OGH 11Os102/16h

OGH11Os102/16h15.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eduard P***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. Juni 2016, GZ 64 Hv 46/16i‑52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00102.16H.1115.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen – zufolge dessen, für die Erledigung der Rechtsmittel des P***** nicht präjudiziellen, Parteienantrags auf Normenkontrolle abgesondert zu prüfenden – Schuldspruch des Mitangeklagten Dino S***** enthält, wurde Eduard P***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dino S***** als Mittäter (§ 12 StGB) am 28. Jänner 2016 in S***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge, nämlich mehr als 1.000 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von über 80 % einem verdeckten Ermittler überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 [lit] b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist voranzustellen, dass eine erfolgreiche Geltendmachung unterlassener Beweisaufnahme nur im Zusammenhang mit der gebotenen Klärung entscheidungsrelevanter Umstände (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 320 ff) möglich ist. Ist die Beweisaufnahme schon dem Antragsvorbringen zufolge nicht geeignet, eine solcherart erhebliche Tatsache zu beweisen, kann sie unterbleiben (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO).

Davon ausgehend erfolgte die Abweisung (ON 51 S 24) der in der Hauptverhandlung am 13. Juni 2016 (ON 51 S 23) begehrten Ladung und Vernehmung der Zeugen Ilir C***** (zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte Eduard P***** von Ilir C***** erheblich zum angeklagten strafbaren Verhalten provoziert worden ist“) und Burim Pu***** (zum Beweis dafür, dass „C***** notorisch Unbescholtene zum Suchtmittelhandel verführt und provoziert“) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Der Antrag ließ nicht erkennen, inwieweit sich aus der begehrten Beweisaufnahme ein Tatsachensubstrat der Art ergeben sollte, dass von staatlicher Seite Druck ausgeübt worden war bzw der Kontakt der Ermittlungsbehörde mit C*****, welcher als deren Vertrauensperson Verhandlungen mit P***** – der nach eigenen Angaben (ON 51 S 4) bereits vorher einem Dritten Suchtgiftschmuggel zugesagt hatte – führen und den Kontakt zu einem verdeckten Ermittler herstellen sollte (US 3), auf die Tatbegehung des Nichtigkeitswerbers nach Art einer (Ketten‑)Bestimmung im Sinn des § 12 zweiter Fall StGB (RIS‑Justiz RS0089581, RS0089777) durchschlagen sollte (RIS‑Justiz RS0130354).

Eine (unzulässige, ein Verfolgungshindernis für strafbare Handlungen darstellende; vgl §§ 5 Abs 3, 133 Abs 5 StPO) polizeiliche Tatprovokation liegt nämlich nur vor, wenn sich die beteiligten Polizeibeamten nicht auf eine weitgehend passive Strafermittlung beschränken, sondern die betroffene Person derart beeinflussen, dass diese zur Begehung einer Straftat verleitet wird, die sie andernfalls nicht begangen hätte (RIS‑Justiz RS0130354; EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht/Deutschland Rz 48). Eine im Wesentlichen passive Haltung geben die Polizeibehörden etwa dann auf, wenn die Person wiederholt kontaktiert wird, das Angebot trotz anfänglicher Weigerung wiederholt wird, die Person beharrlich aufgefordert, überredet oder unter (psychischen) Druck gesetzt wird (EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht/Deutschland Rz 52; EBRV 1058 BlgNR 25. GP  6 f).

In der Beschwerdeschrift nachgereichte Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind – mit Blick auf das Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0099117) – unbeachtlich.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) vermisst Feststellungen zum Vorliegen des Verfolgungshindernisses der (aus ihrer Sicht) unzulässigen Tatprovokation (§ 133 Abs 5 StPO), lässt aber die vom Erstgericht getroffenen gegenteiligen (aus Z 5 unbekämpft gebliebenen) Urteilskonstatierungen außer Acht (RIS‑Justiz RS0099810, RS0119884), wonach der Angeklagte gerade nicht von Seiten der Polizei zum Suchtmittelgeschäft aufgefordert wurde, sondern bereits auf der Suche nach Abnehmern für eine große Menge Kokain war, als C***** hierüber die Polizei in Kenntnis setzte und seinerseits damit beauftragt wurde, Verhandlungen über den Ankauf von Kokain zu führen und den Kontakt zu einem verdeckten Ermittler herzustellen (US 3, 10 und 11).

Mit der Forderung, den behaupteten „Verstoß gegen das Lockspitzelverbot“ mildernd zu berücksichtigen, wird der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil weder eine unrichtige rechtliche Beurteilung festgestellter Strafzumessungstatsachen noch ein Verstoß gegen allgemeine Strafbemessungsgrundsätze behauptet wird (RIS‑Justiz RS0099911).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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