Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 15.3.1995 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 2.3.1995 auf Gewährung von Pflegegeld ab.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung eines solchen (in der gesetzlichen Höhe).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf - wörtlich - folgende Feststellungen:
"Unter Berücksichtigung sämtlicher Leidenszustände kann der Kläger sämtliche Verrichtungen des täglichen Lebens, mit Ausnahme von schwierigen Verrichtungen wie Großreinemachen und Fensterputzen, allein und ohne Hilfe ausführen. Zur Behandlung der Psoriasis muß der Kläger Salben benützen, dadurch ergibt sich ein etwa doppelt so hoher Anfall an Leib- und Bettwäsche wie bei einem gesunden Menschen. Es ist nicht notwendig, daß der Kläger öfter als ein- bis zweimal pro Woche ein Bad nimmt, dies kann er jedoch ohne fremde Hilfe tun. Die Psoriasis wandert, sie kann daher auch am Rücken in Erscheinung treten. Daß der Kläger seit seinem 15.Lebensjahr an Epilepsie leidet, hat der neurologische Sachverständige berücksichtigt."
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß der Mindestpflegebedarf von 50 Stunden monatlich beim Kläger nicht erreicht werde. Für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände seien 10 Stunden, für die Pflege der Leib- und Bettwäsche weitere 10 Stunden, zusammen sohin 20 Stunden zu veranschlagen. "Selbst wenn man noch berücksichtigen würde, daß der Kläger die Psoriasis gelegentlich am Rücken hat und dann auch nicht allein einsalben kann, so benötigt dies nur wenige Minuten pro Tag, sodaß auch unter Berücksichtigung von Hilfe dafür keinesfalls der Pflegebedarf von mehr als 50 Stunden monatlich erreicht wird."
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte in rechtlicher Hinsicht noch ergänzend aus, daß es am Rücken nicht viele Stellen gäbe, die man nicht selbst erreichen könne. Da die Psoriasis dort nur fallweise auftrete, würde dies einen durchschnittlichen monatlichen Hilfsbedarf von nicht mehr als ein oder zwei Stunden ergeben, sodaß dieser "vernachlässigt" werden könne. Auch der vom Sachverständigen bestätigte Zeitaufwand für ein ein- oder zweimaliges Bad pro Woche sei "nicht so groß, daß er dem Kläger Anspruch auf Pflegegeld gibt". Selbst wenn mit einem zehnstündigen Beaufsichtigungszeitaufwand für den Kläger, der Epileptiker ist, gerechnet werden müsse, werde der Gesamtaufwand der Hilfs- und Pflegeleistungen nicht leistungsbegründend. Daß das Baden des Klägers auch Heilzwecken diene, ändere nichts daran, daß der Kläger nach dem ärztlichen Gutachten mit ein oder zwei Bädern pro Woche das Auslangen finde.
Rechtliche Beurteilung
In seiner gegen dieses Urteil auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten, gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässigen und von der beklagten Partei nicht beantworteten Revision beantragt der Kläger die Zuerkennung des Pflegegeldes in der gesetzlichen Höhe, hilfsweise die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen.
Vom Revisionswerber nicht bestritten ist zunächst, daß er an Hilfsverrichtungen im Sinne des § 2 der EinstV lediglich solche im Gesamtausmaß von 20 Stunden (Wohnungsreinigung, Pflege der Leib- und Bettwäsche) benötigt. Um Anspruch auf Pflegegeld zu haben, müßte er daher zumindest über 30 weitere Stunden an Gesamtbetreuung erreichen, weil gemäß § 4 Abs 2 BPGG Anspruch auf Pflegegeld der untersten Stufe 1 nur für Personen besteht, deren Pflegebedarf nach Abs1 durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich beträgt. Der Revisionswerber begründet einen solchen Zeitaufwand nunmehr - zusammengefaßt - damit, daß er
- eine Hilfskraft zum Einsalben am Rücken und im nicht zugänglichen Schulterbereich benötige, wobei auch deren An- und Rückreise zweimal täglich einzurechnen sei;
- ein tägliches Bad unbedingt notwendig sei, weil er andernfalls (ausgelöst durch Körperwärme, die natürliche Bakterienflora und die erhöhte Schweißabsonderung) "schon nach ein paar Tagen so stinken würde, daß er sich nicht mehr unter die Leute begeben könnte";
allenfalls hätte hiezu ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Hygiene beigezogen werden müssen;
- da er Epileptiker (mit wenngleich seltenen Anfällen) sei, sei die Anwesenheit einer Aufsichtsperson beim täglichen Bad erforderlich, weil ein Anfall im Bad für ihn den Tod bedeuten würde und er sofort in Lebensgefahr wäre; allein diese Anwesenheit der Hilfsperson übersteige 20 Stunden pro Monat;
- ein tägliches Baden sei schließlich auch unter dem Blickwinkel des Heilungsaspektes angebracht;
- letztlich sei von den Vorinstanzen auch nicht berücksichtigt worden, daß ihm nach einem Schlaganfall körperliche Schonung in jeder Beziehung aufgetragen worden sei.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
