OGH 10ObS286/90

OGH10ObS286/9020.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (Arbeitgeber) und Mag.Wilhelm Patzold (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag.jur.Rudolf H***, 1020 Wien, Machstra8e 8/1/16, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** G***, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ersatzes von Pflegegebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.März 1990, GZ 34 Rs 209/89-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20.Juni 1989, GZ 5 Cgs 517/88-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich 257,25 S Umsatzsteuer mit 1.543,50 S bestimmten halben Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26.9.1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Übernahme der über den satzungsgemäßen Zuschuß von 5.000 S hinausgehenden Kosten für die für seinen am 24.7.1968 geborenen Sohn Hermann verordnete notwendige Lenox-Hill-Orthese (OUS-Apparat, Pos 512) unter Berufung auf die §§ 137 und 154 ASVG iVm den §§ 30 und 39 ihrer Satzung ab.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei zu verpflichten, ihm bzw seinem Sohn die Anstaltspflege ohne Kostenbeteiligung (Ausnahme 10 %) zu gewähren, indem sie entweder die ihm von ihr ungesetzlich verursachten Kosten von 6.843 S bezahle oder ihn gegenüber dem Orthopäden oder der Krankenanstalt dadurch schad- und klaglos halte, daß sie bei ihren Vertragspartnern die Stornierung der an ihn gerichteten Forderung von 6.843 S bewirke; allenfalls möge festgestellt werden, daß die Lenox-Hill-Orthese ein therapeutischer Behelf im Sinne des § 27 Abs 2 KAG bzw des § 44 Abs 4 WrKAG und mit den Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse nach § 148 Z 3 ASVG abgegolten sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach seinen Feststellungen befand sich der Sohn des Klägers, Hermann, ein anspruchsberechtigter Angehöriger im Sinne des § 123 ASVG, vom 16.8. bis 3.9.1988 in stationärer Pflege des Orthopädischen Spitals Wien - Speising. Die beklagte Partei übernahm 90 vH der aufgelaufenen Pflegegebühren. Am 25.8.1988 verordnete das Spital eine Lenox-Hill-Orthese, die von der Firma K*** um 11.843 S angefertigt wurde. Die beklagte Partei bewilligte diese Verordnung auf Vorlage durch die genannte Firma als Sachleistung und bezahlte 5.000 S, lehnte aber mit dem angefochtenen Bescheid die Übernahme der Restkosten von 6.843 S ab.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist es nicht entscheidungswesentlich, ob es sich bei der Lenox-Hill-Orthese um einen therapeutischen Behelf oder um ein Hilfsmittel bzw einen Heilbehelf handelt. Wäre sie ein therapeutischer Behelf, so wären ihre Kosten mit dem Pflegegebührenersatz durch die beklagte Partei abgegolten und es bestünde weder für den Kläger noch für die beklagte Partei eine Verpflichtung zu einer weitergehenden Leistung. Wäre sie ein Hilfsmittel oder ein Heilbehelf, dann hätte die beklagte Partei einen Kostenbeitrag von nicht mehr als 5.000 S zu leisten und der Kläger den Restbetrag zu zahlen. Der Kläger wäre nur dann zu einem Kostenbeitrag für die Orthese verpflichtet, wenn es sich dabei um ein Hilfsmittel oder einen Heilbehelf handeln würde und dieser vom Kläger ordnungsgemäß durch Willenseinigung über Ware und Preis bestellt worden wäre. Eine solche Zahlungspflicht des Klägers könne jedoch aus der Bewilligung der (teilweisen) Kostenübernahme (im Rahmen einer Sachleistung) durch die beklagte Partei nicht entstehen. Die Bewilligung einer Verordnung bedeute nur, daß die Krankenkasse einer schon bestehenden Verpflichtung des Versicherten im Rahmen des aufrechten Versicherungsvertrages beitrete. Bestehe jedoch keine solche Verpflichtung, könne sie auch nicht durch den irrtümlichen Beitritt des Versicherungsträgers entstehen. Eine an die Firma K*** gerichtete Erklärung der beklagten Partei, im Rahmen der Sachleistung für die Herstellung der Orthese einen Beitrag von 5.000 S leisten zu wollen, könnte bestenfalls ein Vertrag zwischen ihr und dieser Firma sein, der aber niemals zu Lasten des Klägers als eines Dritten gehen könne. Die Verursachung einer Verpflichtung des Klägers zur Bezahlung der Orthese könne daher nicht der beklagten Partei angelastet werden. Umsoweniger könne diese dazu verhalten werden, einen nach Übernahme eines Teiles der Kosten verbleibenden Restbetrag zu berichtigen. Die beklagte Partei habe auch keinen Grund und keine Möglichkeit, die Krankenanstalt oder die Firma K*** anderweitig zur Stornierung ihrer Forderung gegen den Kläger zu verhalten. Eine Verpflichtung der beklagten Partei, die Krankenanstalt oder die genannte Firma über die rechtliche Qualifikation der Lenox-Hill-Orthese aufzuklären und ihren Versicherten vor ungerechtfertigten Forderungen zu schützen, sei dem ASVG nicht zu entnehmen. Da die Qualifikation der Orthese auf die Zahlungspflicht der beklagten Partei und damit auf die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien keinen Einfluß habe, fehle dem Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Qualifikation.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) erhobenen, auf Abänderung im klagestattgebenden Sinne, allenfalls Aufhebung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S nicht übersteigt und daß die Revision zulässig sei.

Nach seiner Rechtsmeinung sei die von der Krankenanstalt verordnete, vom Orthopädietechniker K*** angefertigte und nach Lieferung während der Anstaltspflege von der Krankenanstalt dem dort behandelten Sohn des Klägers angepaßte Orthese nicht Gegenstand der Anstaltspflege im Sinne der §§ 144 und 148 ASVG bzw § 27 KAG. Die Leistungserbringung der Herstellung der Orthese falle nicht in den Aufgabenbereich der Krankenanstalt, sondern sei dem Gewerbe des Orthopädietechnikers vorbehalten (§ 94 Z 63 GewO 1973). Aus dem Krankenanstaltengesetz ergebe sich keine Verpflichtung der Krankenanstalt, eine Orthopädietechnik zu führen. Die zur Leistungserbringung der Anstaltspflege herangezogene Krankenanstalt stelle daher eine Verordnung auf Leistungserbringung der Ortheselieferung aus, mit der das sozialversicherungsrechtliche Maß des Notwendigen (§ 133 Abs 2 ASVG) nicht überschritten worden sei.

Das rechtfertige jedoch noch nicht die Abdeckung der gesamten postoperativen Nachbehandlung als Anstaltspflege. Eine Ruhigstellung durch Anlegung eines Gipsverbandes durch die Krankenanstalt während des restlichen Spitalsaufenthaltes wäre als Anstaltsleistung ausreichend gewesen. Nach dem Sachverständigengutachten habe der Kläger (richtig: dessen Sohn) die Orthese weit überwiegend, nämlich sechs Wochen, nach der Spitalsentlassung getragen. Dadurch, daß die Krankenanstalt eine Behandlungsform wähle, durch die die postoperative Versorgung vor allem für die nach der Spitalsentlassung noch erforderliche Nachbehandlung zweckentsprechender und für den Patienten günstiger sei, werde diese zur Krankenbehandlung (§ 133 ASVG) gehörende Leistung nicht automatisch zum notwendigen Inhalt der Anstaltspflege im Sinne der §§ 144 ff ASVG. Dieser Begriff dürfe nicht so weit ausgedehnt werden, daß sämtliche im Rahmen der Anstaltspflege erfolgenden Leistungen Anstaltspflege im spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Sinne seien. Das sonst mögliche Auseinanderfallen von krankenanstalts- und sozialversicherungsrechtlichem Sachleistungsbegriff der Anstaltspflege wäre bei der vom Kläger vertretenen Auslegung verfassungsrechtlich bedenklich. Es sei zu vermeiden, daß das dem § 148 Z 3 ASVG innewohnende Prinzip der einheitlichen und unteilbaren Gesamtleistung, die mit den pauschalierten Pflegekosten gänzlich abgegolten sei, zu einer kassenfreien, dem Patienten aber unentgeltich zu erbringenden Gratisleistung der Krankenanstalt führe. Da aus den von der beklagten Partei dargelegten Gründen für die Ortheseanfertigung nur ein Teilbetrag vom Krankenversicherungsträger zu decken gewesen sei, sei die Abweisung des Begehrens auf Leistung weiterer 6.843 S zur Abdeckung des Restbetrages zutreffend. Auch der in der Eventualbegründung, es bestehe durch das Zusammenwirken von Krankenanstalt und sonstigem Vertragspartner der beklagten Partei (Orthopädietechniker) ein Schadenersatzanspruch wegen Schlechterfüllung im Rahmen der Leistungserbringung Anstaltspflege, behauptete Anspruch sei unbegründet, weil die beklagte Partei keine besondere Aufklärungspflicht gehabt habe. Der zur Zeit der Anstaltspflege bereits volljährige Sohn des Klägers habe als Mitversicherterer die Verordnung der Orthese zur Kenntnis genommen und ihren Empfang bestätigt. Daß dem gegenüber dem Mitversicherten sorgepflichtigen Kläger die Teilübernahme notwendiger Heilungskosten unzumutbar wäre, er bei Kenntnis den Einsatz der Orthese abgelehnt und denselben Heilungserfolg kostensparender herbeizuführen in der Lage gewesen wäre, habe der Kläger nicht behauptet und sei auch nicht dem Gutachten zu entnehmen. Unter diesen Umständen hätten der beklagten Partei nicht von vornherein Zweifel am Verpflichtungswillen des Klägers, seinem Sohn die erforderliche Nachbehandlung zu gewährleisten, kommen müssen. Der die Leistung nicht selbst erbringende Sozialversicherungsträger hafte auch nicht für allfällige Fehlleistungen der die Verordnung durchführenden Krankenanstalt. Für eine allfällige mangelhafte Aufklärung des mitversicherten Sohnes und Patienten durch die Krankenanstalt hafte die beklagte Partei auch nicht.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

(Die folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.) Die Krankenversicherung trifft ua Vorsorge für den Versicherungsfall der Krankheit (§ 116 Abs 1 Z 2). Als Leistungen der Krankenversicherung aus diesem Versicherungsfall werden nach Maßgabe der Bestimmungen des ASVG ua Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137), erforderlichenfalls Anstaltspflege (§§ 144 bis 150) gewährt (§ 117 Z 2). Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung besteht unter den Voraussetzungen des § 123 Abs 1 ua für eheliche Kinder (Abs 2 Z 2). Die Krankenbehandlung umfaßt 1. ärztliche Hilfe,

2. Heilmittel und 3. Heilbehelfe (§ 133 Abs 1). Sie muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit im ASVG nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht (Abs 2). Befindet sich ein Versicherter (Angehöriger) in Anstaltspflege, so besteht für diese Zeit kein Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung, soweit die entsprechenden Leistungen nach dem KAG ... im Rahmen der Anstaltspflege zu gewähren sind (Abs 5). Die Heilmittel umfassen a) die notwendigen Arzneien und b) die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen (§ 136 Abs 1). Brillen, orthopädische Schuheinlagen, Bruchbänder und sonstige notwendige Heilbehelfe sind dem Versicherten für sich und seine Angehörigen in einfacher und zweckentsprechender Ausführung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu gewähren (§ 137 Abs 1). Die Kosten von Heilbehelfen werden vom Versicherungsträger nur übernommen, wenn sie höher sind als 20 vH des Meßbetrages (§ 108 b Abs 2), gerundet auf volle Schilling. 10 vH der Kosten, mindestens 20 vH des Meßbetrages, gerundet auf volle Schilling, sind vom Versicherten zu tragen (Abs 2). Das Ausmaß der vom Versicherungsträger zu übernehmenden Kosten darf einen durch die Satzung festzusetzenden Höchstbetrag nicht übersteigen. Die Satzung kann diesen Höchstbetrag einheitlich oder für bestimmte Arten von Heilbehelfen in unterschiedlicher Höhe, höchstens jedoch mit dem 10fachen des Meßbetrages, gerundet auf volle Schilling, festsetzen. Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt ist, sofern im Sprengel des Versicherungsträgers eine solche Krankenanstalt besteht und der Erkrankte nicht mit seiner Zustimmung in einer nichtöffentlichen Krankenanstalt untergebracht wird, zu gewähren, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert ... (§ 144 Abs 1). Gemäß § 148 (Grundsatzbestimmung) gelten für die Regelung der Beziehungen der Versicherungsträger zu den öffentlichen Krankenanstalten gemäß Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG ua folgende Grundsätze: 1. Die öffentlichen Krankenanstalten sind verpflichtet, die gemäß § 145 eingewiesenen Erkrankten in die allgemeine Gebührenklasse aufzunehmen. 2. Die den öffentlichen Krankenanstalten gebührenden Pflegegebührenersätze sind, wenn es sich um den Versicherten selbst handelt, zur Gänze vom Versicherungsträger, wenn es sich aber um einen Angehörigen des Versicherten handelt, zu 90 vH vom Versicherungsträger und zu 10 vH vom Versicherten zu entrichten. 