OGH 10ObS78/99i

OGH10ObS78/99i29.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR DI Gustav Poinstingel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Anton F*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Herbert Hüttner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kostenersatz, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. März 1996, GZ 8 Rs 9/96f-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. September 1995, GZ 32 Cgs 237/94f-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.698,88 (darin enthalten S 1.116,48 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beim Kläger wurde im September 1994 eine Zahnsanierung im Unterkiefer vorgenommen. Aufgrund der zahnärztlichen Beratung entschloß sich der Kläger für einen festsitzenden Zahnersatz. Es wurde ihm eine 15-stellige Brückenkonstruktion eingesetzt, die mit zwei Freiendgliedern für die beiden rechten unteren Mahlzähne und dem Ersatz der vier Frontzähne sowie dem Ersatz der beiden linken unteren Backenzähne und anschließenden Mahlzähne bis zum unteren Weisheitszahn reicht. Die Brücke ist in Aufbrennprozellantechnik hergestellt, die Frontzähne mit leichten Unregelmäßigkeiten entsprechend den oberen Frontzähnen gestaltet und im Bereich der Schneidekanten eingefärbt. Die Brücke macht im gesamten einen stabilen Eindruck und weist keine Lockerung auf. Die Okklusion (Zahnreihenschluß) und der Seitschub sind ausreichend. Die Brücke ist rechts auf den beiden Backenzähnen und dem anschließenden Eckzahn, links am Eckzahn und dem Weisheitszahn fixiert; letzterer ist aufgrund seines Zustandes für die Brückenkonstruktion durchaus verwendbar. Nach der derzeitigen Lehrmeinung aller Universitätskliniken Österreichs ist die beim Kläger eingegliederte Brückenkonstruktion insofern als riskant zu beurteilen, als einerseits im Bereich der beiden unteren devitalen Backenzähne keine gegossenen Aufbauten als Unterbau verwendet wurden, andererseits die zwei rechts nach hinten freitragenden und in voller Mahlzahnform gestalteten Brückenfreiendglieder als Schwachpunkt im Hinblick auf einen Abbruch entweder des aufgebrannten Porzellans oder aber der Gesamtkonstruktion gelten können. Es ist nach klinischer Lehrmeinung weiter riskant, den Weisheitszahn, wie im vorliegenden Fall als alleinigen hinteren Kronenpfeiler zu verwenden. Auch das Verhältnis der Wurzeloberfläche der Pfeilerzähne zur Wurzeloberfläche der ersetzten Zähne erscheint bedenklich. Die gewählte Konstruktion ist in plumper Form gefertigt und weist eine relativ hohe Stabilität auf, die Brückenpfeiler sind röntgenologisch einwandfrei, sodaß keine Gegenindikation besteht. Trotz der Vorbehalte der Lehrmeinung ergibt die praktische Erfahrung, daß bei entsprechender Stabilität des gegossenen metallischen Grundgerüstes einer Brücke auch 14 bis 15-stellige Konstruktionen die erwartete Haltbarkeitsdauer erreichen. Der Kläger verspürte weder bei der Anfertigung noch danach irgendwelche Beschwerden im Bereich der Brücke. Das Kauen ist völlig normal möglich, die Zahnfleischpflege ohne Probleme, der kosmetische Erfolg zufriedenstellend. Es ist anzunehmen, daß die Konstruktion beim Kläger eine Haltbarkeitsdauer von rund 6 bis 8 Jahren erreichen wird.

Die Gebißsanierung war beim Kläger medizinisch notwendig. Es wäre aber auch eine Lösung in Form eines abnehmbaren Zahnersatzes möglich gewesen.

Wäre eine abnehmbare Konstruktion gewählt worden, wären mit Sicherheit keine medizinischen oder statischen Bedenken vorgelegen, da eine solche Konstruktion jederzeit ergänzbar und austauschbar ist; dies ist jetzt nicht mehr möglich.

Hätte sich der Kläger einen abnehmbaren Zahnersatz anfertigen lassen, hätte die beklagte Partei folgende Leistungen (Tarif 1994) erbracht.

Metallgerüstprothese S 9.090,--

4 Vollmetallkronen a S 5.500,-- S 22.000,--

10 Zähne a S 138,-- S 1.380,--

S 32.470,---

Dem Kläger wurde vom behandelnden Zahnarzt für die Zahnsanierung im Unterkiefer ein Betrag von S 102.340,80 inklusive 20 % Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Diesen Betrag hat der Kläger am 20. 9. 1994 bezahlt.

Die beklagte Partei hat mit Ausnahme des tarifmäßigen Kostenersatzes für die konservierende Zahnbehandlung in Höhe von S 2.784,-- an den Kläger keine Zahlungen geleistet.

Mit Bescheid vom 25. 10. 1994 lehnte die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter den Antrag des Klägers auf Ersatz der Kosten des Zahnersatzes mit der Begründung ab, daß die Brücke Anlaß zu statischen bzw medizinischen Bedenken gebe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zu einer Ersatzleistung von S 21.000,-- zu verpflichten. Medizinische oder statische Bedenken bestünden nicht, die Brücke sei sehr massiv, und es sei eine Lebensdauer von 8 bis 10 Jahren zu erwarten. Da pro Zahn eine Ersatzleistung von zumindest S 1.400,-- erbracht werde, bestehe Anspruch zumindest auf einen Betrag von S 21.000,--. Unabhängig von allfälligen Bedenken gegen die Porzellanbrücke habe die beklagte Partei jedoch gemäß § 69 Abs 2 iVm Abs 6 B-KUVG die Kosten der Beschaffung des unentbehrlichen Zahnersatzes in der Höhe des Betrages zu ersetzen, der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners aufzuwenden gewesen wäre; sie müsse daher jedenfalls für den Ersatz von 15 Zähnen a S 1.000,-- aufkommen, sodaß das Begehren zumindest in dieser Höhe gerechtfertigt sei.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Brücke gebe zu statischen und medizinischen Bedenken Anlaß, überdies handle es sich um eine Freiendbrücke, sodaß gemäß Punkt 33 Abs 2 der Krankenordnung der beklagten Partei Kosten hiefür nicht zu übernehmen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (abgesehen von der - unangefochten gebliebenen - Abweisung des Zinsenbegehrens) statt. Da die Brückenkonstruktion mit Risikofaktoren behaftet sei, komme eine Ersatzleistung nach Punkt 33 Abs 2 der Krankenordnung der beklagten Partei nicht in Frage. Die beklagte Partei sei jedoch gemäß § 69 Abs 2 B-KUVG verpflichtet, dem Kläger den unentbehrlichen Zahnersatz zu gewähren, wobei im Fall der Inanspruchnahme eines Nichtvertragspartners der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners aufzuwendende Betrag gebühre. Unbestritten sei, daß die Gebißsanierung beim Kläger notwendig gewesen sei. Die beklagte Partei wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, dem Kläger zu den Kosten eines abnehmbaren Zahnersatzes einen Zuschuß von S 32.470,-- zuzüglich 20 % USt und abzüglich 20 % Behandlungsbeitrag zu gewähren. Da das Klagebegehren in diesem Betrag Deckung finde, sei es in vollem Umfang berechtigt.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab. Gemäß § 69 Abs 2 B-KUVG habe die beklagte Partei nur den unentbehrlichen Zahnersatz zu gewähren, dementsprechend nur Leistungen zu erbringen, die zur Erreichung des angestrebten Zieles zweckmäßig seien. Dies sei bei Leistungen des Zahnersatzes dann der Fall, wenn sie geeignet seien, die durch das Fehlen von Zähnen beeinträchtigten Funktionen des Kauens, Beißens und Sprechens wiederherzustellen; es müsse sich um für diese Zwecke wirksame Maßnahmen handeln. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Brückenkonstruktion im Unterkiefer des Klägers aus verschiedenen Gründen nicht dem von der herrschenden Lehre geforderten Standard entspreche und daher bedenklich und riskant sei. Ein Anspruch gemäß Punkt 33 der Krankenordnung scheide daher aus. Auf § 69 Abs 6 B-KUVG könne der Anspruch nicht gegründet werden, weil diese Bestimmung nur eine Regelung für den Fall der Inanspruchnahme eines Nichtvertragsarztes treffe, jedoch keinen eigenständigen Leistungsanspruch schaffe. Ein Bereicherungsanspruch scheide aus, weil Leistungen gegen den Versicherungsträger nur im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses geltend gemacht werden könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.

