. Kurt V***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Erich V***** - überdies mit Gewalt - am 29. Juni 2001 in N***** Angestellten der Raiffeisenbank ***** Bargeld in der Höhe von insgesamt 947.363 S (= 68.847,55 Euro), indem sie Brunhilde R***** und Michael O***** jeweils eine Spielzeugpistole vorhielten und sie zur Herausgabe des Geldes sowie zum Hinlegen aufforderten, wobei sie eine Geiselnahme androhten, die beiden Angestellten sowie Hans Jörg Gl***** zu Boden drückten und deren Hände mit Kabelbindern am Rücken fesselten.
Die den Geschworenen anklagekonform gestellten Hauptfragen wurden hinsichtlich der den Angeklagten Kurt V***** betreffenden Raubfakten (Hauptfragen I und III) stimmeneinhellig und in Ansehung des dem Angeklagten Wolfgang G***** zur Last gelegten Verbrechens des schweren Raubes (Hauptfrage II) mit einer Mehrheit von 6:2 Stimmen bejaht. Zusatz- und Eventualfragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der auf Z 9, 10a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang G***** kommt - wie die Generalprokuratur bereits zutreffend ausführt - teilweise Berechtigung zu.
Mit dem aus Z 9 erhobenen Einwand unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens der Laienrichter bei Beantwortung der Hauptfragen I und II wird allerdings kein mangelhafter Wahrspruch im Sinne dieses Nichtigkeitsgrundes dargetan, weil sich ein widersprüchliches Verdikt - wie es hier vom Angeklagten behauptet wird - direkt aus dem Vergleich der Antworten der Geschworenen ergeben muss und nicht aus dem jeweiligen Stimmenverhältnis abgeleitet werden darf (RIS-Justiz RS0101159; ebenso Philipp, WK-StPO § 332 Rz 10 und Mayerhofer StPO5 § 332 E 22).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit dem Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen DI Dr. R*****, wonach die Täter beim Urteilsfaktum I eine Körpergröße von 174 cm (+/- 3 cm) aufgewiesen hätten (während der Beschwerdeführer nur 170 cm groß und der Angeklagte V***** 10 cm größer sei), keine erheblichen Bedenken gegen den im Wahrspruch als erwiesen angenommenen Sachverhalt zu erwecken. Denn die in der Hauptverhandlung erörterten (S 369 ff/XIV) Ergebnisse des photogrammetrischen Gutachtens (vormals ON 259, nunmehr ON 587) sind unter dem Aspekt zu beurteilen, dass das bei der Auswertung verwendete Lichtbild (siehe S 403/XIV) besonders ungenau und unscharf ist, was auch der Sachverständige - befragt nach den Abweichungen - zu bedenken gab (S 373/XIV). In Ansehung der schlechten Bildqualität musste den Berechnungen eine bloß „aus Vergleichwerten als Mittel abgeleitete" mittlere Schuhhöhe und eine ebensolche Stärke der von den Tätern getragenen Vollvisierhelme zu Grunde gelegt werden (S 397/XIV), was ebenfalls geeignet ist, Ungenauigkeiten zu bewirken. Die eindeutig belastenden Depositionen des Angeklagten Kurt V***** (S 297 ff/XIV) und die Aussage der unmittelbaren Tatzeugin Maria S***** (vormals L*****), wonach die Größe des Angeklagten G***** „passen" könnte (S 347/XIV), lassen die jeweiligen (bloß einen bzw wenige Zentimeter betreffenden) Abweichungen der Expertise von den tatsächlichen Größenverhältnissen in den Hintergrund treten, sodass diese gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen keine unerträgliche Fehlentscheidung der Laienrichter nahelegen. In seiner Sanktionsrüge (Z 13) zeigt der Beschwerdeführer hingegen zutreffend auf, dass das Geschworenengericht gemäß § 31 StGB auf das - durch Verlesung (S 375/XIV) in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) - Vor-Urteil des Amtsgerichtes Krefeld (Deutschland) vom 16. Dezember 1998 (S 275 und 389/IV sowie 267/XIV), rechtskräftig seit 22. Jänner 1999, AZ 22 DS 25 JS 386/98 (638/98), hätte Bedacht nehmen müssen, zumal die Grundsätze der §§ 31 und 40 StGB auch auf ausländische Verurteilungen anzuwenden sind (Fabrizy StGB9 § 31 Rz 11) und - unter dem zeitlichen Aspekt - eine gemeinsame Aburteilung möglich gewesen wäre. Die offenbar unrichtige Beurteilung dieser für die Strafbemessung entscheidenden Tatsache hat Nichtigkeit des Strafausspruches aus Z 13 zweiter Fall zur Folge (Ratz in WK2 § 31 Rz 15; eingehend 12 Os 62/03 mwN).
Das angefochtene Urteil, das in Ansehung Wolfgang G***** im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung dessen Nichtigkeitsbeschwerde im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufzuheben und es war in einem darüber anberaumten Gerichtstag die Strafe für das ihm zur Last liegende Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das erwähnte - wegen Betruges nach § 263 dStGB eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 70 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängende - Urteil des Amtsgerichtes Krefeld neu zu bemessen.
Dabei war mildernd das lange Zurückliegen der Tat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) und die lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB - vgl Ebner in WK² § 34 Rz 43 [erste Vernehmung des Beschuldigten G***** im Zuge des gerichtlichen Verfahrens wegen des verfahrensgegenständlichen Vorwurfes am 15. Juli 1999, siehe ON 125] und 46), erschwerend die Tatbegehung in Gesellschaft und fünf einschlägige Vorstrafen sowie das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen.
Die spruchgemäße Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe (§ 40 StGB) entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Schuldvorwurf gegen den Täter und nimmt bereits ausreichend Rücksicht auf die Auswirkungen der späten Strafe auf das künftige Leben G*****, sodass kein Anlass für ein Vorgehen nach § 41 Abs 1 Z 3, Abs 3 StGB besteht. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen und der Angeklagte Wolfgang G***** mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang G***** war - wie von der Generalprokuratur aufgezeigt - hinsichtlich des zu I ergangenen Schuldspruchs gegen den Angeklagten Kurt V***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB ein von ihm nicht geltend gemachter, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkender und mit Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO behafteter Rechtsmangel von Amts wegen wahrzunehmen (§§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Nach der Aktenlage erstreckt sich die durch die Schweizerischen Strafverfolgungsbehörden genehmigte Auslieferung Kurt V***** zur Strafverfolgung nach Österreich nur auf die dem Haftbefehl des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. April 2002 zu Grunde liegenden Straftaten (S 49 und 57/XIV). Dieser Haftbefehl (ON 429a) umfasst hinsichtlich Kurt V***** - ebenso wie der Haftbefehl vom 10. Oktober 2001 in Verbindung mit dem Nachtragshaftbefehl vom 12. Oktober 2001 (siehe S 35 ff und 131 ff/VII) - bloß die zum Nachteil der Raiffeisenbanken G***** und N***** erfolgten Raubüberfälle vom 25. Februar 1999 und vom 29. Juni 2001, nicht aber den (ursprünglich Erich V***** angelasteten, siehe S 431a ff/VIII) Überfall auf das Postamt St. N***** am 2. November 1998. Einer Verfolgung und Verurteilung des Angeklagten Kurt V***** auch wegen dieser Tat (Urteilsfaktum I) steht daher der Grundsatz der Spezialität nach Art 14 Abs 1 des - bei Auslieferung aus der Schweiz (unter Beachtung beiderseitiger Vorbehalte und Erklärungen sowie nach Maßgabe des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl 1974/717) geltenden - Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957, BGBl 1969/320, entgegen.
Das Fehlen einer Auslieferungsbewilligung war als prozessuales Verfolgungshindernis im Sinne des § 311 Abs 1 StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 621; Schindler, WK-StPO § 311 Rz 3) aus § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO von Amts wegen wahrzunehmen. Ob aber hinsichtlich der in Rede stehenden Tat zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils tatsächlich kein Auslieferungsverfahren betreffend Kurt V***** anhängig war - in welchem Fall sofort ein Freispruch zu ergehen hätte (SSt 52/49; RIS-Justiz RS0098426) - kann angesichts der von der Staatsanwaltschaft gemäß § 57 Abs 2 StPO beantragten Fortsetzung des Verfahrens „wegen der übrigen gegen Kurt V***** und Wolfgang G***** vorliegenden Anschuldigungspunkte" (S 3bbbb im AV-Bogen) aus der vorliegenden Aktenkopie (siehe S 3jjjj) nicht abschließend beurteilt werden (siehe auch 14 Os 9/04, 14 Os 51/05i).
Das Urteil, das hinsichtlich des Angeklagten Kurt V***** im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher im Umfang des zur Hauptfrage I ergangenen, Kurt V***** betreffenden Wahrspruches, des darauf beruhenden Schuldspruches I wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und demgemäß im Strafausspruch gemäß §§ 344, 285e StPO aufzuheben, die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 344, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 349 Rz 6) und der Angeklagte V***** mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Der Vollständigkeit halber sei zum diebezüglichen Einwand hingewiesen, dass Großbritannien (wo V***** ursprünglich festgenommen worden war) sehr wohl einer Weiterlieferung von der Schweiz nach Österreich zugestimmt hat (S 37/XIV).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)