OGH 10ObS37/93

OGH10ObS37/934.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Dietmar Strimitzer und Dr.Richard Warnung in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kurt H*****, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abzuges von einem Pensionsvorschuß infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.November 1992, GZ 12 Rs 68/92-7, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.Mai 1992, GZ 25 Cgs 72/92-3, (ersatzlos) aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Am 17.1.1992 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitspension und füllte auch einen Ausgleichszulagenfragebogen aus. In mit 11. und 18.2.1992 datierten Schreiben urgierte er seinen Antrag unter Hinweis auf seine finanzielle Notlage.

Mit am 2.4.1992 expediertem Schreiben vom 20.3.1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß das Pensionsfeststellungsverfahren bisher nicht abgeschlossen werden konnte. Daher werde ihm ein Vorschuß in der in der Übersicht angeführten Höhe zuerkannt. Diese Leistung könne jederzeit wiederrufen werden und sei verrechenbar. Über den Anspruch werde nach Abschluß der laufenden Erhebungen entschieden. Nach der erwähnten Übersicht beträgt die monatliche Gesamtleistung ab 1.2.1992, 7.471 S, und zwar 2.653,70 S Pension, 278,00 S Kinderzuschuß und 4.539,30 S Ausgleichszulage. Nach der angeschlossenen Abrechnung wurden von der Bruttoleistung für die Zeit vom 1.2. bis 31.3.1992 von 14.942 S 448,20 S Krankenversicherungsbeitrag, 7.246,90 S Beitragsrückstand bzw Kostenanteil und 5.000 S für Akontierung, insgesamt demnach 12.695,10 S abgezogen, so daß sich eine Nachzahlung von 2.246,90 S ergab. Ab 1.4.1992 würden von der monatlichen Bruttoleistung von 7.471 S 224,10 S Krankenversicherungsbeitrag und 460 S Rate für Kostenanteil bzw Beitragsrückstand, insgesamt also 684,10 S abgezogen und daher 6.786,90 S angewiesen werden. Beitragsrückstände (Kostenanteile) würden durch Ratenabzug von den laufenden Bezügen hereingebracht. Auch von Nachzahlungen sei ein Einbehalt bis zur Hälfte zulässig.

Am 14.4.1992 langte beim Bezirksgericht Bad Ischl ein als "Antrag im außerstreitigen Verfahren" bezeichneter, gegen den genannten Sozialversicherungsträger als "Antragsgegnerin" gerichteter Schriftsatz ein, der von der Beklagten und den Vorinstanzen zutreffend (§ 84 Abs 2 Satz 2 ZPO) als Klage angesehen wurde. Darin beschwert sich der Kläger ("Antragsteller") dagegen, daß ihm von der Nachzahlung für die Monate Februar und März 1992 für Beitragsrückstände vor dem 1.2.1992 7.246,90 S und von der Zahlung für April 460 S abgezogen wurden. Durch diese ungesetzlichen Abzüge von den Ausgleichszulagen und Kinderzuschüssen sei er unter das Existenzminimum gefallen. Er ersucht das Gericht, "die pfändungsfreien Pensionsbezüge durch Beschluß festzusetzen" und die Beklagte zu verpflichten, ihm binnen vierzehn Tagen 7.706,90 S als Pensionsleistung für die Monate Februar, März und April 1992 zu zahlen.

Das angerufene Bezirksgericht überwies den Akt von Amts wegen ohne Anhörung des Einschreiters dem Kreisgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht, bei dem er am 22.4.1992 einlangte.

Das genannte Arbeits- und Sozialgericht verfügte die Zustellung einer Halbschrift an den Kläger und einer Gleichschrift an die Beklagte, der es mit schriftlichem Beschluß unter Setzung einer Frist von zwei Wochen die Klagebeantwortung auftrug.

In dieser beantragte die Beklagte, die Klage zurückzuweisen. Die Bevorschussung einer Leistung sei nicht mit Bescheid auszusprechen, sondern mit einer Verständigung des Antragstellers vorzunehmen. Weil eine vorläufige Leistung keine Leistung iS des § 354 ASVG bzw § 65 ASGG sei, sei der Rechtsweg unzulässig.

