Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Vollziehung der Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Franz K*** I. des Verbrechens der Desertion nach § 9 Abs. 1 MilStG sowie II. des Verbrechens des schweren militärischen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und § 31 Abs. 2 MilStG schuldig erkannt:
Darnach ist er vom 23.Juli 1984 bis 5.September 1984 in Großmittel als Soldat seiner Truppe, nämlich der 3.Kompanie des Panzergrenadierbataillons 35, ferngeblieben und hat sich dadurch dem Dienst im Bundesheer für immer zu entziehen gesucht (I.). Des weiteren hat er anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen und zwar
1) am 18.März 1984 in Großmittel als Soldat dem Soldaten Andreas S*** 2.000 S Bargeld durch Aufbrechen eines Behältnisses, nämlich eines versperrten Spindes;
2) am 20.Juli 1984 in Wien dem Roland S*** eine Sparkasse im Wert von 200 S, Bargeld in der Höhe von 6.160 S, eine schwarze Herrengeldbörse im Wert von 100 S, ein grauschwarzes Notizbuch im Wert von 50 S, Bargeld in der Höhe von mindestens 320 S, eine Bundesheerhose im Wert von 80 S und einen kleinen Schlüssel im Wert von 10 S durch Nachsperre der Wohnungstür sowie durch Aufbrechen mehrerer Behältnisse, nämlich eines Sparschweines und eines Geldzylinders;
3) im Juni 1986 in Wien dem Andreas P*** 636 US-Dollar im Wert von 9.986 S sowie 5 Haustorschlüssel im Wert von ca 250 S
(II).
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch - der Sache nach mit Ausnahme des Punktes II. 1) - mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zu Punkt I. des Schuldspruchs (§ 9 Abs. 1 MilStG) bezeichnet er im Rahmen der Mängelrüge die Feststellung, daß er sich dem Militärdienst für immer entziehen wollte und zumindest keinen genauen Zeitpunkt einer allfälligen Rückkehr bestimmt hatte (US 5, 8) als "aktenwidrig". Damit verkennt er allerdings das Wesen einer Aktenwidrigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO, die nur vorläge, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde und dem Vernehmungsprotokoll oder der Urkunde selbst ein erheblicher Widerspruch bestünde. Statt dessen weist der Beschwerdeführer insoweit bloß auf seine - sein anfängliches Geständnis (vgl S 31, 50)
abschwächende - Verantwortung, wonach er vorerst schon nach drei oder vier Tagen wieder zum Bundesheer habe zurückkehren wollen (S 178, 201 f). Diese Aussage wird aber vom Erstgericht ohnedies nicht der bekämpften Konstatierung zugrundegelegt, sondern vielmehr auf Grund seines Verhaltens während seiner folgenden sechswöchigen Abwesenheit von der Truppe, nämlich des Annehmens von Gelegenheitsarbeiten und des unangemeldeten Wohnens bei verschiedenen Personen, ausdrücklich als widerlegt angesehen (US 8).
