OGH 10ObS361/99g

OGH10ObS361/99g11.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga L*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Jahngasse 4, 6850 Dornbirn, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen S 2,556.883,36 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. September 1999, GZ 25 Rs 77/99f-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Dezember 1998, GZ 35 Cgs 148/96y-31, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27. 4. 1977 geborene Christian L*****, Sohn der Klägerin, war in der Zeit vom 4. 8. bis 14. 9. 1993 als Angehöriger der Klägerin in der Krankenversicherung bei der beklagten Partei mitversichert. Christian L***** erlitt am 4. 8. 1993 abends in Vorarlberg schwerste Verbrennungen am Körper, nachdem er sich in Suizidabsicht mit Benzin übergossen und selbst angezündet hatte. Er wurde im Landeskrankenhaus (LKH) Feldkirch erstversorgt. Nachdem dort eine weitere zielführende Behandlung nicht durchgeführt werden konnte, wurde er über Veranlassung des dortigen Ärzteteams mit einem Helikopter in das Universitätsspital Zürich überstellt. Die dort aufgelaufenen Kosten der stationären Behandlung in der Zeit vom 5. 8. bis 14. 9. 1993 in der Höhe von Sfr 299.608,90 wurden mit Schlussrechnung des Universitätsspitals Zürich vom 14. 5. 1995 dem LKH Feldkirch zur Zahlung vorgeschrieben. Dieses überwies den vorgeschriebenen Betrag am 3. 11. 1995 an das Universitätsspital Zürich, vermerkte aber am Überweisungsbeleg, dass die Zahlung ohne Anerkenntnis der Rechnung erfolge.

Mit dem bekämpften Bescheid vom 8. 8. 1996 sprach die beklagte Partei aus, dass der Klägerin für den stationären Aufenthalt ihres Sohnes im Universitätsspital Zürich vom 5. 8. bis 14. 9. 1993 Kosten von S 49.706,64 ersetzt werden; das Mehrbegehren von S 2,556.883,36 wurde abgewiesen. Die Behandlung des Verletzten sei nicht in der nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt, der Universitätsklinik Innsbruck, erfolgt, sodass die aufgelaufenen Kosten, insoweit sie jene in der nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt übersteigen, nicht erstattungspflichtig seien.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung des abgewiesenen Betrages von S 2,556.883.36 sA mit der Begründung, eine Überstellung ihres Sohnes in die Universitätsklinik Innsbruck sei aus Kapazitätsgründen nicht möglich gewesen. Der Chefarzt und der Vertrauensarzt der beklagten Partei seien damals nicht erreichbar gewesen. Die Zentren für Brandverletzte in Wien und Graz seien wegen des schlechten Allgemeinzustandes ihres Sohnes zu weit entfernt gewesen. Da die Zeit gedrängt habe und eine aussichtsreiche Behandlung in Österreich nicht möglich gewesen sei, sei ihr Sohn vom LKH Feldkirch in das Universitätsspital Zürich überstellt worden. Die Klägerin sei berechtigt, die Kosten der Anstaltspflege zu verlangen, auch wenn sie von dritter Seite bezahlt worden seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass vor der Überstellung des Sohnes der Klägerin keine Kontaktaufnahme mit ihr erfolgt sei. Eine adäquate Behandlung wäre auch in Innsbruck möglich gewesen. Allenfalls wäre eine Behandlung auch im Städtischen Krankenhaus München oder in der Unfallklinik Ludwigshafen möglich gewesen, was für die beklagte Partei auf Grund eines Zwischenstaatlichen Abkommens mit einem weitaus geringeren Kostenaufwand als in Zürich verbunden gewesen wäre. Die Klägerin habe die Kosten der Anstaltspflege nicht selbst bezahlt; es bestehe auch keine Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz im Innenverhältnis gegenüber dem LKH Feldkirch als tatsächlich zahlendem Dritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es zuzüglich zum bereits eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt noch von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Sohn der Klägerin wurde am 4. 8. 1993 mit schwersten lebensbedrohenden Verbrennungen in das LKH Feldkirch eingeliefert, wo um ca 20.45 Uhr mit der Erstversorgung durch einen Unfallchirurgen begonnen wurde. Dabei zeigte sich sogleich die höchste Dringlichkeit zur ärztlichen Weiterversorgung in einem Spezialkrankenhaus für "Verbrennungsbehandlung". Die Abteilung Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie im LKH Feldkirch war damals geschlossen. Der dienstverrichtende Unfallchirurg nahm unverzüglich telefonischen Kontakt mit der Universitätsklinik Innsbruck auf, um eine stationäre Übernahme des Verletzten zu erreichen. Dabei wurde ihm erklärt, dass eine solche aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei. Daraufhin erwog er den sofortigen Transfer des Verletzten in das nur 85 km (Luftlinie) entfernte Universitätsspital Zürich, nachdem eine Weiterbehandlung im LKH Feldkirch medizinisch nicht mehr vertretbar war. Es bestand die Notwendigkeit, in den ersten vier bis acht Stunden nach der Verbrennung wesentliche Eingriffe durch Fachärzte aus dem Bereich der Verbrennungsbehandlung vorzunehmen. Das Universitätsspital Zürich verfügte über die hiefür notwendigen Einrichtungen. Andere Krankenhäuser wurde nicht kontaktiert. Der Versuch, vor dem Transfer den Chefarzt oder einen Vertrauensarzt der beklagten Partei telefonisch zu erreichen, misslang. Sodann wurde von diesem Chirurgen unverzüglich der Flugtransport des Verletzten mit einem Helikopter in das Universitätsspital Zürich organisiert und durchgeführt.

Der Aufenthalt des Verletzten in einem Krankenhaus mit einer Station für "Brandverletzten-Intensivpflege" war bis 14. 9. 1993 medizinisch notwendig. Im Anschluss an seinen Aufenthalt im Universitätsspital Zürich wurde der Sohn der Klägerin wieder stationär in das LKH Feldkirch bzw in das LKH Rankweil überstellt und dort weiter behandelt. Das Land Vorarlberg oder das LKH Feldkirch haben bisher die Klägerin bzw den Mitversicherten hinsichtlich dieser Kosten nicht beansprucht. Es wurde auch keine Vereinbarung getroffen, wonach ein auch nur teilweiser Ersatz erfolgen müsse.

Davon ausgehend vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Klägerin gegenüber der beklagten Partei einen Leistungsanspruch auf Berichtigung der Klageforderung haben sollte. Nach der Sachlage bestehe zwischen den Parteien derzeit überhaupt kein Schuldverhältnis. Es bestehe insbesondere auch keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, wonach die Klägerin oder der Mitversicherte verpflichtet wären, aus Anlass der Liquidierung vom 3. 11. 1995 eine Geldleistung an das Land Vorarlberg oder das LKH Feldkirch zu erbringen. Im vorliegenden Fall sei allein von Bedeutung, dass das Universitätsspital Zürich weder der Klägerin noch dem Mitversicherten die klagegegenständlichen Kosten zur Bezahlung vorgeschrieben habe. Ein Anwendungsfall des § 98 ASVG sei denkunmöglich, weil niemand behauptet habe, dass irgendwelche Leistungsansprüche übertragen oder verpfändet worden seien. Es mangle daher an der Aktivlegitimation der Klägerin; sie könne ihr auch nicht im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft, die das österreichische Recht nicht kenne, verschafft werden.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil unter Zulassung des Rekurses auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Annahme des Erstgerichtes, die Klägerin und ihr Sohn seien vom Universitätsspital Zürich gar nicht in Anspruch genommen worden, mangelhaft begründet und aktenwidrig sei. Im Verfahren erster Instanz sei auch die Rechnung vom 30. 10. 1993 (Beilage 4a; Rechnung des Universitätsspitals Zürich an Christian L***** über Sfr 48.526,70) vorgelegt und zum Verhandlungsgegenstand gemacht worden. Zutreffend verweise die Klägerin auch auf ihre Parteienaussage, wonach sie eine Rechnung vom Universitätsspital Zürich erhalten habe. Dies wäre mit den Parteien zu erörtern gewesen. Im weiteren Verfahren werde auch noch mit den Parteien zu erörtern und klarzustellen sein, wer gegenüber dem Universitätsspital Zürich aus dem Behandlungsvertrag zahlungspflichtig gewesen sei. Ergebe sich dabei eine Zahlungspflicht des Verletzten, werde weiters zu klären sein, unter welchen Umständen das LKH Feldkirch die Kosten bezahlt habe, insbesondere ob es durch die Zahlung die Forderung gegen den unmittelbar Zahlungspflichtigen eingelöst habe. Sei dies der Fall, bestehe eine Zahlungspflicht der Klägerin bzw ihres Sohnes gegenüber dem LKH Feldkirch, sodass die Legitimation zur Geltendmachung der Kosten gegenüber der beklagten Partei, zu der unstrittig ein Versicherungsverhältnis bestehe, gegeben sei. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zulässig, weil zur Frage, ob bei Zahlung durch einen Dritten das Erfordernis einer quittierten Rechnung gegeben sei, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Berufung der Klägerin nicht Folge gegeben und das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zufolge unrichtiger Anwendung des im Krankenversicherungsrecht geltenden Kostenerstattungsprinzips zulässig und berechtigt.

Das von der Rekurswerberin angenommene Rechtswegproblem stellt sich nicht; berechtigt sind jedoch im Wesentlichen die Überlegungen zum Kostenerstattungsprinzip:

Vorauszuschicken ist, dass die Krankenversicherung unter anderem Vorsorge für die Versicherungsfälle der Krankheit (§ 116 Abs 1 Z 2 ASVG) trifft, wobei als Leistungen der Krankenversicherung aus dem Versicherungsfall der Krankheit Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137 ASVG), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege (§ 151 ASVG) oder Anstaltspflege (§§ 144 bis 150 ASVG) gewährt werden (§ 117 Z 2 ASVG). Der Begriff "Anstaltspflege" wird im ASVG nicht näher definiert; hierunter wird die durch die Art der Krankheit erforderte, durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingte "einheitliche und unteilbare" Gesamtleistung der stationären Pflege in einer Krankenanstalt verstanden (SSV-NF 8/9, 10/119 ua).

Die Krankenversicherung ist final ausgerichtet. Das heißt, dass die Ursache für den Eintritt des Versicherungsfalles für die Leistungspflicht der Krankenversicherung grundsätzlich irrelevant ist. Der Versicherte erhält Leistungen aus der Krankenversicherung auch dann, wenn er den Versicherungsfall selbst verursacht oder verschuldet hat. Bei vorsätzlicher Selbstbeschädigung entfällt jedoch der Anspruch auf Geldleistungen (Verwirkung des Leistungsanspruches gemäß § 88 ASVG); Sachleistungen sind dagegen zu gewähren (Brodil/Windisch-Graetz, Sozialrecht3 64).

Gemäß § 123 ASVG besteht auch Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung für Angehörige, wozu unter anderem auch die ehelichen Kinder des Versicherten zählen; die Voraussetzungen hiefür sind im Fall des Sohnes der Klägerin unstrittig gegeben.

Gemäß § 144 Abs 1 ASVG (idF BGBl 1991/676) ist Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt zu gewähren, sofern im Sprengel des Versicherungsträgers eine solche Krankenanstalt besteht und der Erkrankte nicht mit seiner Zustimmung in einer nichtöffentlichen Krankenanstalt untergebracht wird, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert. Der Erkrankte ist, wenn Anstaltspflege gemäß § 144 ASVG gewährt wird, in eine öffentliche Krankenanstalt einzuweisen. Hiebei sind Wünsche des Erkrankten insoweit zu berücksichtigen, als die Art der Krankheit es zulässt und dadurch kein Mehraufwand für den Versicherungsträger eintritt (§ 145 Abs 1 ASVG). In Fällen, in denen mit der Aufnahme in die Anstaltspflege bis zur Einweisung durch den Versicherungsträger ohne Gefahr für den Erkrankten nicht zugewartet werden konnte, ist die Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt der Einweisung durch den Versicherungsträger gleichzuhalten, sofern die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Anstaltspflege gegeben sind. Die Krankenanstalt zeigt dem Versicherungsträger die Aufnahme binnen acht Tagen an (§ 145 Abs 2 ASVG). Der Erkrankte kann auch in eine eigene Krankenanstalt des Versicherungsträgers oder in eine sonstige nichtöffentliche Krankenanstalt eingewiesen werden, mit der der Versicherungsträger in einem Vertragsverhältnis steht, wenn im Sprengel des Versicherungsträgers eine öffentliche Krankenanstalt nicht besteht oder der Erkrankte zustimmt. In einem solchen Fall ist die Pflege in der nichtöffentlichen Krankenanstalt der Pflege in einer öffentlichen Krankenanstalt bei der Anwendung der Bestimmungen des § 145 Abs 2 ASVG gleichzuhalten (§ 149 Abs 1 ASVG).

War die Anstaltspflege notwendig und unaufschiebbar, so hat der Versicherungsträger dem Versicherten die Kosten der Anstaltspflege zu ersetzen, wenn 1. für die Gewährung der Anstaltspflege durch den Versicherungsträger nicht Vorsorge getroffen werden kann, weil öffentliche Krankenanstalten nicht zur Verfügung stehen und Verträge gemäß § 149 ASVG nicht zustande kommen oder 2. der Erkrankte in einer nichtöffentlichen Krankenanstalt, mit der keine vertragliche Regelung gemäß § 149 ASVG besteht, ohne Einweisung durch den Versicherungsträger untergebracht wurde (§ 150 Abs 1 ASVG idF vor dem

2. SRÄG, BGBl 1996/764; abgedruckt bei Teschner/Widlar, ASVG Anm 6 zu § 150). Die Kosten werden höchstens in dem Ausmaß der Kosten ersetzt, die dem Versicherungsträger in der nach Art und Umfang der Einrichtung und Leistungen in Betracht kommenden nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt erwachsen wären (§ 150 Abs 2 ASVG idF vor dem 2. SRÄG).

Die Krankenordnung (KO) der beklagten Partei normiert im Abschnitt VIII "Anstaltspflege" unter anderem Folgendes:

Für die Inanspruchnahme von Anstaltspflege stehen dem Versicherten (Angehörigen) die Krankenanstalten, mit denen die Kasse einen Vertrag abgeschlossen hat, zur Verfügung. Grundsätzlich darf nur die nächstgelegene Krankenanstalt in Anspruch genommen werden, wenn diese über alle für die notwendige Behandlung erforderlichen Einrichtungen verfügt. Wünscht der Versicherte in eine andere als die nächstgelegene Anstalt eingewiesen zu werden, ohne dass hiezu eine medizinische Notwendigkeit gegeben ist, hat er für den allfälligen Mehraufwand selbst aufzukommen (Z 42 KO).

Die Aufnahme in eine Krankenanstalt ist mit Angabe der Diagnose unverzüglich der Kasse zu melden. Bei Bestehen eines Anspruches auf Anstaltspflege gibt die Kasse der Krankenanstalt eine Kostenübernahmeerklärung ab und bezahlt die mit der Krankenanstalt vereinbarten Pflegegebührensätze (Z 43 Abs 1 KO). Für kosmetische Behandlungen (plastische Operationen), Abmagerungskuren, Schwangerschaftsunterbrechungen, Sterilisationen hat der Versicherte in der Regel vor Aufnahme in die Krankenanstalt die Bewilligung der Kasse einzuholen (Z 43 Abs 2 KO). Für die Aufnahme in ausländische Krankenanstalten ist in der Regel die vorherige Bewilligung der Kasse einzuholen, soweit es sich nicht um Erste Hilfe handelt (Z 43 Abs 3 KO).

Nimmt der Versicherte Pflege in einer Krankenanstalt in Anspruch, die mit der Kasse in keinem Vertragsverhältnis steht, so wird von der Kasse ein Kostenersatz geleistet, wenn die Anstaltspflege notwendig und unaufschiebbar war oder die Kasse der Anstaltspflege vorher zugestimmt hat. Die Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit wird vom Vertrauensarzt der Kasse festgestellt. Die Höhe des Kostenersatzes beträgt höchstens das Ausmaß der Kosten, die der Kasse in der nach Art und Umfang der Einrichtungen und Leistungen in Betracht kommenden nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt erwachsen wären (Z 48 KO). Die saldierte Originalrechnung über die Anstaltspflege ist der Kasse nach der Entlassung aus der Krankenanstalt vorzulegen. Der Kostenersatz wird innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung der saldierten Rechnung geleistet (Z 49 KO).