Das Arbeits- und Sozialgericht wies die Klage zurück.

Beim Scheiben des Versicherungsträgers vom 20.3.1992, mit dem auf Grund des Pensionsantrages vom 17.1.1992 dem Antragsteller nach § 368 Abs 2 ASVG ein Vorschuß gewährt worden sei, handle es sich um keinen Bescheid. Deshalb lägen die Verfahrensvoraussetzungen gemäß § 67 Abs 1 ASGG nicht vor, so daß die Klage nach § 73 leg cit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen sei.

Dagegen gab der Kläger fristgerecht beim Bezirksgericht seines Wohnsitzes (§ 39 Abs 2 Z 2 ASGG iVm § 520 Abs 1 ZPO) einen Rekurs zu Protokoll. Darin führte er aus, die Abrechnung stelle im Detail Abzüge fest, die schon vor Erlassung des zu erwartenden Pensionsbescheides der Höhe nach festgesetzt worden seien. Daß die Abrechnung nicht als Bescheid bezeichnet sei, sei nicht wesentlich, weil es sich nach Inhalt und Charakter um eine bescheidmäßige Abrechnung handle, die gegen die Existenzminimumverordnung des § 291a EO verstoße. Der Rekurswerber beantragte daher, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Klage "zur Verhandlung zurückzuweisen".

Die Rekursgegnerin vertrat in der Rekursbeantwortung die Ansicht, daß die Abrechnung weder als Teil eines Bescheides noch als gesonderter Bescheid zu werten sei, weil damit nicht in bindender Weise ein Rechtsverhältnis zum Pensionswerber festgestellt oder gestaltet werden sollte. Der Einbehalt von Beitragsrückständen und verschiedene Umstände im Zusammenhang mit der Auszahlung einer Pensionsleistung könnten auch niemals Gegenstand eines Leistungsstreitverfahrens sein. Im übrigen seien die Abzüge nach § 71 GSVG zulässig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht "die Einleitung des Verfahrens über die Klage" auf.

Der "Abrechnung" über die Pensionsvorschußzahlungen komme ungeachtet des gewählten Mittels einer formlosen Verständigung Bescheidcharakter zu. Der Abzug für Beitragsrückstände und für eine Akontierung des Pensionsvorschusses stelle eine Aufrechnung iS des § 103 ASVG dar, über die ein Bescheid zu erlassen sei. Die daraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten seien Sozialrechtssachen iS des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG (SSV-NF 3/66). Die Verständigung über die Bevorschussung der Pensionsleistung stelle zwar insofern keinen Bescheid dar, als damit nicht über die Pension abgesprochen werde (richtig SSV-NF 3/40), wohl aber in dem Umfang, als damit ausgesprochen werde, daß eine bestimmte Leistung als Vorschuß erbracht werde (SSV-NF 5/4). Da der Versicherungsträger nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet sei, einen Vorschuß zu erbringen, wenn der Sachverhalt für die Erlassung eines die Leistung feststellenden Bescheides noch nicht genügend geklärt sei, sei der zuerkannte Vorschuß als eine "zu erbringende Leistung" iS des § 103 ASVG anzusehen. Deshalb sei die Aufrechnung gegen die Vorschußleistung nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes inhaltlich eine Abänderung darstelle, sei kein Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der nicht beantwortete Rekurs (Revisionsrekurs) der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern oder ihn allenfalls aufzuheben.

Das Rechtsmittel ist zulässig und berechtigt.

Zur Zulässigkeit:

Dem Rekursgericht ist darin zuzustimmen, daß es sich bei seinem Beschluß nicht um einen (echten) Aufhebungsbeschluß iS des § 527 Abs 2 ZPO, sondern um einen den Klagezurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes ersatzlos behebenden und damit in Wahrheit abändernden Beschluß handelt (Fasching, ZPR2 Rz 2018; MGA ZPO14, 1149 FN 1, 1150 E 11ff zu § 527). Deshalb bedurfte es keines Ausspruches nach § 527 Abs 2 ZPO iVm § 45 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG.

Nach § 45 Abs 3 erster Halbsatz ASGG hat das Rekursgericht die Abs 1 und 2 leg cit sinngemäß anzuwenden. Wenn der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 50.000 S nicht übersteigt, hat es daher in seinem Beschluß auszusprechen, ob der Revisionsrekurs nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig ist, und diesen Ausspruch kurz zu begründen. In Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen hat nach § 45 Abs 4 ASGG ein solcher Ausspruch zu unterbleiben. In solchen Verfahren ist ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 47 Abs 2 leg cit auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 zulässig, wenn nicht die gemäß § 47 Abs 1 ASGG iVm § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden (Revisions)-Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 2 Z 3ff ZPO greifen.

Der Revisionsrekurs ist also in Sozialrechtssachen in einem gegenüber den allgemeinen Zivilrechtssachen wesentlich eingeschränkteren Maß generell unzulässig, nämlich nur in den letztgenannten Fällen. Ansonsten ist er zulässig, wenn es sich um ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen handelt oder der Beschwerdegegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, 50.000 S übersteigt. Wird diese Grenze nicht überstiegen, dann ist der Revisionsrekurs nur statthaft, wenn das Rekursgericht seine Zulässigkeit ausgesprochen hat, was es nur bei Erheblichkeit der Rechtsfrage iS des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG darf (ordentlicher Revisionsrekurs), oder wenn diese Voraussetzung trotz des Ausspruches der Unzulässigkeit (außerordentlicher Revisionsrekurs) vorliegen (Fasching in Tomandl, SV-System 6.ErgLfg 768f; ders, ZPR2 Rz 2283).

Weil der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Rekursgerichtes in der vorliegenden Sozialrechtssache nur 7.706,90 S beträgt und daher 50.000 S nicht übersteigt, hatte nach der dargestellten Rechtslage ein Ausspruch des Rekursgerichtes, ob der Revisionsrekurs nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig ist, nur dann zu unterbleiben, wenn es um wiederkehrende Leistungen geht.

Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

Der Kläger wendet sich dagegen, daß die Beklagte von der Nachzahlung von Pensions-, Kinderzuschuß- und Ausgleichszulagenvorschüssen für die Monate Februar und März 1992 sowie von diesen Vorschüssen für April 1992 insgesamt 7.706,90 S für Beitragsrückstände und Kostenanteile abzog. Er bezeichnet diese Abzüge als unzulässig und begehrt die Zahlung der einbehaltenen Teile der nach dem gemäß § 194 Abs 1 GSVG auf das Verfahren zur Durchführung dieses Bundesgesetzes geltenden § 368 Abs 2 ASVG bevorschußten Erwerbsunfähigkeitspension samt Kinderzuschuß und Ausgleichszulage, also wiederkehrender Leistungen der Pensionsversicherung.

Der Revisionsrekurs ist daher nach § 47 Abs 2 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 leg cit zulässig.

Zur Berechtigung des Rechtsmittels:

Nach den auch für das Verfahren in Leistungssachen vor dem hier beklagten Versicherungsträger geltenden §§ 367 Abs 1 und 368 Abs 1 ASVG war über den Antrag auf Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension vom 17.1.1992 binnen sechs Monaten an den Anspruchswerber ein Bescheid zu erlassen.

Kann der Versicherungsträger dies innerhalb dieser Frist nicht, weil der Sachverhalt noch nicht genügend geklärt ist, so hat er, wenn seine Leistungspflicht dem Grunde nach feststeht, die Leistung nach § 368 Abs 2 Satz 1 ASVG zu bevorschussen. Solche Vorschüsse kann er auch, sobald seine Leistungspflicht dem Grunde nach feststeht, nach Satz 2 des letztzit Abs schon vor Ablauf der Frist für die Bescheiderteilung gewähren.

Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht und dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.3.1992 ab 1.2.1992 monatliche Vorschüsse auf die beantragte Erwerbsunfähigkeitspension samt Kinderzuschuß und Ausgleichszulage gewährt. Dabei hat sie darauf hingewiesen, daß diese (Vorschuß)Leistung jederzeit wiederrufen werden könne und verrechenbar sei.

In der der Vorschußgewährung angeschlossenen Abrechnung zog die Beklagte von der für Februar und März 1992 gewährten Vorschußnachzahlung für Beitragsrückstände bzw Kostenanteile 7.246,90 S und von den Vorschüssen ab April 1992 mtl 460 S, für Monate Februar bis April 1992 daher insgesamt 7.706,90 S ab, wobei sie darauf hinwies, daß Beitragsrückstände (Kostenanteile) bis zur Hälfte der Nachzahlung und durch Ratenabzug von den laufenden Bezügen hereingebracht werden dürften.

§ 368 Abs 2 ASVG trägt dem Versicherungsträger nur die (tatsächliche) Zahlung eines Vorschusses, nicht aber die Erlassung eines diesbezüglichen Bescheides auf. Die Erlassung eines solchen Bescheides wird im § 367 ASVG, der die Bescheidpflicht der Versicherungsträger in Leistungssachen regelt, auch nicht angeordnet. Abs 1 leg cit schreibt bei einem Antrag auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung nur die Erlassung eines Bescheides über den (auf Feststellung des geltend gemachten Leistungsanspruches zielenden) Antrag vor. Die (tatsächliche) Auszahlung der Pensionen wird hingegen im § 104 ASVG bzw im § 72 GSVG geregelt.

Daher kann sich der erkennende Senat der Meinung Oberndorfers in Tomandl, SV-System 6.ErgLfg 693f, die Gewährung des Vorschusses habe je nach Art der dem Grunde nach feststehenden Leistungspflicht unter Anwendung des § 367 ASVG bescheidförmig oder vorerst formlos zu erfolgen, nicht anschließen. Er hält vielmehr die in MGA ASVG

46. ErgLfg 1681 FN 3 unter Berufung auf die E des OLG Wien 27.2.1963 SSV 3/40 vertretene Ansicht für zutreffend, daß die Verständigung des Pensionswerbers über die Gewährung eines Vorschusses kein Bescheid ist und daher auch kein Klagerecht eröffnet.

Letzteres folgt aus § 67 Abs 1 ASGG, wonach in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1, also in einer Rechtsstreitigkeit über den Bestand, den Umfang oder ... eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen ..., vom Versicherungsträger - vorbehaltlich des (die Zurückweisung des Antrages durch den Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG regelnden) § 68 ASGG - eine Klage nur erhoben werden darf, wenn der Versicherungsträger 1. darüber bereits mit Bescheid entschieden hat - was er ja im Falle des § 368 Abs 2 ASVG gerade nicht kann -, oder 2. den Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung erlassen hat.

Der letzte Satz des auch in SSV-NF 5/4 wiederholten letzten Rechtssatzes in SSV-NF 3/9 "Ist die Höhe des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die zu erbringende Leistung maßgebend, dieses aber nicht feststellbar, ist der Versicherungsträger berechtigt und verpflichtet, die Leistung zunächst als Vorschuß zu erbringen, wobei sich dessen Höhe mangels anderer Unterlagen nach der zuletzt gebührenden Leistung bestimmt; dies hat gemäß § 367 Abs 2 ASVG in Form eines Bescheides zu geschehen" bezieht sich auf einen Vorgang, der den im § 367 Abs 2 (!) ASVG angeführten Entscheidungen gleichzuhalten ist, nämlich auf einen Fall, in dem eine schon bescheidmäßig festgestellte Ausgleichszulage in der Folge mangels ausreichender Einkommensnachweise zunächst nicht neu festgestellt werden kann und daher vorerst nur mehr zu bevorschussen ist. Er ist jedoch auf den hier vorliegenden Fall, in dem erstmals nach § 367 Abs 1 ASVG über einen Antrag auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung bescheidmäßig zu entscheiden ist und schon vor Ablauf der Bescheiderteilungsfrist nach § 368 Abs 2 ASVG Vorschüsse gewährt wurden, nicht anwendbar.