Rechtliche Beurteilung
Einen formellen Begründungsmangel der behaupteten oder anderer Art (Z 5) vermag er daher solcherart nicht aufzuzeigen. Es geht aber auch die Rechtsrüge (Z 10) fehl, mit welcher der Nichtigkeitswerber einen Feststellungsmangel darüber geltend macht, daß nach der Aussage des Zeugen Johannes H*** (ON 14) zum 31. Juli 1984 seine Entlassung aus dem Bundesheer zu erwarten gewesen sei; damit strebt er eine Tatbeurteilung bloß nach § 8 MilStG mit der Begründung an, es könne wegen des nur sehr kurzen Zeitraums zwischen dem Beginn seines Fernbleibens (23.Juli 1984) und seiner in Aussicht genommenen (oder sogar tatsächlich verfügten) Entlassung (31.Juli 1984) nicht gesprochen werden, daß er sich dem Dienst im Bundesheer "für immer" zu entziehen versucht habe. Die Dauer der vom Täter noch zu verrichtenden Dienstzeit hat jedoch damit, ob er sich dieser für immer zu entziehen sucht, nichts zu tun und ist demnach für den Tatbestand der Desertion ohne Belang (ÖJZ-LSK 1984/50). Die zum Schuldspruch laut Punkt II. 2) (Faktum S***) aufgestellte Behauptung einer "Aktenwidrigkeit" in bezug auf die Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei früheren Anlässen bemerkt, daß Roland S*** die (richtig: den) Schlüssel zur Wohnungstür im Briefkasten deponierte (US 6), ist neuerlich verfehlt, weil - wie bereits erwähnt - im Urteil nur der Inhalt eines Beweismittels aktenwidrig wiedergegeben, nicht aber eine Konstatierung "aktenwidrig" (Z 5) getroffen werden kann. Diese Feststellung ist aber auch nicht unvollständig oder offenbar unzureichend begründet. Das Erstgericht folgte nämlich ersichtlich (US 9) auch dabei den - in der Hauptverhandlung verlesenen (S 316) - ersten gerichtlichen Angaben des Genannten (S 40 in ON 26), welche die bemängelte Konstatierung durchaus decken und angesichts deren der Umstand, daß der Zeuge an die in Rede stehenden Vorgänge bei einer späteren, fast 1 3/4 Jahre nach der Tat erfolgten Vernehmung keine genaue Erinnerung mehr hatte (S 214, 215), im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) keiner Erörterung bedurfte.
Der in der Beschwerde vertretenen Ansicht zuwider kann ein erörterungsbedürftiger Widerspruch in den Angaben des erwähnten Zeugen auch nicht darin erblickt werden, daß dieser bei der Anzeigeerstattung erklärte, er habe an der Eingangstüre "keine Beschädigung" feststellen können (S 11 in ON 26), später aber bekundete, es sei eine "kleine Druckstelle" dagewesen (S 213). Denn S*** betonte auch bei dieser Gelegenheit, die Tür sei vom Täter aufgesperrt worden und "nicht kaputt gewesen". Vollends in eine im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinwieder verfällt der Nichtigkeitswerber mit der Behauptung, es sei "unglaubwürdig", daß dem Zeugen S*** das Fehlen seiner roten Adidas-Tasche erst nach der Anzeigeerstattung aufgefallen sei, obwohl er den Angeklagten - zu einem Zeitpunkt, als er noch keine Kenntnis von diesem Diebstahl hatte - mit einer solchen Tasche aus der Wohnung (richtig: aus dem Haus) gehen gesehen haben wolle (US 6, 9). Demnach sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, daß das Erstgericht ohnehin gerade diesen Umstand in der Urteilsbegründung ausführlich erörtert hat (US 9).
Eben daraus aber, daß Roland S*** - der eine Täterschaft anderer Personen ausschloß (S 40 in ON 26) - den Angeklagten nach der Tat mit einem Teil der Diebsbeute, nämlich der roten Adidas-Tasche das Haus verlassen sah, konnte das Erstgericht ungeachtet dessen, daß dem Zeugen dieser Umstand erst später zu Bewußtsein kam, sehr wohl zu der Überzeugung gelangen, die Tat könne nur vom Angeklagten verübt worden sein, ohne sich mit der Frage, ob auch andere Personen von der Ablage des Schlüssels im Postkasten Kenntnis hatten, befassen zu müssen. So gesehen liegt auch die insoweit behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung nicht vor.
