OGH 11Os102/11a

OGH11Os102/11a12.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian W***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Christian W***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. Dezember 2010, GZ 33 Hv 141/09x-157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch unbekämpft gebliebene Freisprüche des Christian W***** und der Monika W***** enthaltenden Urteil, wurde Christian W***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1, 15, 12 zweiter Fall StGB (I./ 1./ bis 3./) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach §§ 159 Abs 1 und 2 (Abs 5 Z 3), 161 Abs 1 StGB (II./1./ und 2./) und des Vergehens der Unterdrückung eines Beweismittels nach §§ 12 zweiter Fall, 295 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Anif und andernorts

I./ als faktischer Geschäftsführer der R***** GmbH (vormals W***** GmbH) einen Bestandteil deren Vermögens beiseite geschafft oder dieses sonst wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er (zusammengefasst)

1./ am 19. Jänner 2006 an die Gesellschaft geleistete Abfindungszahlungen in Höhe von 47.101,45 Euro behob und für private Zwecke verwendete;

2./ Ende 2005 Gabriele P***** anwies, die von der R***** GmbH erlegte Kaution im Betrag von 6.335,14 Euro auf sein Privatkonto zu überweisen;

3./ von Juli bis Dezember 2005 die G***** GmbH & Co KG unter Verwendung des E-Mail-Accounts der W***** GmbH zur Umstellung der Abrechnung ab 1. Juli 2005 auf die B***** GmbH aufforderte, wobei diese im Jahr 2005 einen Betrag von 15.026,38 Euro und im Jahr 2006 2.044,72 Euro zur Überweisung brachte;

II./ als Geschäftsführer der „t*****“ GmbH, dadurch, dass er kridaträchtig handelte, und zwar entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens durch überhöhten Sach- und Personalaufwand übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, grob fahrlässig

1./ von 2000 bis Ende 2001 deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt;

2./ von Anfang bis Ende des Jahres 2002 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis von deren Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert;

III./ zwischen Mitte April 2006 und 8. Mai 2006 mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz ein zur Verwendung im gegenständlichen Strafverfahren bzw im Konkursverfahren des Landesgerichts Salzburg, AZ 44 S 70/05a, bestimmtes Beweismittel, über das er nicht oder nicht allein verfügen durfte, unterdrückt, indem er die Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen der R***** GmbH an eine Adresse in Salzburg verbrachte oder verbringen ließ.

Die dagegen von Christian W***** aus Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge fasst die Beschwerdepunkte nach Urteilsfakten getrennt zusammen. Aus Gründen der Übersicht folgt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dieser Systematik.

Zu I./ 1./:

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zeigt mit ihrer Bezugnahme auf den vom Beschwerdeführer behaupteten angeblichen Rückzahlungswillen kein unberücksichtigt gebliebenes Verfahrensergebnis auf (US 42 f). Dem Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider bedurfte die Verantwortung des Angeklagten, wonach der von ihm privat verwendete Geldbetrag an die Gläubiger der R***** GmbH zurückfließen hätte sollen, auch deshalb keiner weiteren Erörterung, weil § 156 Abs 1 StGB keine endgültige Gläubigerbenachteiligung voraussetzt (RIS-Justiz RS0119793; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 20). Eine erst nach tatsächlich herbeigeführter Vermögensverringerung durch Rückzahlungen bewirkte Reduktion der Passiva beseitigt die Tatbestandsmäßigkeit nicht (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 10). Die im Übrigen erst nach Entdeckung der Malversationen erfolgte Rückzahlung (US 33) steht der Annahme der Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung wenigstens eines Gläubigers nicht entgegen. Demzufolge liegt nicht der vom Erstgericht verfehlt auch zu I./ 2./ angenommene Versuch der Straftat, sondern bloß Schadensgutmachung nach Deliktsvollendung vor.

Die Subsumtionrüge (Z 10) strebt eine Verurteilung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB an, legt aber nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb es unter dem Blickwinkel des § 156 StGB weiterer Feststellungen zum Verwendungszeitpunkt der zu privaten Zwecken entnommenen (- nicht anvertrauten - US 31 f) Geldbeträge bedurft hätte, obwohl der Haftungsfonds der Gläubiger der R***** GmbH bereits durch die festgestellte Barbehebung (US 32) verringert wurde (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe den Geldbetrag verwahrt, entfernt sich die Rüge von den Urteilsannahmen, wonach Christian W***** bei der Barbehebung nicht vorhatte, diese Gelder der R***** GmbH bzw deren Konkursmasse wieder zukommen zu lassen (US 32), und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).

Zu I./ 2./:

Soweit die Mängelrüge, ohne übergangene Verfahrensergebnisse aufzuzeigen (Z 5 zweiter Fall), in die Überlegungen der Tatrichter miteinbezogene Beweisergebnisse (US 45 f) lediglich eigenständig bewertet, verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421). Die im Übrigen mit Blick auf die Erwägungen des Erstgerichts (US 45 f) auch unerhebliche Behauptung (Z 5 zweiter Fall), es habe sich um ein gemeinsames Konto der Ehegatten W***** gehandelt, lässt den gebotenen Aktenbezug vermissen.

Der Kritik der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider ist den Feststellungen zu entnehmen, dass jedenfalls der Angeklagte, allenfalls über Monika W*****, die Anweisung traf, den Geldbetrag auf ein Konto zu überweisen, das dem Zugriff der Gläubiger der R***** GmbH nicht unterlag. Aus welchen Gründen die Tatrichter zu diesen Feststellungen gelangten, legten sie unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) mängelfrei dar (US 33 f, 45 f).

Mit Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keiner der von Z 5 des § 281 Abs 1 StPO bezeichneten Fehler behauptet (RIS-Justiz RS0102162).

Der allein auf diesen Schuldspruchpunkt bezogene Einwand der tätigen Reue (Z 9 lit b) übergeht den auf US 29 festgestellten Gesamtvorsatz (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 67 und § 156 Rz 25; RIS-Justiz RS0117252) und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb es ungeachtet der aus der Willenseinheit bei Faktenmehrheit erwachsenen Notwendigkeit der Gesamtschadensgutmachung (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 69 mwN) weiterer Feststellungen zum Zeitpunkt der dieses Faktum betreffenden Anzeige bedurft hätte.

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer hinsichtlich der mangelnden Freiwilligkeit auf die von ihm entgegen der Verfahrensordnung (RIS-Justiz RS0099810) übergangenen Urteilskonstatierungen zu verweisen, wonach diese Rückzahlung im Bewusstsein des gegen ihn - wegen anderer, vom Gesamtvorsatz umfasster Fakten - bereits anhängigen und sogar mit seiner Inhaftierung verbundenen Strafverfahrens erfolgte (US 34).

Zu I./ 3./:

Den Urteilsannahmen zufolge standen die Provisionszahlungen der W***** GmbH zu (US 30 f). Die Tatrichter legten im Einklang mit den Gesetzen logischen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen dar, weshalb sie davon ausgingen, dass der „Umstellung der Abrechnung“ keine Leistung der B***** GmbH zugrunde lag (US 46 ff). Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) von Feststellungen und (richtig:) den dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter liegt nicht vor. Weshalb eine „Übernahme“ von Pflichten zwingend auch eine Erweiterung derselben beinhalten sollte, bleibt nämlich unerfindlich. Mit der Verantwortung des Angeklagten haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt (US 46 f).

Soweit der Beschwerdeführer aus den Verfahrensergebnissen andere Schlüsse als das Erstgericht zieht („daraus ergibt sich logischerweise“, „dem Beweisverfahren ist auch eindeutig zu entnehmen“) bekämpft er unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weder von einem Vermögensbestandteil der W***** GmbH, noch von einem Gläubigerschädigungsvorsatz (US 29 ff), sondern von einem Entgelt für Leistungen des Nichtigkeitswerbers ausgeht, verfehlt sie erneut den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).

Zu II./:

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) ist der Beschwerdeführer zunächst auf das Hauptverhandlungsprotokoll vom 22. Oktober 2010 zu verweisen, dem der vom Verteidiger vermisste Antrag zu entnehmen ist (ON 153 S 37). Was erstattete Befunde und Gutachten vom Sachverständigen anlangt, stellt § 127 Abs 3 erster Satz StPO an den Kriterien für mängelfreie Tatsachenfeststellungen in Urteilen (Z 5) orientierte Regeln auf. Ein durch Z 4 des § 281 Abs 1 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hat der Beschwerdeführer nur dann, wenn er in der Lage ist, einen dort angeführten Mangel von Befund und Gutachten aufzuzeigen und das in dieser Bestimmung beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (RIS-Justiz RS0117263). Davon abgesehen ist es dem pflichtgemäßen Ermessen der Tatrichter anheimgestellt, neue Befunde oder Gutachten zur Überprüfung der früheren abzufordern. Die Überzeugungskraft eines iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO mängelfreien Befunds oder Gutachtens unterliegt nämlich der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351; RIS-Justiz RS0097433). Der Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus den Bereichen Unternehmensberatung und Marketing, jeweils mit dem Schwerpunkt IT, zum Beweis dafür, dass der vom Buchsachverständigen angenommene Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit der „t*****“ GmbH falsch ist und die allenfalls vorhandene Zahlungsunfähigkeit dem Angeklagten subjektiv nicht vorwerfbar ist, zeigt einen Mangel iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO nicht auf und legt nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (zur unzulässigen Erkundungsbeweisführung vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Aus welchem Grund eine von einem Unternehmensberater positiv beurteilte Geschäftsidee oder das Produkt der Gesellschaft der Annahme einer Zahlungsunfähigkeit entgegenstehen sollte und wieso der Sachverständige über die subjektive Tatseite des Nichtigkeitswerbers Auskunft geben könnte, erklärt die Beschwerde nicht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bekämpft ohne an eine vom Obersten Gerichtshof gefundene Ableitung anzuknüpfen unter Berufung auf das Eigenkapitalersatzrecht die Annahme der Zahlungsunfähigkeit mit Ende 2001 oder Ende 2002. Soweit sie sich dabei auf das - wie der Beschwerdeführer selbst erkennt - erst am 1. Jänner 2004 in Kraft getretene EKEG stützt, legt sie nicht dar, weshalb die §§ 9 Abs 2 und 15 EKEG mit Blick auf den zwischen 2000 und 2002 gelegenen Tatzeitraum gegenständlich dennoch zur Anwendung gelangen sollten. Dass von der W***** GmbH an die „t*****“ GmbH gewährte Darlehen und Sicherheiten auch vor dem Inkraftreten des EKEG wegen der Geschäftsführertätigkeit des Christian W***** und weil er sämtliche Anteile in beiden Gesellschaften hielt als Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistungen zu qualifizieren gewesen wären, die der Annahme der Zahlungsunfähigkeit entgegen stehen, wird vom Rechtsmittelwerber lediglich behauptet. Die Beschwerdeargumentation übergeht dabei aber das für das Jahr 2001 konstatierte, den Haftungsbetrag bei weitem übersteigende negative Working Capital (US 16), darüber hinaus auch, dass die Sicherheiten nur zugunsten eines Gläubigers gewährt wurden (US 50).

Die aus Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Einwände übergehen die zur Zahlungsunfähigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen Urteilsannahmen (US 18 f).

Dass es ausdrücklicher Feststellungen betreffend einer positiven Beurteilung der Geschäftsidee der „t*****“ GmbH durch Unternehmensberater bedurft hätte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz.

Zu III./:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) vernachlässigt, dass der Angeklagte den Verbleib der Buchhaltungsunterlagen erst nach Kenntnis vom bestehenden Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl bekannt gab, und begibt sich damit einer Erwiderung (US 36). Das weitere Vorbringen zum Verhalten des Angeklagten anlässlich der Sicherstellung der Buchhaltungsunterlagen bekämpft lediglich unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher - auch unter Berücksichtigung der zur Stellungnahme der Generalprokuratur erstatteten Äußerung - gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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