Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem (auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden) angefochtenen Urteil wurde der am 24.Februar 1958
geborene (Bau-) Hilfsarbeiter Karl A (im Sinne der von den Geschwornen stimmeneinhellig bejahten anklagekonformen Hauptfrage) des Verbrechens des Mordes nach § 75
StGB schuldig erkannt, weil er am 11.Oktober 1980 in Gloggnitz Renate B dadurch vorsätzlich tötete, daß er sie würgte, mit einer Holzlatte acht- bis neunmal auf den Kopf schlug, ihr zwei oder drei Fußtritte gegen den Kehlkopf versetzte und sie sodann in den Schwarza-Fluß warf.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z. 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z. 6) rügt der Beschwerdeführer die - entgegen dem Antrag seines Verteidigers in der Hauptverhandlung (S. 363) - unterbliebene Stellung einer auf das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB gerichteten Eventualfrage an die Geschwornen darum als Verstoß gegen § 314 StPO, weil durch seine Verantwortung 'die Erfüllung der gesetzlichen Merkmale nach § 76 StGB durchaus in den näheren Bereich der Möglichkeit gerückt' worden sei; darnach habe er nämlich Renate B deshalb getötet, weil sie ihm mit einer Strafanzeige wegen eines Sittlichkeitsdelikts gedroht habe, obwohl sie sich zunächst ohne jeden Zwang in einen Geschlechtsverkehr mit ihm eingelassen gehabt habe, und weil er sich im Hinblick auf eine (bereits verbüßte) Vorstrafe wegen des Verbrechens der Notzucht angesichts der Befürchtung einer neuerlichen Verurteilung zu einer 'beträchtlichen' Freiheitsstrafe wegen einer in Wahrheit gar nicht begangenen strafbaren Handlung in einer ausweglosen Lage gesehen und vollkommen abgeschaltet habe. Die Rüge geht fehl.
Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um - als objektives Kriterium für Totschlag - 'allgemein begreiflich' zu sein, muß demnach der für das spontane Fassen des Tatentschlusses kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene Affekt des Täters zum einen tiefgreifend und zum anderen derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in dessen Situation (unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles) gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten; zwar nicht die Tat (als Ausfluß dieses Ausnahmezustandes), aber doch jedenfalls die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten, auch ihre Eignung zum Zurückdrängen verstandesmäßiger Erwägungen und zur überwindung starker sittlicher Hemmungen geeigneten Dimension, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß unterliegt rechtsethischer Bewertung und muß (auch) sittlich verständlich sein (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2, RN. 5
zu § 76 StGB; Kienapfel, Grundriß, BT I, RN. 47 bis 50; EvBl 1976/119). Die Annahme eines diesen Kriterien gerecht werdenden Gemütszustands des Beschwerdeführers war aber durch dessen Verantwortung nicht indiziert. Denn die von ihm behauptete (vgl. S. 18, 36 ff., 355 ff.) öußerung der Renate B, die er angeblich schon als (vollkommen ungerechtfertigte) Ankündigung verstand, gegen ihn Strafanzeige wegen eines Sittlichkeitsdelikts zu erstatten, erschöpfte sich seiner eigenen Schilderung nach (vgl. S. 37, 38, 335) in der Frage, 'was er mache, wenn sie ihn anzeige'; bereits deswegen in eine derart heftige Gemütsbewegung zu geraten, daß man seine Situation als 'ausweglos' betrachtet und 'komplett abschaltet' (S. 358), vermag sich ein rechtsgetreuer Durchschnittsmensch keinesfalls vorzustellen.
Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war demnach, weil das Fehlen einer allgemeinen Begreiflichkeit der (behaupteten) heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten einer Unterstellung seiner Tat unter die Bestimmung des § 76 StGB entgegenstand, auch durch die Verantwortung des Beschwerdeführers nicht indiziert (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, E.Nr. 36 bis 38 zu § 314). Eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (Z. 8) soll darin liegen, daß sie an sich 'überflüssige' sowie außerdem 'auf einem noch weitgehend abstrakten Niveau gebliebene' Erläuterungen über den Tatbestand des Totschlags enthalte, in denen das Merkmal der Heftigkeit der Gemütsbewegung und deren zeitlicher Zusammenhang mit der Tat gleich anderen - einer Wertausfüllung bedürfenden - Begriffen (normativen Charakters) nicht erörtert werde sowie eine Aufklärung der Geschwornen über das Wesen des 'gesetzlichen Tatbildes' im allgemeinen und mit Bezug auf § 76
StGB im besonderen fehle, weshalb die Geschwornen möglicherweise davon ausgegangen seien, daß diese Gesetzesstelle keinen 'eigenen Tatbestand', sondern nur einen 'namentlich angeführten Milderungsumstand bilde, der für das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB die Anwendung eines anderen (milderen) Strafsatzes bedingen würde', und daß sie durch die Bejahung der Mordfrage gleichzeitig über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 StGB zu befinden hätten.
Insoweit ist dem Beschwerdeführer lediglich zuzugeben, daß die Rechtsbelehrung tatsächlich (dementsprechend überflüssige) Darlegungen zu einem Tatbestand enthält, in Ansehung dessen ihnen (entsprechend dem zuvor Gesagten) gar keine Frage gestellt worden ist. Eben deshalb aber waren die betreffenden Ausführungen von vorneherein gänzlich ungeeignet, die Geschwornen bei der Beantwortung der (einzigen) Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes, über das allein sie abzusprechen hatten, in irgendeiner Weise zu beirren.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Geständnis und 'den Umstand, daß der Angeklagte einen geminderten Geisteszustand aufweist', als mildernd, die einschlägige Vorstrafe (gemeint wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht) dagegen als erschwerend. Auch der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe sinngemäß zutreffend festgestellt. Wenn sich der Berufungswerber gegen die Heranziehung seiner Verurteilung wegen Notzucht als besonderen Erschwerungsgrund (gemäß § 33 Z. 2 StGB) mit der Argumentation wendet, daß das nur gerechtfertigt wäre, falls dem Mord eine sexuelle Motivation zugrundeläge, eine solche aber nicht nachgewiesen sei, übersieht er, daß die Erfüllung eines der im § 71 StGB
(alternativ) umschriebenen (drei) Kriterien (für sich allein) genügt, um die - sich hier aus der Gewaltanwendung ergebende - gleiche schädliche Neigung mit Bezug auf zwei (oder mehrere) deliktische Handlungen zu bejahen.
Ferner kann von einer speziell als mildernd wirkenden Tatbegehung 'in einem (zwar nicht zur Gänze dem § 34 Z. 8 StGB zu unterstellenden, wohl aber) nicht unverständlichen Ausnahmezustand' nach Lage des Falles nicht gesprochen werden. Sogar ausgehend von dem durch den Berufungswerber in der Rechtsmittelschrift vertretenen Standpunkt, daß Mord lediglich bei Begehung 'aus einem besonders verwerflichen Beweggrund, zu einem solchen Zweck oder auf eine derartige Weise (z.B. Meuchelmord, grausame Tatausführung wie Totprügeln, Totquälen u.dgl.)' mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden sollte, hat diese gesetzliche Höchststrafe vorliegend angesichts der überaus grausamen Tatausführung, in der sich sehr wohl eine keineswegs unbedeutende Brutalität des Angeklagten manifestiert, des demgemäß hohen Unrechtsgehalts der Tat und der ihn umfassenden großen Schuld (§ 32 StGB), zu Recht Platz gegriffen.
Der Berufung war darum ebenfalls ein Erfolg zu versagen.
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