Unzutreffend ist ferner der Einwand, daß das Erstgericht die Verantwortung des Beschwerdeführers mit Stillschweigen übergangen hätte. Bestand doch diese hinsichtlich des Faktums S*** lediglich darin, seine Anwesenheit zur Tatzeit am Tatort überhaupt zu leugnen (S 182, 204, 285); daß sich aber der Angeklagte insoweit nicht schuldig bekannte, wird im Urteil ohnedies betont (US 8). Zu Punkt II. 3) des Schuldspruchs (Faktum Andreas P***) bekämpft der Beschwerdeführer mit der Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung des von seinem Verteidiger gestellten Antrages, den Zeugen Heinz H*** zum Beweise dafür einzuvernehmen, "daß der Angeklagte nur eine Nacht beim Zeugen P*** ... und in der Folge dann beim Zeugen H*** übernachtet" habe (S 314); er wurde jedoch durch das abweisliche Zwischenerkenntnis in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt, weil dem Beweisanbot (gleichwie der Beschwerde) in keiner Weise zu entnehmen ist, inwiefern aus einer nur einmaligen Übernachtung seinerseits bei P*** im Zusammenhang damit, daß letzterer den Diebstahl erst zwei Tage nach dem Verlassen der Wohnung durch ihn bemerkte, auch nur ein Indiz gegen seine Täterschaft, geschweige denn ein Beweis für seine Schuldlosigkeit (S 314) abzuleiten sein sollte und das Erstgericht dieser Frage auch im Rahmen der Beweiswürdigung keinerlei Bedeutung beimaß (S 314 iVm US 10).
Es liegen aber auch die in bezug auf diesen Schuldspruch behaupteten Begründungsmängel nicht vor.
Insbesondere trifft es nicht zu, daß das Erstgericht die bezügliche Verantwortung des Beschwerdeführers mit völligem Stillschweigen übergangen hätte: im Urteil wird nicht nur ausdrücklich erwähnt, daß er sich insoweit formell nicht schuldig bekannte (US 8), sondern (bei der Erörterung seines zuvor relevierten Beweisantrags) auch inhaltlich auf seine hier aktuelle Verantwortung eingegangen, der zufolge er schon nach einer bei Andreas P*** verbrachten Nacht, ohne diesem etwas
weggenommen zu haben, übersiedelt sei; die Entscheidungsgründe lassen keinen Zweifel daran, daß das erkennende Gericht der Dauer seines Aufenthalts bei P*** keine Bedeutung beimaß und warum es seine den Diebstahl leugnende Verantwortung für widerlegt erachtete (US 10).
Jenen (zum Teil) spekulativen und zudem mehrfach Verfahrensergebnisse einfach übergehenden Ausführungen in der Mängelrüge schließlich, es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß sich der Angeklagte zumindest zeitweise auch allein in der Wohnung des P*** aufgehalten habe, vielmehr deutete seine Aussage darauf hin, daß er nur gemeinsam mit diesem dort gewesen sei (S 342), ist entgegenzuhalten, daß die Schlußfolgerung des Erstgerichtes über das ausschließliche Gelegenheitsverhältnis, in welchem der Angeklagte gestanden sei (S 329), nicht zuletzt durch dessen eigene Verantwortung eine eindeutige Unterstützung erfährt, indem er angab, die Wohnung zugesperrt sowie den Schlüsselbund mitgenommen zu haben und weggegangen zu sein, daß er sie ja nicht habe offenlassen können (S 306); wäre der Angeklagte auch damals in Gesellschaft des P*** gewesen, dann hätte letzterer ja die Wohnung selbst versperren können. Davon, daß die entsprechende Urteilsfeststellung durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht gedeckt wäre, kann daher keine Rede sein.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 9 Abs. 1 MilStG unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten.
Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der diebischen Angriffe sowie die Begehung strafbarer Handlungen verschiedener Art, mildernd hingegen das Geständnis in den Fakten I. und II. 1). Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht.
Die Berufung erweist sich als teilweise begründet.
Nicht berechtigt ist der Antrag auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Zwar ist dem Berufungswerber zuzugeben, daß er bei Begehung der strafbaren Handlungen in den Fakten I. sowie II. 1) und 2) das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, daß seine Erziehung vernachlässigt worden ist und daß die Diebstähle auf eine nicht auf Arbeitsscheu beruhende drückende Notlage zurückzuführen sind, sowie weiters, daß er sich im Faktum II. 1) ernstlich bemüht hat, den verursachten Schaden gutzumachen.