Die beklagte Partei hat sich zur Begründung ihres Antrages auf Abweisung der Klage auf die Bestimmung des Punktes 33 der Krankenordnung in der zum Zeitpunkt der Erbringung der strittigen Leistung geltenden Fassung berufen. Diese Bestimmung legte fest, für welche Leistungen des Zahnersatzes die beklagte Partei Zuschüsse leistet, und welchen Erfordernissen der Zahnersatz entsprechen muß, damit hiefür eine Leistung der Krankenversicherung erbracht wird. Da der erkennende Senat gegen diese hier anzuwendende Bestimmung aus dem Grunde der fehlenden gesetzlichen Deckung Bedenken hatte, stellte er mit Beschluß vom 1. 12. 1998, 10 ObS 380/98z, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag, gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, daß Punkt 33 und der Anhang zu Punkt 33 der Krankenordnung der beklagten Partei in der maßgeblichen Fassung vor ihrer 20. Änderung gesetzwidrig waren. Mit Erkenntnis vom 27. 2. 1999, V 102/98-7, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß Punkt 33 der Krankenordnung der beklagten Partei, kundgemacht in der Zeitschrift Soziale Sicherheit 1978, Amtliche Verlautbarungen Nr 13/1978 und Nr 14/1978, samt seinem Anhang idF der Amtlichen Verlautbarung Nr 37/1988, Soziale Sicherheit 1988, gesetzwidrig war. Zur Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß weder § 456 Abs 1 ASVG noch eine Vorschrift im B-KUVG als ausreichende gesetzliche Deckung des angefochtenen Punktes 33 der Krankenordnung der beklagten Partei samt seinem Anhang herangezogen werden könnte. Auch die Vorschrift des § 69 B-KUVG, welche Zahnbehandlung und Zahnersatz zum Gegenstand habe, ermächtige nicht die Krankenordnung zu einer Regelung der getroffenen Art, sondern - was hier aber nicht näher zu prüfen sei - allenfalls die Satzung, welche aber gemäß § 144 Abs 1 Z 4 B-KUVG von der Generalversammlung zu beschließen sei. Die angefochtene Verordnungsregelung entbehre somit der gesetzlichen Deckung.

Es ist daher die von der beklagten Partei zur Begründung ihres Antrages auf Abweisung der Klage herangezogene Bestimmung des Punktes 33 Abs 2 der Krankenordnung bzw des Anhanges hiezu und des darin vorgesehenen Leistungsausschlusses für bestimmte Arten des Zahnersatzes auf den vorliegenden Anlaßfall nicht mehr anzuwenden (Art 139 Abs 6 B-VG). Zur Prüfung der Berechtigung des Kostenersatzbegehrens des Klägers verbleibt somit die gesetzliche Bestimmung des § 69 B-KUVG. Nach Abs 1 erster Satz dieser Bestimmung ist die Zahnbehandlung nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren. Nach Abs 2 hat die Versicherungsanstalt den unentbehrlichen Zahnersatz zu gewähren. Nach Abs 3 erster Satz werden Zahnbehandlung und Zahnersatz als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte, nach den Bestimmungen des Dentistengesetzes, BGBl Nr 90/1949, auch durch Vertragsdentisten oder durch Wahldentisten oder durch Ärzte bzw Dentisten in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen der Versicherungsanstalt oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Nach Abs 5 erster Satz hat der Versicherte bei der Inanspruchnahme der Zahnbehandlung (der Gewährung des Zahnersatzes) als Sachleistung einen Behandlungsbeitrag zu entrichten. Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 128) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsanstalt zur Erbringung der Sachleistung der Zahnbehandlung (des Zahnersatzes) in Anspruch, so gebührt ihm nach Abs 6 der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Zahnbehandlung (der anderweitigen Beschaffung eines unentbehrlichen Zahnersatzes) in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre. § 59 ist entsprechend anzuwenden.