Der erkennende Senat hat zu SSV-NF 3/66 entschieden, daß Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit der Aufrechnung auf die von den Versicherungsträgern zu erbringenden (Geld)Leistungen nach dem (dem § 71 GSVG) vergleichbaren § 103 ASVG Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG sind. Es handelt sich bei der Aufrechnung auf die von den Versicherungsträgern zu erbringenden Geldleistungen um die gänzliche oder teilweise Aufhebung des Anspruches des Versicherten auf eine von dem Versicherungsträger zu erbringende Versicherungsleistung durch eine Gegenforderung eines Versicherungsträgers gegen den Versicherten, also um die Feststellung des Bestandes oder des Umfanges eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung iS des § 354 Z 1 ASVG und um Sozialrechtssachen (Leistungssachen) iS des § 65 Abs 1 Z 1 (§ 67 Abs 1 und § 71 Abs 1) ASGG und nicht bloß um die Auszahlung von (dem Grunde und der Höhe nach unbestrittenen, mit rechtskräftigem Bescheid festgestellten) Versicherungsleistungen, in welchem Fall nach SSV-NF 1/55 keine Leistungssache vorliegt.

Die zit. E gilt jedoch nicht für Fälle wie den vorliegenden, in denen vom Versicherungsträger zu erbringende Geldleistungen, auf die dieser nach § 71 Abs 1 Z 1 und 4 GSVG vom Anspruchsberechtigten ihm geschuldete Beiträge oder vom Versicherten zu entrichtende Kostenanteile aufrechnen dürfte, noch nicht bescheidmäßig festgestellt wurden, sondern nur nach § 368 Abs 2 Satz 2 ASVG Vorschüsse tatsächlich gewährt, also ohne bescheidmäßige Feststellung ausgezahlt werden.

Zahlt der Versicherungsträger solche Vorschüsse nicht in der Höhe aus, in der sie nach der dem Antragsteller übermittelten Verständigung gewährt werden sollen, sondern behält er zB wegen ihm vom Anspruchsberechtigten geschuldeter fälliger Beiträge oder vom Versicherten zu entrichtender Kostenanteile Teile der an sich vorgesehenen Vorschüsse ein, dann nimmt er damit noch keine Aufrechnung iS des § 71 GSVG vor, weil es dadurch noch nicht zu einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung eines Anspruches des Leistungswerbers auf eine vom Versicherungsträger zu erbringende Versicherungsleistung kommt.

In einem solchen Fall geht es nur darum, in welcher Höhe die Vorschüsse nach § 368 Abs 2 Satz 2 ASVG durch tatsächliche Auszahlung gewährt werden.

Daß die diesbezügliche Verständigung des Pensionswerbers kein Bescheid ist und daher auch kein Klagerecht eröffnet, wurde bereits oben ausgeführt.

Erst wenn die Beklagte dem Kläger Geldleistungen zu erbringen hat, auf die sie nach § 71 GSVG aufrechnen möchte, wird sie darüber nach § 367 Abs 2 ASVG in entsprechender Anwendung des Abs 1 dieser Gesetzesstelle einen Bescheid zu erlassen haben. Erst dann wird eine Leistungssache iS des § 354 Z 1 ASVG und eine Sozialrechtssache iS der §§ 65 Abs 1 Z 1, 67 Abs 1 und 71 Abs 1 ASGG vorliegen (SSV-NF 3/66).

Im vorliegenden Fall hingegen wurde eine Klage erhoben, obwohl die im § 67 ASGG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Sie wurde daher vom Erstgericht richtigerweise nach § 73 leg cit zurückgewiesen.

Der diesen Zurückweisungsbeschluß (ersatzlos) aufhebende Beschluß des Rekursgerichtes war daher iS der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

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