Von einer besonders verlockenden Gelegenheit zur Begehung der Diebstähle kann jedoch nicht gesprochen werden, da dieser Milderungsgrund nur vorläge, wenn der Verlockung auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterlegen wäre. Davon kann aber unter Berücksichtigung der Tatmodalitäten der vom Angeklagten begangenen Diebstähle nicht gesprochen werden.
Wie der Rechtsmittelwerber selbst einbekennt, hat er sich seit dem Jahr 1984 nicht wohlverhalten (siehe Faktum II. 3)). Demnach kann ihm auch der Milderungsgrund des § 34 Z 18 StGB nicht zugute kommen.
Trotz des Hinzutretens der oben angeführten weiteren Milderungsgründe besteht jedoch kein Anlaß zu einer Reduzierung des vom Schöffengericht verhängten Strafmaßes, da dieses nur geringfügig über der gesetzlichen Mindeststrafe liegt und nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs durchaus dem Verschulden des Angeklagten sowie dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Taten entspricht. Berechtigt hingegen ist das Begehren auf Gewährung bedingter Strafnachsicht. Zwar sprechen die Deliktshäufung, die Wiederholung der Diebstähle, der relativ rasche Rückfall im Faktum II. 1), die Tatbegehung im Faktum II. 3) während des anhängigen Strafverfahrens und nach Entlassung aus dreiwöchiger Untersuchungshaft sowie der grobe Vertrauensmißbrauch im zuletzt genannten Faktum gegen die Gewährung bedingter Strafnachsicht.
Auf Grund des Berichtes der Zentralstelle für Haftentlassenenhilfe, Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit vom 25.Februar 1987 ergibt sich aber, daß der Angeklagte seit seiner letzten Delinquenz (Faktum II. 3)) intensiv von der Zentralstelle betreut wird. Er spricht dort bis zu viermal pro Woche vor, erörtert seine Probleme, zeigt sich kooperativ und bemüht sich sehr, einen geregelten Arbeitsplatz und eine Wohnung zu finden. Er wird seit Dezember 1986 als Lagerarbeiter umgeschult, wobei er echtes Interesse zeigt und gute Erfolge aufweist. Aus diesen Gründen wird in dem erwähnten Schreiben die Prognose, ihn nach dem Kurs in der Lagerarbeiterbranche unterzubringen, sehr günstig eingeschätzt, da er bei der bisherigen Arbeitssuche sehr beharrlich war und ein sympathisches Auftreten hat; nach Ansicht der Zentralstelle für Haftentlassene würde eine intensive Weiterbetreuung, der weitere Ausbau seiner Sozialkontakte und die rasche Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses die gesellschaftliche Wiedereingliederung des Berufungswerbers mit großer Wahrscheinlichkeit ermöglichen und somit die Voraussetzungen für weitere Straffreiheit des Genannten darstellen.
Unter sorgfältiger Würdigung dieser - im Berufungsverfahren neu vorgebrachten und durch das mehrfach erwähnte Schreiben bescheinigten - Umstände vermeint der Oberste Gerichtshof, daß deshalb in diesem besonders gelagerten Fall - bei dem generalpräventive Erwägungen weitgehend in den Hintergrund treten - doch noch angenommen werden kann, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um Franz K*** von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten und demnach zweckmäßiger ist als der sofortige Vollzug der Strafe. Als "andere Maßnahmen" im Sinn des § 43 Abs. 1 StGB kommen vorliegend die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Erteilung geeigneter Weisungen vor allem mit Bezug auf die derzeitige berufliche Umschulung in Betracht. Die Anordnung dieser Maßnahmen muß dem Erstgericht vorbehalten bleiben (Mayerhofer-Rieder StPO 2 , E Nr 2 zu § 494 ua).
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