Beim unentbehrlichen Zahnersatz handelt es sich um eine Pflichtleistung des Krankenversicherungsträgers (SSV-NF 6/114; 4/163 ua). Was unter einem "unentbehrlichen" Zahnersatz zu verstehen ist, ist im B-KUVG nicht näher geregelt. Nach § 50 Abs 3 der in den Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit Nr 70/1975 kundgemachten Satzung der beklagten Partei ist der unentbehrliche Zahnersatz jener Zahnersatz, der notwendig ist, um eine Gesundheitsstörung (insbesondere Schädigung der Verdauungsorgane) oder eine wesentliche Störung der Berufsfähigkeit hintanzuhalten, einschließlich der notwendigen Reparaturen. Die in der in den Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit Nr 112/1995 kundgemachten geänderten Satzung der beklagten Partei enthaltene Begriffsdefinition des "unentbehrlichen Zahnersatzes" als der Zahnersatz, der notwendig ist, um eine Gesundheitsstörung zu vermeiden oder zu beseitigen, sowie die in diesem Zusammenhang vorgesehene Differenzierung zwischen abnehmbarem und festsitzendem Zahnersatz ist hingegen auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil die Satzung 1995 der beklagten Partei erst mit 1. 1. 1996 in Kraft getreten ist.

Das Berufungsgericht hat, ohne diese Frage abschließend zu beantworten, auch Zweifel geäußert, ob die als Verordnung anzusehenden Bestimmungen der Satzung überhaupt eine gesetzliche Grundlage haben (Art 12 B-VG), weil - anders als im § 153 Abs 1 und 2 ASVG - § 69 B-KUVG zwar die Gewährung der Zahnbehandlung nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zuläßt, eine Regelungsbefugnis hinsichtlich des unentbehrlichen Zahnersatzes § 69 Abs 2 B-KUVG hingegen nicht entnommen werden könne. Diese Frage muß im Zusammenhang mit der erwähnten Begriffsdefinition des "unentbehrlichen Zahnersatzes" in der Satzung der beklagten Partei nicht entschieden werden, weil diese Begriffsdefinition auch anderen vergleichbaren Bestimmungen (vgl § 94 Abs 1 Z 2 GSVG) in gleicher Weise entnommen werden kann.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Gebißsanierung beim Kläger medizinisch notwendig war. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung Zahnbehandlung und Zahnersatz ausreichend und zweckmäßig sein müssen, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (SSV-NF 11/96 mwN). Auf den Zahnersatz bezogen ist Zweckmäßigkeit gegeben, wenn die gesetzten Maßnahmen nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Maßnahme objektiv geeignet waren, die durch das Fehlen von Zähnen bzw durch schadhafte Zähne beeinträchtigten Funktionen des Kauens, Beißens oder Sprechens für eine ausreichend lange Zeit wiederherzustellen. Dem entspricht eine Haltbarkeit von fünf Jahren (SSV-NF 7/22; vgl dazu auch § 50 Abs 3 der Satzung der beklagten Partei, wonach vom Versicherten in der Regel erst nach vier Jahren eine Neuherstellung eines Zahnersatzstückes beansprucht werden kann).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Zweckmäßigkeit des vom Kläger gewählten festsitzenden Zahnersatzes zu bejahen. Nach den Feststellungen weist dieser Zahnersatz eine relativ hohe Stabilität auf, die Brückenpfeiler sind röntgenologisch einwandfrei, sodaß keine Gegenindikation besteht. Der Kläger verspürte weder bei der Anfertigung noch danach irgendwelche Beschwerden im Bereich der Brücke. Das Kauen ist völlig normal möglich. Es ist anzunehmen, daß die Konstruktion beim Kläger eine Haltbarkeitsdauer von rund 6 bis 8 Jahren erreichen wird. Trotz der Vorbehalte der Lehrmeinung bestätigt nämlich die praktische Erfahrung, daß bei entsprechender Stabilität des gegossenen metallischen Grundgerüstes einer Brücke auch 14 bis 15-stellige Konstruktionen die erwartete Haltbarkeitsdauer erreichen.

