Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Berufung der Finanzstrafbehörde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Friedhofsgärtnerin Stefanie A von der Anklage, vom Oktober 1978 bis 31.Oktober 1980 in Wien unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch die Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen eine Abgabenverkürzung im Ausmaß von insgesamt 637.378 S bewirkt und demgemäß das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG. begangen zu haben, gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen.
Das Schöffengericht verneinte zwar einen deliktischen Vorsatz der Angeklagten, warf ihr aber als fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 34 Abs 1 FinStrG. vor, daß sie die ihr als Firmeninhaberin bei der Abgabe von Steuererklärungen obliegende Sorgfaltspflicht insoferne vernachlässigt hatte, als sie diesen von ihrem ehemaligen Gatten Johann A durch Unterdrücken von Belegen vorsätzlich verfälschte Betriebsergebnisse zu Grunde legte, obwohl die Unrichtigkeit dieser Angaben für sie bei Aufwendung der entsprechenden Aufmerksamkeit und bei einer ihr nach Lage des Falles zumutbaren überprüfung und überwachung ihres vormaligen Ehemannes erkennbar war. Der Freispruch wurde darauf gegründet, daß im vorliegenden Fall alle Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben seien.
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie davon ausgeht, daß sich die gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 53 Abs 4 FinStrG.
vorliegend daraus ergebe, daß Stefanie A im Hinblick auf ihre Steuerpflicht als unmittelbare Täterin der Abgabenverkürzung und ihr Gatte Johann A als vorsätzlich an der Tat Beteiligter anzusehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde, welche eine mangelnde Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) der angenommenen fahrlässigen Abgabenverkürzung bestreitet, ist an sich im Recht.
Voraussetzung für die Anwendung des (sachlichen) Strafausschließungsgrundes des § 42 StGB ist nämlich unter anderem, daß entweder keine oder nur unbedeutende Tatfolgen eingetreten sind (§ 42 Abs 1 Z 2 StGB; § 25 Abs 3 FinStrG.). Davon kann aber, wie die Rechtsrüge zutreffend ausführt, bei einer Abgabenverkürzung von mehr als 600.000 S - die sogar beträchtlich über dem höchsten der (hier allerdings mangels Vorsatzes unaktuellen) die gerichtliche Strafbarkeit begründenden Wertbeträge des § 53
FinStrG. liegt - nicht im entferntesten die Rede sein. Weitere (in der Rechtsrüge angestellte) überlegungen, ob auch sonstige Voraussetzungen des § 42 StGB nicht vorliegen, sind, weil alle bei dessen Anwendung (kumulativ) gegeben sein müssen, entbehrlich.
Dennoch kann eine meritorische Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof noch nicht eintreten.
Die Annahme gerichtlicher Zuständigkeit einer von der Angeklagten begangenen fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs 1 FinStrG. setzt nämlich, weil auf ihre Tat keine der Voraussetzungen des § 53 Abs 1 bis 3
FinStrG. zutrifft, im vorliegenden Fall voraus, daß (1.) Johann A als 'vorsätzlich an ihrer Tat Beteiligter' anzusehen und (2.) seine Tat nach § 53 Abs 1 bis 3 FinStrG. gerichtlich strafbar ist.
Die erste Voraussetzung kann zwar auch dann bejaht werden, wenn die Angeklagte nur das Finanzvergehen nach § 34 Abs 1 FinStrG., Johann A dagegen jenes nach § 33 Abs 1 FinStrG. zu verantworten hat, weil es nicht auf eine Beteiligung am selben Delikte (Finanzvergehen), sondern an derselben Tat (: Abgabenverkürzung) ankommt (§ 53 Abs 4 FinStrG.).
Die Frage aber, ob die von Johann A begangene Tat ihrerseits nach § 53 Abs 1 bis 3 FinStrG. gerichtlich strafbar ist, worüber das angefochtene Urteil keine Feststellungen enthält, ist im vorliegenden Verfahren ohne formelle Bindung an eine gegen Johann A ergangene Entscheidung selbständig zu prüfen. Geht es dabei doch nicht um eine Frage der prozessualen (sachlichen, funktionellen oder örtlichen) Kompetenz, sondern um die gerichtliche Strafbarkeit des betreffenden Delikts überhaupt, also um eine Frage des materiellen Rechts (s. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch E. 16 zu § 53 FinStrG.), bezüglich jener Tat, an der die Angeklagte - obgleich nur fahrlässig handelnd - beteiligt war (s. § 11, 12 FinStrG.). Dabei hindert der Umstand, daß die Angeklagte (als Abgabenpflichtige) nur fahrlässig eine Abgabenverkürzung bewirkt hat, nicht die Annahme, daß ihr Gatte (sei es in Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten, oder sonstwie) daran vorsätzlich beteiligt (§ 11 FinStrG.) und gemäß dieser seiner Schuld (§ 12 FinStrG.) nach § 33 Abs 1 FinStrG. zu bestrafen war. Zur Bejahung der gerichtlichen Zuständigkeit fehlt es allerdings - wie bereits erwähnt - im vorliegenden Fall an ausreichenden Feststellungen im Ersturteil, weshalb dieses zur Verfahrenserneuerung durch die Tatsacheninstanz aufzuheben war. Dem in der Gegenausführung erhobenen Einwand, daß durch die Malversationen des Johann A eine Minderung der die Angeklagte treffenden Steuerpflicht eingetreten sei, steht die Bindung des Gerichts an die rechtskräftige endgültige Abgabenfestsetzung und die sich daraus ergebende Abgabenverkürzung entgegen (SSt. 48/36); die Behauptung aber, daß die Angeklagte (nur) den (in Art. II FinStrG. gar nicht genannten) Tatbestand des § 286 StGB
verwirklicht habe und insoweit nach Abs 2 Z 1 dieser Bestimmung straflos sei, ist allein schon deswegen unzutreffend, weil nach § 286 StGB nur derjenige strafbar ist, der, ohne zu der Vorsatztat eines anderen beizutragen, deren Verwirklichung und damit deren Erfolg durch vorsätzliches Nichthindern will (ÖJZ-LSK. 1983/112). Gegen den Freispruch hat aber auch die gemäß § 200 FinStrG. einschreitende Finanzstrafbehörde gestützt auf § 294 Abs 1 StPO Berufung angemeldet. Diese Berufungsanmeldung enthält keine Bezeichnung der Berufungspunkte, eine Ausführung des Rechtsmittels unterblieb in der Folge.
Sie war schon deshalb zurückzuweisen, weil dieses Rechtsmittel gegen einen Freispruch im Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 283 StPO).
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