OGH 11Nds147/86

OGH11Nds147/864.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bittmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Franz Heribert P*** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB über die Anträge des Beschuldigten vom 3. Oktober 1986 auf Zuweisung der Strafsache an das Landesgericht für Strafsachen Wien und auf Ablehnung des Oberlandesgerichtes Innsbruck nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Anträgen des Beschuldigten auf Zuweisung der Strafsache an das Landesgericht für Strafsachen Wien und auf Ablehnung des ganzen Oberlandesgerichtes Innsbruck wird nicht stattgegeben. Die Befangenheitserklärung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist gerechtfertigt. Zur weiteren Entscheiung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck stellte gegen den Juristen Dr. Franz Heribert P*** am 12.September 1986 zu 5 St 11856/86 Strafantrag wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB mit dem Vorwurf, er habe am 21. Juli 1986 in Innsbruck der Republik Österreich in ihrem konkreten Recht, nicht befähigte Personen von der Rechtsanwaltsprüfung auszuschließen, dadurch absichtlich Schaden zuzufügen versucht, daß er zum Nachweis von Praxiszeiten Bestätigungen vorlegte, deren mangelnde Vertrauenswürdigkeit die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer bereits am 1.März 1978 erkannt hatte und die daher als gegenstandslos erklärt worden waren (ON 5). Der Einzelrichter beraumte am 24.September 1986 die Hauptverhandlung für den 7.Oktober 1986 an und veranlaßte die Zustellung der Ladung samt Strafantrag zu eigenen Handen des Beschuldigten. Diese Zustellung wurde am 2.Oktober 1986 durch Hinterlegung bewirkt (ON 6). Am 6.Oktober 1986 langte beim Landesgericht Innsbruck der auf die §§ 62, 63 StPO gestützte Antrag des Beschuldigten Dr. P*** ein, die Strafsache dem Landesgericht für Strafsachen Wien zuzuweisen, weil der Antragsteller aus beruflichen Gründen nach Wien übersiedeln werde, und überdies der Verdacht bestehe, daß "der ganze Gerichtshof in Innsbruck befangen sein könnte (§ 68 Abs. 1 Z 2 StPO)" (ON 7). Telefonisch präzisierte der Beschuldigte diesen Antrag dem Einzelrichter dahin, daß er in erster Linie die Delegierung nach Wien begehre, und sich die Befangenheitserklärung sowohl auf das Landes- als auch das Oberlandesgericht Innsbruck beziehe, weil von hier die Anzeigeerstattung ausgegangen sei (ON 8). Den Anträgen kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigen Befangenheitsüberlegungen keine Delegierung. Alle damit zusammenhängenden Verfahrenshandlungen sind vielmehr ausschließlich und abschließend in den §§ 72 bis 74 a StPO geregelt (Mayerhofer-Rieder2, E 12, 13 zu § 62 StPO, zuletzt 11 Os 138/86). Da aber der Beschuldigte nach seinen Angaben den Wohnsitz erst verlegen werde und andere Gründe, die eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit zweckmäßig erscheinen ließen, nicht behauptet wurden, war der Delegierungsantrag abzuweisen.

Mit Ausnahme der mit dem anzeigegegenständlichen Beschluß, den Beschuldigten nicht zur Rechtsanwaltsprüfung zuzulassen (ON 3), befaßten Richter und des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der durch die Übersendung des Verwaltungsaktes an die Oberstaatsanwaltschaft an der Einleitung des Strafverfahrens beteiligt war, erklärten sich die Mitglieder und Ersatzmitglieder des zur Sachentscheidung berufenen Senates 3 des Oberlandesgerichtes Innsbruck nicht für befangen.

"Befangenheit" liegt nur vor, wenn ein Richter an eine Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt und nicht jederzeit bereit ist, auch einer vorläufig gewonnenen Meinung widerstreitende Beweisergebnisse unvoreingenommen zu würdigen und ihnen erforderlichenfalls auch Rechnung zu tragen (Mayerhofer-Rieder2, E 10 bis 12 zu § 72 StPO, zuletzt 11 Os 184/85, 10 Ns 1/86).

Im vorliegenden Antrag wurde aber nicht dargetan, aus welchen konkreten Gründen die mit der anzeigegegenständlichen Sache bisher nicht befaßten Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck befangen sein sollten.

Dem Antrag des Beschuldigten war daher, soweit er sich undifferenziert auf sämtliche beim Oberlandesgericht Innsbruck ernannten Richter bezieht und damit in die Entscheidungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes fällt (§ 74 Abs. 2, letzter Halbsatz, StPO), nicht Folge zu geben.

Den - nachträglich vorgelegten - Erklärungen des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. L*** und des als Vorsitzender des Verwaltungssenates tätig gewesenen Vizepräsidenten Dr. H***, sich befangen zu fühlen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht entgegenzutreten, sodaß nunmehr nach dem hier zur Anwendung gelangenden Teil des zweiten Satzes des § 41 Abs. 4 GOG im Zusammenhalt mit Art IX der 34. Gehaltsgesetznovelle, BGBl 1979 Nr 136, das "rangälteste" nicht befangene Mitglied des Oberlandesgerichtes über die Befangenheitserklärungen des Vorsitzenden des Senates 3, Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Z***, und des Senatsmitgliedes, Richter des Oberlandesgerichtes Dr. R***, zu entscheiden haben wird. Unabhängig davon, wie diese Entscheidung ausfällt, bleibt der zur Sachentscheidung über die Ablehnung des Landesgerichtes Innsbruck zuständige Senat 3 funktionsfähig, weil die übrigen als Stellvertreter des Vorsitzenden, als Mitglieder und Ersatzmitglieder laut Geschäftsverteilung vom 21.März 1986, Jv 2649-7 A/86, eingeteilten Richter des Oberlandesgerichtes sich nicht für befangen erklärten und dem Ablehnungsantrag insoweit - wie dargelegt - nicht stattgegeben werden kann. Dieser Senat wird daher über den unerledigten Teil des Antrages des Beschuldigten zu befinden haben.

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