Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie - unter Einbeziehung der unangefochten gebliebenen und damit in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Zinsenbegehrens - insgesamt lauten:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger S 1.604,-- samt 4 % Zinsen seit Klagstag binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen, wird abgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger musste sich am 14. 9. 1999 einer Hüftgelenksoperation links unterziehen, wobei eine Totalendoprothese eingepflanzt wurde. Über ärztliches Anraten wurde eine Eigenblutvorsorge getroffen, wobei der Kläger zwei Konserven Blut bereit stellen ließ. Dafür wurde dem Kläger vom LKH Graz ein Betrag von S 1.604,-- verrechnet.
Aus ärztlicher Sicht ist bei einer geplanten Operation die Bereitstellung von Eigenblutkonserven dringend zu empfehlen, da sie grundsätzlich eine nützliche und sinnvolle Maßnahme der Krankenbehandlung darstellt. Trotz sorgfältigster Kontrollen an der Blutbank kann ein minimales Restrisiko bezüglich einer Infektion mit Hepatitisviren bzw HIV-Viren nicht ausgeschlossen werden. Das Risiko bewegt sich im Promillebereich. Die Verabreichung von Fremdblut bei der Operation hätte grundsätzlich ausgereicht, jedoch mit dem erwähnten Restrisiko einer Infektion.
Mit Bescheid vom 29. 10. 1999 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 15. 10. 1999 auf Kostenersatz der vom Landeskrankenhaus Graz in Rechnung gestellten Eigenblutkonserven abgelehnt.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 1.604,-- samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 1999. Im Hinblick auf das Restrisiko der Übertragung von Infektionskrankheiten und die relativ geringen Kosten sei die Versorgung des Klägers mit Eigenblut für die geplante Operation ausreichend und auch zweckmäßig gewesen und habe das Maß des Notwendigen nicht überschritten.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei nur hinsichtlich des Zinsenbegehrens Folge und bestätigte im Übrigen das angefochtene Urteil im Zuspruch von S 1.604,--.
In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst aus, dass eine allein an ökonomischen Gesichtspunkten orientierte Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung kein geeignetes Instrument darstelle, weil dabei wesentliche, insbesondere die Person des Patienten betreffende Kriterien unberücksichtigt blieben. Die Kosten bildeten neben der Qualität, der Quantität und der Eignung einer Maßnahme, den angestrebten Erfolg herbeizuführen, nur eines von mehreren Beurteilungskriterien. Das Gewicht des Kostenarguments nehme zu, je geringer der von der Behandlung tangierte Zweck der Krankenbehandlung bewertet werde; umgekehrt trete die Höhe der Kosten als Argument in den Hintergrund, je höher das tangierte Gut zu bewerten sei. Für das Gewicht des Kostenarguments sei somit das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall maßgeblich.
Im konkreten Fall könne nicht von einer Zweckwidrigkeit der vorgenommenen Behandlung gesprochen werden. Es stehe unstrittig fest, dass bei einer Fremdbluttransfusion ein - wenn auch im Promillebereich gelegenes - Restrisiko einer Infektion verbleibe; nach allgemeiner Anschauung habe aber eine HIV-Kontaminierung verheerende Konsequenzen, und auch eine Ansteckung mit Hepatitis zeitige erhebliche Folgen. Dementsprechend habe auch der behandelnde Arzt die Eigenblutvorsorge dringend empfohlen.
Den möglichen Folgen einer Infektion stehe ein relativ geringer Kostenaufwand (für die Entsorgung nicht verwendeter Eigenblutkonserven) gegenüber, sodass die Verpflichtung der beklagten Partei zur Kostentragung als gegeben anzusehen sei.
Die beklagte Partei habe im Übrigen nicht dargelegt, welche rechtlichen Konsequenzen mit dem Vorbringen verbunden seien, dass durch die Zahlungen der beklagten Partei in den Steiermärkischen Landesfonds im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung sämtliche Leistungen der medizinisch notwendigen Krankenbehandlung abgegolten worden seien und dass das LKH Graz für die Eigenblutvorsorge des Klägers ein Privathonorar ausgestellt habe.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof bislang zu der vorliegenden Problematik, der eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, keine Stellung bezogen habe.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.