Aus dem Vorgesagten folgt, dass der Versicherungsträger die Anstaltspflege grundsätzlich als Sachleistung gewährt, wenn sie in öffentlichen Krankenanstalten, eigenen Krankenanstalten des Versicherungsträgers oder sonstigen nichtöffentlichen Krankenanstalten erfolgt, mit denen der Versicherungsträger in keinem Vertragsverhältnis steht. Für den vorliegenden Fall der Anstaltspflege des Sohnes der Klägerin im Universitätsspital Zürich stellt sich jedoch zunächst die Vorfrage, ob die Klägerin über die erforderliche Aktivlegitimation verfügt, die für die Anstaltspflege ihres Sohnes in einer ausländischen Krankenanstalt aufgelaufenen Kosten von der beklagten Partei ersetzt zu verlangen:

Es entspricht der ständigen, von der herrschenden Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass eine Leistungsklage auf Kostenersatz aus der Krankenversicherung voraussetzt, dass die Kosten vorher vom Versicherten oder Anspruchsberechtigten getragen wurden. Dass nur bereits bezahlte, also ausgelegte Kosten refundiert werden (können), beruht auf dem im Krankenversicherungsrecht geltenden Kostenerstattungsprin- zip. Dass hierüber saldierte Rechnungen verlangt werden, entspricht einem Gebot der Verwaltungsökonomie (AB 613 BlgNR 7. GP 16; Schwind in SozSi 1970, 138 ff; Knier in SozSi 1971, 75 ff; Tomandl, Grundriss Sozialrecht4 Rz 71; Krejci in SozSi 1988, 302 ff; Binder in Tomandl, SV-System 218 ff; Grillberger in Strasser, Arzt- und gesetzliche Krankenversicherung 426 ff; SSV-NF 10/30, 10/48, 10/95 [= SZ 69/209] ua). Mangels vorheriger Kostentragung durch den Versicherten wäre ein allfälliges Klagebegehren auf Ersatz dieser Kosten von vornherein unberechtigt (10 ObS 9/99t).

Wie bereits erwähnt ist die Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip geprägt. Eine Kostenerstattung nimmt der Krankenversicherungsleistung grundsätzlich nicht den Sachleistungscharakter (SSV-NF 10/114 [zust Flemmich in DRdA 1997, 233 [[235]]). Zutreffend hob schon das Landesgericht Salzburg in SV-Slg 34.644 hervor, dass bei der unmittelbaren Abrechnung zwischen den Erbringern der Krankenbehandlung (Ärzten, Krankenanstalten etc) und den Sozialversicherungsträgern die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten "entkommerzialisiert" werden. Den Versicherten wird in einem derartigen Fall der Weg zum Arzt erheblich erleichtert, weil sie keine Honorarzahlung vorstrecken müssen. Schon aus der sozialen Zielsetzung des Sachleistungsprinzips ergibt sich, dass die Sozialversicherung die Leistungen der Krankenbehandlung und Anstaltspflege vor allem über das Vertragsarztsystem und öffentliche Krankenanstalten erbringen will. Aus Gründen des gesetzlichen Auftrags, das Sachleistungsprinzip möglichst zu verwirklichen, ist es erforderlich, den sozialversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht nur vom Entstehen eines wahlärztlichen Honoraranspruches abhängig zu machen, sondern auch von der endgültigen schuldbefreienden Bezahlung (Krejci aaO 308). Da auch die Anstaltspflege grundsätzlich als Sachleistung erbracht wird, muss auch für diesen, ähnlich der Erstattung der Kosten der Krankenbehandlung in § 131 ASVG formulierten Bereich das Kostenerstattungsprinzip gelten (§ 150 ASVG; SV-Slg 34.644).

Der sozialversicherungsrechtliche Kostenerstattungsanspruch setzt einerseits voraus, dass die nicht in einem Vertrag mit dem Krankenversicherungsträger stehende Krankenanstalt tatsächlich Leistungen der Anstaltspflege erbracht hat, andererseits, dass dem Versicherten daraus tatsächlich Kosten erwachsen sind. Bereits die Gesetzesmaterialien zu § 131 ASVG (AB 613 BlgNR 7. GP 16; zu § 150 ASVG finden sich keine näheren Ausführungen) gingen davon aus, dass der Versicherte, der einen Wahlarzt in Anspruch nimmt, diesen auch zunächst selbst zu honorieren hat, bevor er auf Grund einer saldierten Rechnung von der Krankenkasse Rückersatz erhält. Eine kostenlose Anstaltspflege führt ebenso wenig wie eine Anstaltspflege auf ausschließliche Rechnung eines Dritten zu einem Kostenerstattungsanspruch des Versicherten. Wie schon erwähnt ist es aus Gründen des gesetzlichen Auftrages, das Sachleistungsprinzip durch den Aufbau und die Erhaltung eines Krankenanstaltensystems möglichst zu verwirklichen, erforderlich, den sozialversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht nur vom Entstehen eines Honoraranspruches abhängig zu machen, sondern auch von der endgültigen, schuldbefreienden Bezahlung (Krejci aaO 308).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde der Sohn der Klägerin regulär in die Anstaltspflege des (unstrittig in einem Vertragsverhältnis mit der beklagten Partei als Versicherungsträger stehenden) LKH Feldkirch aufgenommen, wo ihm auch die Erstbehandlung zuteil wurde. Feststeht weiters, dass der Sohn der Klägerin anschließend über Veranlassung der behandelnden Ärzte des LKH Feldkirch in das Universitätsspital Zürich überstellt wurde, nachdem eine Weiterbehandlung im LKH Feldkirch mangels der erforderlichen Einrichtungen für die schweren lebensbedrohenden Verbrennungen nicht mehr medizinisch vertretbar war. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass ein Vertrag über die Behandlung des Sohnes der Klägerin zwischen dem LKH Feldkirch und dem Universitätsspital Zürich zustande kam. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bzw der Mitversicherte (auch oder ausschließlich) einen Behandlungsvertrag mit dem Universitätsspital Zürich abgeschlossen haben, liegen nicht vor. Derartiges wurde im Verfahren auch von keiner Partei behauptet.

Konsequenterweise legte das Universitätsspital Zürich über die gegenständliche Behandlung Rechnung an das LKH Feldkirch, das diese unmittelbar gelegte Rechnung ebenso konsequenterweise bezahlte. Dass das Universitätsspital Zürich über die gegenständliche Behandlung auch (in Summe betragsgleiche) Rechnungen an den Sohn der Klägerin legte, ist für den Verfahrensausgang ohne Bedeutung, weil diese Rechnungen nie bezahlt wurden. Zufolge Vollbefriedigung durch das LKH Feldkirch kann vom Universitätsspital Zürich auch keine Forderung mehr an die Klägerin oder den Mitversicherten gestellt werden. Durch die Zahlung wurde eine vom Universitätsspital Zürich unmittelbar gegen das LKH Feldkirch (bzw den Krankenhausträger) geltend gemachte Forderung von diesem Rechnungsadressaten bezahlt, nicht aber eine Zahlungsverpflichtung der Klägerin vorfinanziert oder eingelöst. Das Problem einer Einlösung der Forderung des Universitätsspitals Zürich durch das LKH Feldkirch stellt sich nicht, weil das LKH Feldkirch mit der Bezahlung der gelegten Rechnung seine eigenen Schulden getilgt hat. Ein sogenannter Drittleistungsfall liegt demzufolge entgegen der Ansicht der Rekursgegnerin auch nicht vor, weshalb nicht weiter darauf eingegangen werden muss, inwieweit ein Versicherter auch in jenen Fällen, in denen nicht er selbst die ihn treffenden Kosten der Anstaltspflege befriedigt, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Krankenversicherungsträger haben kann. Der Sohn der Klägerin wurde nach den Verfahrensergebnissen im Universitätsspital Zürich auf ausschließliche Rechnung des LKH Feldkirch behandelt; ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist daher weder notwendig noch gegen die beklagte Partei gegeben (vgl Krejci aaO 308). Mangels vorheriger Kostentragung durch den Versicherten ist das gestellte Klagebegehren auf Ersatz der Kosten der Anstaltspflege von vornherein unberechtigt (10 ObS 9/99t).

Diese rechtliche Beurteilung ist bereits auf Grund der unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes möglich, ohne dass es der vom Berufungsgericht als erforderlich angenommenen Verfahrensergänzung bedarf. Dem Rekurs der beklagten Partei ist daher Folge zu geben. Zufolge Spruchreife kann gleich in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils erkannt werden (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 519).

Da das erhobene Begehren bereits aus den oben angeführten Gründen nicht zu Recht besteht, erübrigt es sich, die Frage zu prüfen, ob im Hinblick darauf, dass der Sohn der Klägerin in einer öffentlichen Krankenanstalt (Landeskrankenhaus Feldkirch) aufgenommen wurde und von dort die weiteren Veranlassungen (Unterbringung in einer Krankenanstalt in Zürich) getroffen wurden, § 148 Z 3 ASVG der Verpflichtung der Klägerin zur Tragung von Behandlungskosten entgegenstünde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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