OGH 10ObS320/98a

OGH10ObS320/98a13.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann P*****, vertreten durch Mag. Martin Pancheri, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Witwerpension, infolge Revision der klagenden gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 1998, GZ 25 Rs 55/98v-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. Jänner 1998, GZ 55 Cgs 1/97b-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 27. 5. 1993 verstarb die Gattin des am 21. 10. 1931 geborenen Klägers. Nach deren Begräbnis schickte der Kläger seine (volljährige) Tochter zur Tiroler Gebietskrankenkasse, wo sie schon früher alle Angelegenheiten für ihre Mutter (und Gattin des Klägers) erledigt hatte. Konkret schickte sie der Kläger an diesem Tag mit einer Sterbeurkunde samt Auftrag, die Verstorbene bei der Tiroler Gebietskrankenkasse abzumelden und sich dort auch nach seiner Witwerpension zu erkundigen. Ines W***** hatte bis dahin immer die Hilfsmittel für die Pflege ihrer Mutter bei der Tiroler Gebietskrankenkasse abgeholt und diese am besagten Tag dort retouniert; außerdem ging sie am selben Tag zum Namensschalter, um die Sterbeurkunde auftragsgemäß abzugeben und sich wegen der Witwerpension des Vaters zu erkundigen. Dort wurde ihr vom diensthabenden Schalterbeamten gesagt, daß weitere Unterlagen nicht benötigt würden und der Antrag auf Witwerpension weitergeleitet werde. Die Sterbeurkunde wurde von diesem Beamten in Empfang genommen. Als die Tochter wieder nach Hause kam, erzählte sie ihrem Vater, daß sie alles abgegeben habe und alles in Ordnung sei.

Nachdem der Kläger in weiterer Folge von der beklagten Partei nichts hörte, dachte er zunächst, daß er keine Pension bekomme, weil er zuviel verdiene. Erst später, als er erfuhr, daß diese Pension einkommensunabhängig sei, suchte er selbst die Niederlassung der beklagten Partei auf und stellte dort am 26. 2. 1996 einen (neuerlichen) Antrag auf Auszahlung der Witwerpension ab dem Todestag seiner Gattin. Er brachte dort am Schalter auch vor, daß seine Tochter bereits längst bei der Tiroler Gebietskrankenkasse deren Sterbeurkunde abgegeben habe. Tatsächlich lag diese Sterbeurkunde im dortigen Leistungsakt des Klägers.

Wenn bei der Tiroler Gebietskrankenkasse nach dem Tod einer versicherten Person von einem Angehörigen eine Sterbeurkunde abgegeben wird, wird dies so gehandhabt, daß diese an die zuständige Pensionsversicherungsanstalt weitergeleitet wird. Normalerweise schickt allerdings der Schalterbeamte denjenigen, der eine solche Sterbeurkunde übergeben will, zur nahegelegenen Pensionsversicherungs- anstalt hin. Wenn er dies aber nicht tut, so muß er die Urkunde an die Pensionsversicherungsanstalt weiterleiten. Die Sterbeurkunde der verstorbenen Gattin des Klägers wurde (aus nicht eruierbaren Gründen) nicht an die beklagte Partei weitergeleitet, sondern im Leistungsakt (der Gebietskrankenkasse) abgelegt.

Mit Bescheid vom 3. 10. 1996 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Witwerpension ab dem 26. 2. 1996.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage ficht der Kläger diesen ausdrücklich nur dahin an, als ihm die Witwerpension nicht bereits seit dem Todestag seiner Gattin, also dem 27. 5. 1993, zuerkannt wurde und stellte demgemäß das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm auch im Zeitraum 27. 5. 1993 bis 26. 2. 1996 eine solche im gesetzlichen Ausmaß zu leisten.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Witwerpension ab dem 28. 5. 1993 im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren; das Mehrbegehren auf Leistung der Witwerpension auch für den 27. 5. 1993 wurde abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß gemäß § 361 Abs 4 ASVG ein bei einem anderen (als dem zuständigen) Versicherungsträger eingebrachter Leistungsantrag ohne unnötigen Aufschub an den zuständigen Träger weiterzuleiten sei und dann mit dem Tage des Einlangens dort als rechtswirksam eingebracht gelte. Da die Sterbeurkunde samt Antrag auf Witwerpension bereits wenige Tage nach dem Begräbnis der verstorbenen Gattin bei der Tiroler Gebietskrankenkasse eingelangt sei, sei die Frist von sechs Monaten nach § 86 Abs 3 Z 1 ASVG gewahrt worden. Beim Antrag auf Witwerpension habe es sich um einen konkludent gestellten Antrag gehandelt, der zunächst durch eine Anfrage wegen der Witwerpension eingeleitet und nach der Belehrung, daß die Sterbeurkunde weitergeleitet werde, durch Übergabe derselben auch formell gestellt worden sei. Der Leistungsanspruch des Klägers habe jedoch nicht bereits mit dem Todestag seiner Gattin, sondern erst dem darauffolgenden Tag begonnen, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Während die Abweisung des Mehrbegehrens unbekämpft blieb, erhob die beklagte Partei ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung gegen die Zuerkennung der Witwerpension bereits ab dem 28. 5. 1993 Berufung, der das Berufungsgericht Folge gab. Es änderte die bekämpfte Entscheidung dahin ab, daß das Begehren des Klägers auf Gewährung der Witwerpension im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 28. 5. 1993 bis 26. 2. 1996 abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht beurteilte den Sachverhalt abweichend vom Erstgericht dahin, daß die Voraussetzungen für einen Antrag zum Anfall einer Hinterbliebenenpension gemäß §§ 86, 361 Abs 1 Z 1 ASVG nicht erfüllt seien. Trotz des im Sozialversicherungsrecht herrschenden Grundsatzes der sozialen Rechtsanwendung könne auch eine allenfalls unrichtige Auskunft eines Schalterbeamten der Gebietskrankenkasse, er werde die Sterbeurkunde als Antrag auf Hinterbliebenenpension weiterleiten, nicht den zur Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Leistungsanspruches notwendigen Antrag ersetzen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Leistungen aus der Pensionsversicherung sind grundsätzlich nur auf Antrag zu gewähren (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG; SSV-NF 2/52, 4/21, 10 ObS 92/97w; RS0085092). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, läßt sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrages auch aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 4/21, 10 Obs 92/97w; RS0086446). Nach § 86 Abs 3 Z 1 ASVG (in der zum Stichtag [§ 223 Abs 1 Z 3 ASVG] maßgeblichen Fassung) fielen Hinterbliebenenpensionen - ausgenommen solche nach einem Pensionsempfänger - mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalles (das ist nach § 223 Abs 1 Z 3 ASVG bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes mit dem Tod) folgenden Tag an, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach Eintritt desselben gestellt wurde; wurde der Antrag auf Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fiel die Pension erst mit dem Tag der Antragstellung an (so auch die derzeit in Geltung stehende Fassung). Nach § 361 Abs 4 ASVG sind Anträge auf Leistungen (grundsätzlich) beim örtlich und sachlich zuständigen Versicherungsträger (hier also bei der beklagten Partei) einzubringen; wird der Antrag jedoch bei einem anderen Versicherungsträger eingebracht (lit a leg cit), so ist er ohne unnötigen Aufschub an den zuständigen Versicherungsträger weiterzuleiten und gilt dann mit dem Tag des Einlangens bei der anderen Stelle (hier: Gebietskrankenkasse) als bei dem zuständigen Versicherungsträger rechtswirksam eingebracht (wobei die Änderung dieser Gesetzesstelle durch Art 1 Z 22 des AMS-BegleitG BGBl 1994/314 für die gegenständliche Beurteilung keine inhaltliche Änderung brachte). Entscheidungsrelevant ist somit, ob die von den Vorinstanzen festgestellte Vorsprache der Tochter des Klägers nach dem Begräbnis der Mutter bzw Gattin des Genannten am Namensschalter der Tiroler Gebietskrankenkasse samt Abgabe der Sterbeurkunde und Erkundigung wegen der Witwerpension ihres Vaters diesen Antragserfordernissen nach den zitierten Gesetzesstellen gerecht wurde oder nicht. Für die (von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte) Beantwortung dieser Frage sind - worauf das Berufungsgericht an sich zutreffend hingewiesen hat - die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) BGBl 1991/51 idgF maßgeblich. Für Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen (§ 354 ASVG) gelten nämlich nach § 357 Abs 1 ASVG ua die Bestimmungen der §§ 10 - 12 AVG über Vertreter sowie §§ 13 - 17 AVG über Anbringen, Rechtsbelehrung, Niederschriften und Aktenvermerkte sowie § 18 Abs 1, 2 und 4 AVG über Erledigungen.

Hiebei kommt der Bestimmung des § 13 Abs 2 AVG maßgebliche Bedeutung zu. Danach sind Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriftlich einzubringen. Damit ist der (in Abs 1 dieser Gesetzesstelle vorgesehene und vom Revisionswerber bereits in seiner Berufungsbeantwortung in den Vordergrund gerückte) mündliche Weg für derartige fristgebundene oder fristbestimmende Eingaben ausgeschlossen und der ansonsten zur Anwendung kommende Grundsatz einer weitgehenden Formfreiheit (Resch, Formvorschriften im Verfahren vor den Sozialversicherungsträgern, ZAS 1992, 81 ff) für solche Anträge durchbrochen. Leistungsanträge in Sozialversicherungssachen betreffend Hinterbliebenen- leistungen sind - wie bereits weiter oben aufgezeigt - insofern fristgebunden, als sie den Anfall der Leistung bestimmen; bei Antragstellung zu einem späteren Zeitpunkt kommt es zu Leistungsverlusten. Für den konkreten Anfall einer solchen Pension ist der Antrag auf Zuerkennung einer solchen daher jedenfalls fristgebunden. Auch solche Fristen sind aber von § 13 Abs 2 AVG umfaßt (vgl etwa VwGH 19. 1. 1995, Zl 94/18/0961, wonach nicht bloß verfahrensrechtliche - wie etwa im Zusammenhang mit Rechtsmitteln -, sondern auch materiell-rechtliche Fristen darunter fallen und derartige Anträge daher nur schriftlich eingebracht werden können). Das Vorbringen des Klägers und Revisionswerbers, seine (mündlich bevollmächtigte) Tochter habe sich bei der (hiefür an sich gar nicht zuständigen) Behörde (Gebietskrankenkasse) eingefunden und sich beim dortigen Schalterbeamten nach der Pension erkundigt, sodaß diese Behörde seinen "Antrag" als Anbringen im Sinne des § 13 Abs 1 AVG (also mündliches Anbringen) hätte werten müssen, übersieht somit die ausdrückliche Anordnung der Schriftform in Abs 2 dieser Gesetzesstelle (vgl hiezu auch Oberndorfer in Tomandl, System, 687).

Der Zweck dieser Anordnung liegt auf der Hand: Einerseits soll das Datum, auf welches es nach dem Vorgesagten für den Anfall der Leistung entscheidend ankommt, zweifelsfrei dokumentiert und außer Diskussion gestellt sein, zum anderen wird dadurch aber auch - nicht zuletzt zu Gunsten des antragstellenden Berechtigten - eine Beweissicherung dieses entscheidungserheblichen Umstandes gewährleistet. Ob ein in einem Protokoll dokumentiertes mündliches Anbringen im Hinblick darauf, daß auch dabei all diese Voraussetzungen erfüllt sind, dem Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 13 Abs 2 AVG gerecht wird, kann hier unerörtert bleiben, weil die Protokollierung eines Antrages auf Gewährung der Witwenpension nicht einmal behauptet wurde.

Da ein dem Gesetz entsprechender Antrag vor dem 26. 2. 1996 nicht gestellt wurde, ist das Begehren auf Gewährung der Witwenpension für den davor liegenden Zeitraum nicht berechtigt. Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte