OGH 10ObS8/98v

OGH10ObS8/98v20.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Werner Hartmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Erwin Macho (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in den verbundenen Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Ruza I*****, Hausfrau, 2. mj. Mato I*****, 3. mj. Peta I***** (2. und 3. vertreten durch ihre Mutter zu 1.) und 4. Ljubica I*****, Verkehrstechnikerin, alle wohnhaft in ***** Kroatien, alle vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Hinterbliebenenleistungen (zu 1. Witwenrente und Teilersatz von Bestattungskosten, zu 2. bis 4. Waisenrenten), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.September 1997, GZ 7 Rs 28/97k-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30. Oktober 1996, GZ 32 Cgs 98/95s-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Nach Ansicht der Revisionswerberin sei das Überqueren der Straße zum Unfallzeitpunkt in keinem Zusammenhang mit dem regelmäßig sonst benützten, nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG geschützten Heimweg, sondern allein mit dem nicht mehr mit Sicherheit aufkärbaren Moment des Hinauflaufens auf eine Böschung gestanden. Nach Abweichen vom üblichen Weg vom Ort der Tätigkeit bei nicht feststellbarem Grund für das Verlassen dieses Weges bestehe kein Versicherungsschutz. Dieser Grundsatz müsse um so mehr im gegenständlichen Fall gelten, als der Anschein dafür spreche, daß sich der Verunglückte noch auf einem eigenwirtschaftlichen Um- oder Abweg (von einem Gasthausbesuch) befunden habe.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Es trifft zu, daß der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, daß die wegen einer privaten Besorgung notwendige - räumliche - Unterbrechung des Weges erst beginnt und der Versicherungsschutz verloren geht, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum verlassen hat. Dafür spricht schon die Verkehrsauffassung, nach der der gesamte öffentliche Verkehrsraum als Teil des Weges angesehen wird, den jemand zurücklegt. Es muß dabei dem Versicherten überlassen werden, in welchem Bereich des öffentlichen Verkehrsraumes er sich bewegt. Überdies wird es manchmal nicht feststellbar und meist zumindest nicht verläßlich überprüfbar sein, in welcher Absicht der Versicherte gerade diejenige Teilfläche des öffentlichen Verkehrsraumes benützte, auf der sich der Unfall ereignete; dies spricht dafür, den gesamten öffentlichen Verkehrsraum für die Frage des Versicherungsschutzes als Einheit zu behandeln (SSV-NF 5/116; ebenso 9.9.1997, 10 ObS 253/97x). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSGE 20, 219 ua) sowie der dazu in Deutschland entwickelten Lehre (siehe dazu die Zitate in SSV-NF 5/116). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ereignete sich der Unfall im Bereich einer öffentlichen Straße, die die dortige Klägerin überquerte, um auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Einkauf zu besorgen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die gesetzliche Unfallversicherung dem Versicherten grundsätzlich ein bestimmtes Maß an räumlicher Bewegungsfreiheit einräumt, ohne daß er negative versicherungsrechtliche Auswirkungen befürchten muß. Sie überläßt es ihm, in welchem Bereich des öffentlichen Verkehrsraums, in dem er seinen Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit zurücklegt, er sich bewegen will, ob er also etwa von einem Gehsteig zum anderen ein- oder mehrmals hinüberwechselt und dabei die Fahrbahn überquert. Der Versicherungsschutz bleibt von solchen Seitenwechseln unberührt (BSG 1.7.1996, NZS 1997, 84 mwN).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

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