OGH 10Os97/79

OGH10Os97/798.8.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 18. April 1979, GZ 9 Vr 3588/78-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Simma und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. Juli 1948 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Werner A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB schuldig erkannt.

Die Geschwornen hatten die in der Richtung des Anklagevorwurfes wegen des Verbrechens des schweren (unter Verwendung einer Waffe verübten) Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB an sie gestellte Hauptfrage, ob der Angeklagte schuldig sei, 'am 5. Dezember 1978 in Graz dadurch, daß er ein geöffnetes Taschenmesser gegen (die Postangestellte) Ute B richtete und gleichzeitig aus der Schalterlade (des Geldschalters des Postamtes 8023) einen Bargeldbetrag von ca. 109.000 S entnahm, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Ute B fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübt hat', stimmeneinhellig bejaht und die Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des einfachen Raubes nach § 142 Abs 1 StGB ebenso einstimmig (allerdings überflüssigerweise) verneint.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.

Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage in Ansehung des Begriffes 'Raub unter Verwendung einer Waffe' als unvollständig und unrichtig. Dieser Einwand versagt jedoch.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - dessen gegen die Rechtsbelehrung erhobener Vorwurf der einer Unrichtigkeit gleichkommenden Unvollständigkeit schon mangels Substantiierung (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) einer sachlichen Behandlung nicht zugänglich ist - entsprechen die wesentlichen einschlägigen Ausführungen in dieser Belehrung, wonach als Waffe im Sinne des § 143 StGB, über den Begriff des § 1 WaffenG hinaus, jeder Gegenstand zu verstehen ist, der zur Verwendung als Waffe derart spezifisch geeignet ist, daß er bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf einer Waffe im Sinne des Waffengesetzes gleichwertig ist, durchaus der herrschenden Rechtsprechung (vgl. insbesondere EvBl. 1976/119 und 1978/34, RZ 1977/122

u. v.a.). Ebendies verkennt der Angeklagte, der seinen Beschwerdeausführungen lediglich den (engeren) Waffenbegriff des § 1 WaffenG zugrundelegt. Der Hinweis der Beschwerde auf die Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes, 12 Os 59/78 ( = EvBl. 1978/175) verfängt nicht. Gegenstand dieser - die vorerwähnte Judikatur unberührt lassenden - Entscheidung ist im Rahmen der Auslegung des Waffenbegriffes des § 143 StGB nämlich nur das, hier jedoch nicht relevante, (Teil-)Problem, ob die Verwendung (wozu auch die Benützung als Mittel der Drohung gehört) ungeladener Schußwaffen, wie auch von Waffenattrappen oder die Vortäuschung einer Waffe tatbildlich im Sinne des qualifizierten Raubes sein können.

Daß die oben genannten Begriffsmerkmale - dies sei bereits im gegebenen Zusammenhang festgehalten - auch auf ein zur Herbeiführung von (bedeutenden) Stich- und Schnittverletzungen grundsätzlich geeignetes, sogar geöffnetes Taschenmesser (mit einer spitzen Klinge von 7 cm Länge /ON 4/), wie es vorliegend vom Beschwerdeführer verwendet wurde (sh. neuerlich 9 Os 68/77, in welchem Fall ein Messer mit einer 6 bis 7 cm langen, stumpfen Klinge zur Beurteilung stand), zutreffen, haben die Geschwornen auf Grund der ihnen erteilten rechtlich einwandfreien und völlig ausreichenden Belehrung richtig erkannt.

Wenn sich der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO ebenfalls gegen die Qualifizierung des Tatwerkzeuges als Waffe nach § 143 StGB wendet, genügt es, ihn auf die vorstehenden Erörterungen zu verweisen. Mag es sich auch bei einem Taschenmesser um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handeln, so stellt dessen Benützung als Mittel der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bei Ausführung des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB) doch der Beschwerde zuwider die Verwendung einer Waffe im erwähnten Sinn dar.

