OGH 10ObS85/95

OGH10ObS85/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Liedlbauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga Z*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Jänner 1995, GZ 8 Rs 76/94-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16.Februar 1994, GZ 21 Cgs 294/93w-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.054,08 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 675,68 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, daß die Klägerin die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG erfüllt, ist zutreffend (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen der beklagten Partei folgendes entgegenzuhalten:

Wohl entspricht es durchaus der Lebenserfahrung, daß Berufstätige, die - wie die Klägerin - ihren Beruf längere Zeit nicht ausgeübt haben, später nur mehr in geringer eingestuften Berufstätigkeiten eingesetzt werden, also gleichsam "von vorn beginnen" müssen. Dies kann bei der Frage der Zumutbarkeit eines sozialen Abstiegs nicht unberücksichtigt bleiben, weil es nicht gerechtfertigt wäre, für den Pensionsanspruch jene Behandlung außer Betracht zu lassen, die dem Versicherten im Berufsleben tatsächlich zuteil würde (10 Ob S 83/91 = ARD 4292/21/91 = SVSlg 38.439). Stand ein Versicherter jahrelang vor dem Stichtag nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, dann ist bei der Prüfung der Verweisbarkeit der soziale Wert wesentlich, den die Kenntnisse und Fähigkeiten, die bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtages haben (SSV-NF 3/108). Da die Klägerin zuletzt 1984 als Büroangestellte in einem KFZ-Betrieb erwerbstätig und dort in der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs eingestuft war (Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen), und mit dieser damaligen Tätigkeit keine EDV-Kenntnisse verbunden waren, so stellt sich der soziale Wert jener Kenntnisse und Fähigkeiten in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtages (1.1.1993) insofern als geringer dar, als nunmehr die meisten Büroberufe der Beschäftigungsgruppe 3 bildschirmunterstützt verrichtet werden. Daraus ist aber entgegen den Revisionsausführungen nicht abzuleiten, daß die Klägerin auf einfache Hilfsarbeiten verwiesen werden kann, wie sie Hilfskräfte in Büro, Werkstätte, Registratur, Magazin, Lager und Versand ausüben: Bei Prüfung der Verweisbarkeit eines Angestellten nach § 273 ASVG haben nämlich Arbeitertätigkeiten außer Betracht zu bleiben, weil der Versicherte nicht auf eine Tätigkeit verwiesen werden darf, durch die er den Berufsschutz nach § 273 ASVG verlieren würde (SSV-NF 4/101; 3/123 ua). Die von der Revisionswerberin bezeichneten Hilfskräfte üben aber keine Tätigkeiten im Sinne des § 1 AngG aus, sondern solche, die nach ihren eigenen Worten nur "einfache Hilfsarbeiten" darstellen.

Was die berufliche Fortbildung oder Nachschulung der Klägerin - Einschulung in der Bildschirmarbeit an EDV-Geräten - betrifft, so wäre eine solche Maßnahme nach den Feststellungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos, weil die Klägerin aus medizinischen (psychiatrischen) Gründen nicht ausreichend motivierbar ist. Es trifft also nicht zu, daß sie den erforderlichen Willen aufbringen könnte. Ob diese Feststellung richtig ist, betrifft eine Frage der im Revisionsverfahren nicht überprüfbaren Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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