Die beklagte Partei vetritt den Standpunkt, dass nur jene Maßnahmen der Krankenbehandlung als notwendig zu beurteilen seien, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich seien; bloß ärztlich empfohlene Maßnahmen erfüllten dieses Kriterium nicht. Im Übrigen sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass durch die Zahlungen der beklagten Partei in den steiermärkischen Landesfonds im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung gemäß § 148 ASVG iVm § 68 B-KUVG sämtliche Leistungen der medizinisch notwendigen Krankenbehandlung abgegolten seien. Da seitens des LKH Graz für die Eigenblutvorsorge ein Privathonorar ausgestellt worden sei, sei auch die Krankenanstalt davon ausgegangen, dass die Eigenblutvorsorge nicht von der medizinisch notwendigen Krankenbehandlung im Rahmen der Landesfondsfinanzierung umfasst sei. Sie überschreite somit das Maß des Notwendigen bzw sei die Versorgung mit Fremdblut jedenfalls als ausreichende und zweckmäßige Maßnahme anzusehen.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:
(Bei den zitierten Paragraphen ohne Gesetzesangabe handelt es sich um solche des B-KUVG in der am 14. 9. 1999 geltenden Fassung)
Die Krankenversicherung trifft unter anderem Vorsorge für den Versicherungsfall der Krankheit (§ 51 Abs 1 Z 2). Als Leistungen der Krankenversicherung aus diesem Versicherungsfall werden nach Maßgabe der Bestimmungen des B-KUVG unter anderem Krankenbehandlung (§§ 62 bis 65), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege (§ 71) oder Anstaltspflege (§§ 66 bis 68) gewährt (§ 52 Z 2).
Die Krankenbehandlung umfasst u.a. ärztliche Hilfe (§ 62 Abs 1). Sie muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit im B-KUVG nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht (§ 62 Abs 2). Befindet sich ein Versicherter in Anstaltspflege, so besteht für die Zeit kein Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung, soweit die entsprechenden Leistungen nach dem Krankenanstaltengesetz, BGBl Nr 1/1957, im Rahmen der Anstaltspflege zu gewähren sind (§ 62 Abs 5).
Unter dem weder im ASVG noch im B-KUVG definierten Begriff "Anstaltspflege" ist die durch die Art der Krankheit erforderte, durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingte "einheitliche und unteilbare" Gesamtleistung der stationären Pflege in einer - nicht gemäß § 144 Abs 4 ASVG bzw § 66 Abs 4 B-KUVG ausgenommenen - Krankenanstalt zu verstehen. So wie die Krankenbehandlung bezweckt sie die Wiederherstellung, Festigung oder Besserung der Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Selbsthilfefähigkeit, tritt aber insofern hinter die Krankenbehandlung zurück, als sie als Leistung der Krankenversicherung erst beansprucht werden kann, wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht mehr ausreicht, um eine Krankheit durch ärztliche Untersuchung festzustellen und sodann durch Behandlung zu bessern oder zu heilen (10 ObS 2317/96t = SSV-NF 10/119 = DRdA 1997/41, Binder). Die von der Krankenanstalt zu erbringenden Teilleistungen der Anstaltspflege sind die Kosten der Unterkunft, der ärztlichen Untersuchung und Behandlung, der Beistellung von allen erforderlichen Heilmitteln, Arzneien usw, sowie der Pflege und der Verköstigung (SZ 64/164 = SSV-NF 5/130).
Für die Regelung der Beziehungen der Versicherungsanstalt zu den landesfondsfinanzierten Krankenanstalten sind gemäß § 68 Abs 1 idF BGBl 1996/764 die Bestimmungen des § 148 ASVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Krankenanstalten verpflichtet sind, die gemäß § 66 anspruchsberechtigten Erkrankten in die allgemeine Gebührenklasse aufzunehmen und die Versicherungsanstalt abweichend von § 148 Z 10 3. Satz ASVG berechtigt ist, vertragliche Vereinbarungen über Leistungen im Sinne des § 59 Abs 1 2. Satz zu treffen.
Nach § 148 Z 2 und Z 3 ASVG idF BGBl 1996/764 und BGBl I 1998/138 sind die den Krankenanstalten gemäß § 27b KAG gebührenden Zahlungen zur Gänze von den Landesfonds zu entrichten. Alle Leistungen der Krankenanstalten, insbesondere im stationären, halbstationären, tagesklinischen und ambulanten Bereich einschließlich der aus dem medizinischen Fortschritt resultierenden Leistungen sind mit den in § 148 Z 3 lit a - d ASVG genannten Zahlungen abgegolten (LKF-Gebührenersätze der Landesfonds gemäß § 27b Abs 2 KAG, Zahlungen der Landesfonds gemäß § 27b Abs 3 KAG, Kostenbeiträge nach § 27a KAG und Ausgleichszahlungen gemäß § 27b Abs 4 KAG). Neben Unterkunft und Verpflegung sind auch ärztliche Untersuchungen und die Behandlung, die Beistellung der erforderlichen Hilfsmittel und therapeutischen Behelfe umfasst (SSV-NF 4/8 = ZAS 1990/25, A. Radner; Binder in Tomandl, SV-Systen, 12. ErgLfg, 2.2.3.4.F). Ausgenommen sind nur Leistungen im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, im Einvernehmen zwischen dem Hauptverband und den betroffenen Ländern ausgenommene Leistungen und die im § 27 Abs 2 KAG angeführten Leistungen.
Auch § 27 Abs 1 KAG in der bis 31. 12. 2000 geltenden Fassung sieht vor, dass mit den LKF-Gebühren oder den Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse - unbeschadet § 27 Abs 2 und § 27a KAG - alle Leistungen der Krankenanstalt abgegolten sind. Nicht inbegriffen in den LKF-Gebühren oder den Pflegegebühren sind gemäß § 27 Abs 2 KAG die Kosten der Beförderung des Pfleglings in die Krankenanstalt und aus derselben, die Beistellung eines Zahnersatzes - sofern diese nicht mit der in der Krankenanstalt durchgeführten Behandlung zusammenhängt -, die Beistellung orthopädischer Hilfsmittel (Körperersatzstücke) - soweit sie nicht therapeutische Behelfe darstellen -, ferner die Kosten der Bestattung eines in der Krankenanstalt Verstorbenen. Gleiches gilt für Zusatzleistungen, die mit den medizinischen Leistungen nicht im Zusammenhang stehen und auf ausdrückliches Verlangen des Pfleglings erbracht werden. § 27a KAG bezieht sich auf den hier nicht relevanten Kostenbeitrag pro Verpflegstag.
Ein anderes als das gesetzlich vorgesehene Entgelt (§ 27 Abs 1 bis einschließlich Abs 4 und § 27a KAG) darf von Pfleglingen oder ihren Angehörigen nicht eingehoben werden (§ 27 Abs 5 KAG).
Aus der dargestellten, im Jahre 1999 geltenden Rechtslage ergibt sich für die Entscheidung Folgendes:
Bei der Eigenblutvorsorge handelt es sich als Vorleistung für die geplante Operation um einen Teil der von der Anstaltspflege umfassten ärztlichen Behandlung (vgl Binder in Tomandl, SV-System, 12. ErgLfg, 2.2.3.2.1.B). Mit den vom Landesfonds gezahlten Pflegegebühren in der allgemeinen Gebührenklasse werden auch alle Leistungen der Krankenanstalt für die medizinisch notwendige Krankenbehandlung - des Kernpunkts der Anstaltspflege - zur Gänze abgegolten (Binder aaO 2.2.3.4.F; zum früheren Recht vgl 10 ObS 286/90 = SSV-NF 4/146 und A. Radner in der Anmerkung zu ZAS 1990/25), sodass die beklagte Partei nicht verpflichtet ist, dem Kläger den von ihm weiters begehrten Ersatz zu leisten.
Ein Eingehen auf die Frage, ob die Eigenblutvorsorge notwendig und zweckmäßig war und das Maß des Notwendigen nicht überschritten hat, erübrigt sich somit.
Der Revision der beklagten Partei ist daher Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen sind im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
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