Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Carl S***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A), mehrerer Vergehen (richtig: Verbrechen) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (B), des Vergehens der Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (C) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (D) schuldig erkannt.
Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben)
A) Anfang 1990 in N***** mit seiner am 11. Juni 1981 geborenen, mithin damals unmündigen Tochter Dr. Martina V***** den Beischlaf unternommen, indem er sich auf sie legte, ihre Beine auseinander drückte und mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen trachtete;
B) von 1989 bis 1994/1995 in Wien zumindest einmal im Monat die am 11. Juni 1981 geborene Dr. Martina V*****, sohin eine damals unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er sie jeweils an den Brüsten betastete, an diesen saugte, mit zwei Fingern in ihre Scheide und mit einem Finger in ihren After eindrang und sich in zahlreichen Angriffen von ihr manuell befriedigen ließ;
C) durch die unter A) genannte Tat mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht;
D) durch die unter A) und B) genannten Taten mit einer in absteigender Linie mit ihm verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die eine unzureichende Begründung behauptende Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bekämpft lediglich unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung, wenn sie - ohne einen Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze aufzuzeigen - kritisiert, dass das Erstgericht den Angaben der Tochter des Angeklagten gefolgt sei, obwohl sich auch der Angeklagte widerspruchsfrei und schlüssig verantwortet habe (vgl RIS-Justiz RS0099413).
Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) legte das Schöffengericht dar, aus welchen Erwägungen es den als glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugin Dr. Martina V***** folgte (US 4 bis 9). Im Übrigen lässt sich der persönliche Eindruck des Gerichts von einer Person nicht erschöpfend in Worte kleiden und bedarf demnach auch keiner ins Detail gehenden Erörterung (RIS-Justiz RS0099413; Danek, WK-StPO § 270 Rz 39). Vielmehr ist der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher überhaupt der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).
Die vermisste Auseinandersetzung mit dem vom Rechtsmittel ins Treffen geführten Gespräch zwischen dem Angeklagten, Andrea S*****, Elisabeth Se***** und Franz B***** findet sich auf US 8 f. Indem der Beschwerdeführer die vom Erstgericht aus den Aussagen der Zeugen jeweils gezogenen Schlüsse für nicht überzeugend erachtet, weil sich der Zeuge B***** an die Unterredung gar nicht erinnern habe können, dabei aber die inhaltlichen Angaben des Genannten übergeht, wonach der Angeklagte auf das Thema mit der Begründung nicht angesprochen werden wollte, dass es schon verjährt wäre und es ihm „eh“ leid tue (ON 33 S 23), zeigt er keinen Begründungsmangel auf.
Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) in der Folge eigenständige Beweiswerterwägungen anstellt, aus den Beweisergebnissen günstigere Schlüsse für den Angeklagten zieht und dabei die Beweiswürdigung der Tatrichter kritisiert, verkennt sie erneut den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen. Dasselbe gilt für das Vorbringen, in welchem der Beschwerdeführer - den Annahmen des Erstgerichts zuwider (US 6) - von verleumderischen Motiven seiner Tochter ausgeht.
Ein auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützter Einwand kann nur dann erfolgreich sein, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert naheliegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind. Mit lediglich den Erwägungen der Tatrichter zuwiderlaufenden Spekulationen zu allfälligen Beweggründen einer Falschbelastung werden keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden Tatsachen erweckt. Gleiches gilt für den Hinweis des Beschwerdeführers auf den gut nachbarlich gebliebenen Kontakt zur Mutter seiner Tochter.
Die isoliert auf Verhaltensweisen der Dr. Martina V***** bei der Hochzeit des Angeklagten, auf deren Schriftverkehr mit ihrem Rechtsvertreter und auf eine in der Videoaufzeichnung ihrer kontradiktorischen Vernehmung festgehaltene Unsicherheit in der Aussage gestützte Kritik an der Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Angaben dieser Belastungszeugin erweist sich auch unter dem Aspekt der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO als unzulässig (RIS-Justiz RS0099419), zumal sie die gebotene Gesamtschau der Beweisergebnisse außer Acht lässt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht am Verfahrensrecht, indem sie behauptet, die Strafbarkeit der dem Angeklagten angelasteten Taten sei zufolge Verjährung mit dem Erreichen des 28. Lebensjahres des Opfers erloschen, es dabei aber unterlässt, diese These methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116565).
Im Übrigen versagt die Argumentation schon deshalb, weil § 58 Abs 3 Z 3 StGB in jeder Fassung eine Anlaufhemmung bis zum 28. Lebensjahr des Opfers normiert, was bedeutet, dass die Fristen des § 57 Abs 3 StGB bis zum genannten Zeitpunkt gar nicht zu laufen beginnen (E. Fuchs in WK2 §58 Rz 3). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass „Zwischengesetze“, die weder zur Tatzeit noch zum Urteilszeitpunkt galten, beim Günstigkeitsvergleich außer Betracht zu bleiben haben (Fabrizy, StGB10 § 61 Rz 5; RIS-Justiz RS0114587).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Umstand, dass ziffernmäßig Gründe des § 281 Z 9 lit b StPO geltend gemacht wurden, hindert - entgegen der in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur vorgebrachten Meinung - keineswegs eine Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung, weil nur prozessordnungsgemäß ausgeführte materiellrechtliche Rügen zur Anordnung eines Gerichtstags führen (RIS-Justiz RS0107325).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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