1. Soweit die Nichtbeiziehung eines (weiteren) Sachverständigen gerügt wird, handelt es sich um die Geltendmachung eines Verfahrensmangels erster Instanz, der im Berufungsverfahren nicht gerügt wurde und damit im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann (SSV-NF 5/120, 10 ObS 217/95). Soweit hierin ein Feststellungsmangel - zur Notwendigkeit eines täglichen (Voll-)Bades - gerügt wird, kann den Ausführungen deswegen nicht beigetreten werden, weil das Erstgericht zur Frage der Badehäufigkeit (bezogen auf eine Woche) unter dem Blickwinkel der Körperreinigung eine ausdrückliche Feststellung getroffen hat, welche das Berufungsgericht übernommen hat und an welche der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, daher gebunden ist. Daß ein Wannenvollbad grundsätzlich nicht zur täglichen Körperpflege zählt und im allgemeinen zwei Wannenbäder pro Woche als ausreichend zu erachten sind, entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung (SSV-NF 8/67, 8/74, 10 ObS 2027/96b), ausgenommen freilich im Falle medizinischer Notwendigkeit. Für das Vorliegen solcher Gründe, die im konkreten Fall ein häufigeres (nach Auffassung des Klägers tägliches) Baden erforderlich machen würden, ergaben sich im Verfahren jedoch keine Anhaltspunkte. So hat der gerichtliche Sachverständige und Facharzt für Hautkrankheiten anläßlich der Erörterung seines schriftlichen Gutachtens in der letzten Streitverhandlung ausdrücklich ausgeführt, daß es nicht notwendig ist, daß der Kläger "täglich ein Bad nimmt wegen der Psoriasis" (also aus medizinischen Gründen). Damit ist aber klargestellt, daß er aus beiden in der Revision herangezogenen Gründen, nämlich der Körperhygiene einerseits als auch des medizinischen Heilungs- (gemeint wohl: Besserungs-)erfolges andererseits keines täglichen Vollbades bedarf, sondern hiefür etwa durch tägliches (unter Umständen auch mehrmals täglich vorgenommenes) Duschen das Auslangen finden kann und muß. Daß der Kläger aber auch ohne Fremdhilfe ein- bis zweimal pro Woche sogar baden kann, haben die Vorinstanzen - für den Obersten Gerichtshof bindend - ausdrücklich festgestellt. Soweit der Revisionswerber daher davon abweicht, bringt er seine Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Im übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der in SSV-NF 8/79 veröffentlichten Entscheidung ausgesprochen, daß ein (zusätzlicher) Betreuungsaufwand bei der Körperreinigung selbst dann nicht anzunehmen wäre, wenn ein Betroffener - wie es hier der Kläger von sich wegen seiner epileptischen (und dem gutachtenden medizinischen Sachverständigen auch bekannten: vgl ON 6) Anfälle behauptet - zwar keine Badewanne benützen kann, aber in der Lage wäre, etwa auf einem Duschsessel Platz zu nehmen und sich so sitzend zu reinigen. Jedenfalls dazu ist aber der Kläger auch hier in der Lage, sodaß einer Ganzkörperreinigung auf diese Weise (wenn nicht sogar stehend) keine sich pflegeaufwandmäßig niederschlagenden Gründe entgegenstehen (vgl hiezu auch OLG Wien in SSV 25/100 ebenfalls bei einem Psoriasis-Patienten).
2. Auch die in der Revision an mehreren Stellen relevierte Beiziehung einer Hilfsperson beim Einsalben an für ihn nicht zugänglichen Rücken- und Schulterbereichen vermag keinen zusätzlichen pflegegeldbegründenden Aufwand zu rechtfertigen. Derartiges könnte nämlich nur dann pflegegeldmäßige Bedeutung erlangen (und wäre dann wohl dem Begriff der "Einnahme von Medikamenten" im Sinne des § 1 Abs 2 EinstV am ehesten gleichzuhalten), wenn es sich um einen Anspruchswerber handelte, der aufgrund besonderer körperlicher oder geistiger (sonstiger!) Behinderungen (Gebrechen) nicht in der Lage wäre, unzulängliche Stellen seines Oberkörpers zum Einsalben zu erreichen. Nach den Feststellungen kann sich der Kläger aber grundsätzlich an allen relevanten Körperstellen selbst einsalben. Die von ihm in den Vordergrund gerückten Stellen des Rückens kann hingegen auch ein ansonsten völlig Gesunder, nicht Behinderter ebenfalls nicht selbst erreichen; insoweit unterscheidet sich der Kläger - trotz seiner Krankheit - nicht von einem "normalen" (unbehinderten) Menschen, sodaß er insoweit auch nicht den Schutz für Behinderte beim Pflegegeld beanspruchen kann. Damit erübrigt es sich aber auch, auf die in der Revision in diesem Zusammenhang ebenfalls relevierte Frage der Einrechnung von Wegzeiten ("An- und Abreise") einer solchen Pflegeperson näher einzugehen. Durch den vom Berufungsgericht unter diesem Gesichtspunkt ohnedies zu seinen Gunsten zugrunde gelegten durchschnittlichen Hilfsbedarf von "nicht mehr als ein oder zwei Stunden monatlich" kann sich der Kläger daher keineswegs beschwert erachten.
3. Daß der Kläger (überdies) Schlaganfallpatient ist, war sowohl dem medizinischen Sachverständigen als auch dem dessen Gutachtensergebnisse berücksichtigenden Erstgericht bekannt. Auch daraus sind keine anspruchsbegründenden zusätzliche Pflegebedarfsstundenwerte abzuleiten. Welcher zusätzliche (stundenmäßig zu veranschlagende) Pflegebedarf aus der daraus abgeleiteten "körperlichen Schonungsbedürftigkeit" gewonnen werden sollte, wird im übrigen auch in der Revision nicht näher aufgezeigt.
4. Zusammenfassend ergibt sich damit, daß der Kläger tatsächlich auch nicht den Mindeststundensatz für die Pflegegeldstufe 1 erreicht, weshalb die Vorinstanzen das darauf gerichtete Klagebegehren zutreffend abgewiesen haben und der Revision somit ein Erfolg versagt bleiben muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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