Insoweit die Beschwerde darauf abstellt, daß der Angeklagte bei der Tatausführung das Messer zwar in der Hand gehalten, nicht aber gegen die Postangestellte gerichtet habe, so hält er nicht an dem im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt fest und bringt deshalb den materiellen Nichtigkeitsgrund insofern nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Dem Wahrspruch zufolge hat nämlich der Beschwerdeführer - seinem nunmehrigen Einwand zuwider - das geöffnete Taschenmesser gegen Ute B gerichtet. Davon abgesehen könnte der Umstand, daß ein (Raub-)Täter bei der Tatbegehung eine Waffe bloß in der Hand hält und nicht ('direkt' /vgl. S. 244/) gegen das Opfer richtete, doch wohl nur für die Frage der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben als Tatbildmerkmal des Raubes von Bedeutung sein. Die Beurteilung, welchen Zweck der Täter mit einer Waffe verfolgt und ob die vom Gesetz geforderten Tatbestandsmerkmale gegeben sind oder nicht, ist jedoch ausschließlich Sache der Geschwornen, deren bezüglichen Ausspruch weder nach der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO noch aus einem anderen der im Gesetz erschöpfend aufgezählten Nichtigkeitsgründe (mit Aussicht auf Erfolg) angefochten werden kann (Gebert-Pallin-Pfeiffer-Mayerhofer III/3 Nr. 6).

Letzteres gilt schließlich auch, abgesehen davon, daß die Tatrekonstruktion im Vorverfahren (ON 9 und ON 24) gar nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde (siehe Hauptverhandlungsprotokoll S. 243 ff), für die weitere - den Inhalt des Wahrspruches neuerlich außer acht lassende - Einwendung, das Erstgericht habe 'anläßlich der Rekonstruktion der Tat dem Angeklagten die Attrappe eines Dolches in die Hand gegeben und so eine ganz andere Waffe dargestellt, als sie tatsächlich vom Angeklagten verwendet wurde'.

Das seitens der Geschwornen inhaltlich ihres Wahrspruchs als erwiesen angenommene Verhalten des Angeklagten wurde somit rechtsrichtig dem Tatbild des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB unterstellt, weshalb dem Ersturteil auch kein Subsumtionsirrtum i. S. der Z 12 des § 345 Abs 1

StPO anhaftet.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war darum der Erfolg zu versagen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 143 StGB zu neun Jahren Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die (vier) Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das Geständnis, die vernachlässigte Jugend, den Umstand, daß die Beute fast zur Gänze sichergestellt werden konnte und die Bereitwilligkeit zur Gutmachung des (geringen) Restschadens.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes begehrt, kommt Berechtigung zu.

Der Angeklagte war nach Verbüßung seiner letzten Strafe in der Dauer von 18 Monaten - Punkt 6 der Strafregisterauskunft S 7 - am 3. Dezember 1976 auf freien Fuß gesetzt worden; er verübte die gegenständliche Straftat am 5. Dezember 1978, somit zwei Jahre später. Ein rascher Rückfall liegt daher nicht vor. Dieser Erschwerungsumstand hat deshalb zu entfallen.

Nach dem Inhalt der angeschlossenen Vorstrafakten hat bei der Verübung früherer Straftaten eine Enthemmung durch Alkohol keine Rolle gespielt. Mag der Angeklagte auch nach seinen eigenen Angaben dem Alkoholgenuß zuneigen, so kann doch im Zusammenhang mit der mittelgradigen Alkoholisierung zur Tatzeit, unter deren Einfluß er ersichtlich spontan den Entschluß zur Verübung des Delikts faßte, nicht gesagt werden, daß die durch den (die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden) Rauschzustand bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt (i. S. des § 35 StGB) durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß des berauschenden Mittels den gegebenen Umständen nach begründet; diese Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit ist ihm darum als mildernd zuzurechnen.

Ausgehend von den solcherart modifizierten Strafzumessungsgründen und der Erwägung, daß der nahezu vollständigen Schadensgutmachung - wodurch der vom Erstgericht entgegen der ständigen Judikatur (zusätzlich) angenommene Milderungsgrund der Bereitwilligkeit zur weiteren Erstattung praktisch ohnedies bedeutungslos ist - doch erheblich größeres Gewicht zukommt als jenes, das das Erstgericht diesem Umstand offenbar zuerkannt hat, erscheint die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe - auch unter Berücksichtigung der Belange der Generalprävention - überhöht. Die Strafe war daher in Stattgebung der begründeten Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.

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