Nach den Feststellungen hätte die beim Kläger medizinisch notwendige Gebißsanierung aber auch in Form eines (kostengünstigeren) abnehmbaren Zahnersatzes erfolgen können. Das Maß des Notwendigen (als grundsätzliches Ziel einer Krankenbehandlung) bestimmt sich zwar aus dem Zweck der Leistung; notwendig ist jedoch nur jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zweckes unentbehrlich oder unvermeidbar ist. Es sollen mit dieser Einschränkung nicht unbedingt notwendige und kostenintensive Maßnahmen vermieden und damit die finanzielle Belastung (für den Sozialversicherungsträger) in Grenzen gehalten und damit auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung zum Durchbruch verholfen werden. Bei mehreren gleichermaßen zweckmäßigen Behandlungsmethoden ist jeweils diejenige zu wählen, welche die geringsten Kosten verursacht, bzw bei der die Relation der Kosten zum Nutzen am günstigsten ist (vgl SSV-NF 11/96 = ZAS 1998, 86 [Binder] = SozSi 1998, 218 [Kletter]).

Es ist im vorliegenden Fall nicht strittig, daß beim Kläger ein abnehmbarer Zahnersatz den zur Hintanhaltung einer Gesundheitsstörung notwendigen und damit unentbehrlichen Zahnersatz im Sinn des § 69 Abs 2 B-KUVG dargestellt hätte. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Beschränkung der Leistungspflicht der beklagten Partei auf den unentbehrlichen Zahnersatz dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor das Maß des Notwendigen überschreitenden Belastungen. Aus diesem Grunde ist ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers nur in jenem Umfang zu bejahen, in dem die beklagte Partei auch bei Inanspruchnahme der als unentbehrlich geltenden Leistung in Form des abnehmbaren Zahnersatzes leistungspflichtig geworden wäre. Für die Ansicht der beklagten Partei, jenen Versicherten, der gegen Aufzahlung aus eigenen Mitteln eine die Pflichtleistung übersteigende medizinische Versorgung in Anspruch nimmt, durch Kürzung oder gänzlichen Entfall dieser Pflichtleistung schlechter stellen zu können, als jenen Versicherten, der sich mit der zur Gänze von der beklagten Partei zu ersetzenden Mindestversorgung begnügt, und für eine damit verbundene Ungleichbehandlung der Versicherten bietet aber weder die hier maßgebende Bestimmung des § 69 B-KUVG eine Grundlage noch vermag die beklagte Partei für eine solche Beschränkung des Anspruches des Klägers auf Gewährung des unentbehrlichen Zahnersatzes eine andere damals in Geltung gestandene Rechtsgrundlage zu nennen. Die in der Satzung 1995 der beklagten Partei enthaltene Festlegung, daß von der beklagten Partei unentbehrlicher Zahnersatz grundsätzlich nur in Form des abnehmbaren Zahnersatzes geleistet wird, ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar.

Nimmt der Anspruchsberechtigte - wie im vorliegenden Fall - nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsanstalt zur Erbringung der Sachleistung des Zahnersatzes in Anspruch, so gebührt ihm gemäß § 69 Abs 6 B-KUVG der Ersatz der Kosten der anderweitigen Beschaffung eines unentbehrlichen Zahnersatzes in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre. Nach dem in diesem Fall ebenfalls anzuwendenden § 59 Abs 1 B-KUVG ist die Kostenerstattung um den Betrag zu vermindern, der vom Versicherten bei einer Sachleistung als Behandlungsbeitrag zu leisten gewesen wäre. Gegen die zutreffende Ansicht des Erstgerichtes, daß das Klagebegehren in diesem Betrag Deckung finde, wurden von der beklagten Partei im Rechtsmittelverfahren keine Einwände erhoben.

Es war daher in Stattgebung der Revision das Ersturteil vollinhaltlich wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte