OGH 10ObS89/95

OGH10ObS89/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Liedlbauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Getrude S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Arnulf Summer und Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Februar 1995, GZ 5 Rs 6/95-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6.Oktober 1994, GZ 34 Cgs 60/94x-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit 1.10.1989 eine

Alterspension, die nie die Höhe des für sie geltenden Richtsatzes

nach § 293 Abs 1 lit a sublit b ASVG erreichte, Ihr

alleinschuldig geschiedener Ehegatte verpflichtete sich in einem

gerichtlichen Vergleich vom 8.6.1967, ihr ab 1.7.1967 einen

monatlichen Unterhaltsbetrag von 900 S ....... zu zahlen, und zwar in

jedem Falle, auch bei geänderten Verhältnissen. Der letzte Halbsatz ist (nach der Absicht der Vergleichsparteien) so auszulegen, daß die Unterhaltsberechtigte mit dem Betrag von 900 S nach unten abgesichert sein sollte, also zumindest diesen Betrag "in jedem Falle" erhält. Er schließt jedoch die Geltendmachung eines höheren Unterhaltsbetrages im Falle der Veränderung der Verhältnisse auf seiten des geschiedenen Ehegatten zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten nicht aus; insofern enthält der Unterhaltsvergleich keinen Verzicht. Die Klägerin hat den verglichenen Unterhaltsbetrag erhalten und vom Unterhaltspflichtigen, dessen Nettoeinkommen nicht nachgewiesen wurde, nie mehr gefordert. Die Klägerin hat keine weiteren Einkünfte. Ihre Alterspension zuzüglich 25 vH des Dreißigfachen der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung lag seit 1.10.1989 immer über dem für sie geltenden Richtsatz.

Mit Bescheid vom 1.2.1994 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 8.9.1989 auf Ausgleichszulage ab. Die Pension und der (gemäß § 294 ASVG) pauschal zu berücksichtigende Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten überstiegen den Richtsatz.

Dieser Bescheid ist durch die innerhalb der Frist von drei Monaten ab

seiner Zustellung (§ 67 Abs 2 ASGG) erhobenen Klage zur Gänze

außer Kraft getreten (§ 71 Abs 1 leg cit). Ihr iS des § 82 Abs

1 bis 4 ASGG hinreichend bestimmtes Begehren richtet sich auf eine

Ausgleichszulage (zur Alterspension) ab 8.9.1989 im Ausmaß der

Differenz zwischen der Pension zuzüglich eines Unterhaltsbeitrages

von 900 S und dem jeweiligen Richtsatz. Es stützt sich darauf, daß

sich der alleinschuldig geschiedene Ehegatte in dem erwähnten

Vergleich verpflichtet habe, der Klägerin auch im Falle geänderter

Verhältnisse (nur) einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 900 S zu

zahlen. Damit habe die Klägerin auf einen höheren Unterhaltsanspruch

verzichtet. Wegen dieses Teilverzichtes dürfe nach § 294 Abs 5

ASVG nur dieser Unterhaltsbetrag angerechnet werden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der

Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den geschiedenen Ehegatten sei

nach § 294 Abs 1 lit b ASVG dadurch zu berücksichtigen, daß der

Pension 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens des

Unterhaltspflichtigen zuzurechnen seien. Da dieses Nettoeinkommen

nicht nachgewiesen worden sei, sei nach Abs 3 leg cit anzunehmen,

daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 vH des

Dreißigfachen der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage in der

Pensionsversicherung betrage. Die Pension zuzüglich des gemäß § 294

ASVG zu berücksichtigenden Betrages sei höher als der Richtsatz.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der erst seit 1.7.1993

geltende § 294 Abs 5 ASVG sei nicht anwendbar, weil die Klägerin

im Vergleich vom 8.6.1967 nicht auf einen höheren Unterhalt

verzichtet habe. Da auch die im zweiten Satz des Abs 3 leg cit

genannten Voraussetzungen nicht vorlägen, sei der Unterhaltsanspruch

der Klägerin gegen den geschiedenen Ehegatten nach § 294 Abs 1 iVm

Abs 3 Satz 1 ASVG zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es führte zur seit dem 1.7.1993 geltenden Rechtslage im wesentlichen aus: Die jeder Unterhaltsvereinbarung stillschweigend innewohnende Umstandsklausel sei nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung der beiderseitigen Verhältnisse verzichtet hätten. Dies sei beim Unterhaltsvergleich vom 8.6.1967 nicht der Fall, dessen Wortlaut die vom Erstgericht gewählte Interpretation zulasse, daß nur eine Herabsetzung ausgeschlossen werden sollte. Selbst wenn im abschließenden Halbsatz dieser Unterhaltsvereinbarung ein Verzicht auf die Geltendmachung der Umstandsklausel zu erblicken wäre, wäre damit nicht jede Änderung des Unterhaltsvergleiches ausgeschlossen. Das Beharren auf einem solchen Verzicht sei nämlich sittenwidrig, wenn sich die Verhältnisse derart geändert haben, daß dem Unterhalsberechtigten wegen der Änderung die Existenzgrundlage entzogen wäre. Das treffe zu, wenn die Klägerin derzeit von einem Unterhaltsbeitrag von 900 S und ihrer Pension von rund 4.800 S legen müßte. Welcher Unterhaltsbeitrag des geschiedenen Ehegatten nach seinen heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen bei Übertragung der Vergleichsgrundsätze angemessen wäre, könnte nur beurteilt werden, wenn die damaligen und heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt wären. Dazu habe die Klägerin weder etwas vorgebracht, noch Beweise angeboten. Daher sei in analoger Anwendung des § 294 Abs 3 ASVG von einem Unterhaltsanspruch in der in dieser Gesetzesstelle normierten Höhe auszugehen. Ein teilweiser Unterhaltsverzicht der Klägerin, der für die Zeit ab 1.7.1993 dazu führen würde, daß die noch bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht die Höhe des Differenzbetrages zwischen der Pension und dem Richtsatz erreiche, liege nicht vor. Daher habe die Klägerin auch unter Berücksichtigung des § 294 Abs 5 ASVG keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.

In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend; sie beantragt, die Urteile der Vorinstanzen ab 1.7.1993 im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben. Aus dem Hauptantrag und den Ausführungen des Revisionsgrundes ergibt sich eindeutig, daß die Revisionserklärung, das Berufungsurteil werde seinem gesamten Inhalt nach angefochten, einschränkend zu verstehen ist: Das Berufungsurteil blieb insoweit unangefochten, als das Klagebegehren für die Zeit vom 8.9.1989 bis 30.6.1993 abgewiesen wurde (SZ 6/407; EFSlg 18.569 ua; Kodek in Rechberger, ZPO § 506 Rz 1).

Die Beklagte verzichtete auf die Beantwortung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG idF ASGGNov 1994

auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig;

sie ist jedoch nicht berechtigt.

Nach dem durch Art I Z 128 der 51. ASVGNov BGBl 1993/335 dem §

294 ASVG angefügten, seit 1.7.1993 geltenden Abs 5 erfolgt eine

Anrechnung nach Abs 1 (leg cit) nicht, wenn die Ehe aus dem

Verschulden des anderen Ehegatten geschieden wurde, eine

Unterhaltsleistung aus dieser Scheidung auf Grund eines Unterhaltsverzichtes nicht erbracht wird und dieser Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben wurde.

Die RV 932 BlgNR 18. GP 52 führt zu diesem neuen Absatz aus, ein Unterhaltsverzicht bei Scheidung aus Verschulden solle, wenn der Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben wurde, nicht die Höhe der Ausgleichszulage beeinflussen.

Choholka ua, Änderungen im Sozialversicherungsrecht SozSi 1993, 275 (292) meinen, eine Unterhaltsanrechnung bei geschiedenen Ehen erfolge nicht, wenn die Ehe aus dem Verschulden des anderen Ehegatten geschieden worden sei, eine Unterhaltsleistung aus dieser Scheidung nicht erbracht werde und dieser Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben worden sei.

Ivansits, Die 51. Novelle zum ASVG DRdA 1993, 196 (202) bemerkt,

die Pauschalanrechnung des gesetzlichen Unterhaltes bei der

Ausgleichszulage habe für Geschiedene in der Vergangenheit in Fällen

zu sozialen Härten geführt, in denen zum Zweck der Bereinigung

sämtlicher Scheidungsfolgen Jahre vor dem Pensionsstichtag anläßlich

einer unverschuldeten Scheidung ein Unterhaltsverzicht abgegeben

wurde. Die Anrechnung habe nunmehr zu unterbleiben, wenn die Ehe aus

dem Verschulden des anderen Ehegatten geschieden worden und der

Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben worden sei.

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 294 Abs 5

ASVG nicht gegeben: Die Klägerin hat auf ihren gesetzlichen

Unterhaltsanspruch gegen den alleinschuldig geschiedenen Ehegatten

nicht verzichtet. Von diesem wird weiterhin die nach dem

Unterhaltsvergleich vom 8.6.1967 geschuldete Unterhaltsleistung

erbracht. Bei geänderten Verhältnissen könnte die Klägerin sogar

einen höheren Unterhaltsbetrag geltend machen. Sie hat somit auch für

die Zeit ab 1.7.1993 wegen der nach § 294 Abs 1 iVm Abs 3 ASVG

zu berücksichtigenden Ansprüche keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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