3. Alle Leistungen der Krankenanstalten mit Ausnahme der im § 27 Abs 2 KAG angeführten Leistungen sind a) mit den vom Versicherungsträger gezahlten Pflegegebührenersätzen, b) mit den im § 27 a KAG vorgesehenen Kostenbeiträgen, c) bei Angehörigen des Versicherten auch mit dem Kostenbeitrag nach Z 2 und d) mit den Beiträgen der Krankenversicherungsträger zum Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds abgegolten. 6. Der Rechtsträger der öffentlichen Krankenanstalt hat gegenüber dem eingewiesenen Erkrankten und den für ihn unterhaltspflichtigen Personen, soweit nach Z 2 nichts anderes bestimmt ist, keinen Anspruch auf Pflegegebührenersätze für die Dauer der vom Versicherungsträger gewährten Anstaltspflege. 7. Im übrigen werden die Beziehungen der Versicherungsträger zu den Krankenanstalten, insbesondere hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Pflegegebührenersätze und der Dauer, für die Pflegegebührenersätze zu zahlen sind, durch privatrechtliche Verträge geregelt, die zwischen dem Hauptverband im Einvernehmen mit dem in Betracht kommenden Versicherungsträger einerseits und dem Rechtsträger der Krankenanstalt andererseits abzuschließen sind und zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftlichkeit bedürfen. Gemäß § 27 Abs 1 KAG sind mit den Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse, unbeschadet Abs 2 und § 27 a KAG, alle Leistungen der Krankenanstalt abgegolten. Gemäß § 27 Abs 2 KAG ist ua die Beistellung orthopädischer Hilfsmittel (Körperersatzstücke) - soweit sie nicht therapeutische Behelfe darstellen -, in den Pflegegebühren nicht inbegriffen. Durch die Landesgesetzgebung ist zu bestimmen,

... e) in welchem Ausmaß und in welcher Weise die Kosten für die im Abs 2 genannten Aufwendungen ... eingehoben werden können (Abs 4 der letztzitierten Gesetzesstelle). Ein anderes als das gesetzlich vorgesehene Entgelt (Abs 1 bis 4 und § 27 a KAG) darf von den Pfleglingen oder ihren Angehörigen nicht eingehoben werden (Abs 5).

§ 27 a KAG betrifft den für die vorliegenden Rechtsfragen nicht wesentlichen Kostenbeitrag von 50 S pro Verpflegstag. Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich für die Entscheidung dieses Rechtsstreites:

Während der Zeit vom 16.8. bis 3.9.1988, während der sich der Sohn des Klägers in der allgemeinen Gebührenklasse des Orthopädischen Spitals (mit Öffentlichkeitsrecht) Wien - Speising in Anstaltspflege befand, wurde ihm eine modifizierte Lenox-Hill-Orthese (OUS-Apparat) angepaßt, die auf Grund einer am 25.8.1988 ausgestellten Verordnung der genannten Krankenanstalt vom Orthopädietechniker K*** hergestellt und deren Übernahme vom Patienten am 31.8.1988 bestätigt wurde. Der Patient trug diese Orthese auch noch nach der Entlassung aus der Krankenanstalt.

Bei dieser Orthese handelt es sich jedenfalls um einen Heilbehelf iS des § 133 Abs 1 Z 3 und des § 137 ASVG (und auch des § 62 Abs 1 Z 3 und § 65 B-KUVG, des § 83 Abs 1 Z 3 und des § 87 BSVG sowie des § 90 Abs 1 lit a und des § 93 GSVG.

Dragaschnig-Schäfer-Spitaler, Krankenversicherung6 237, Binder in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 216 und Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 114 weisen zutreffend darauf hin, daß die zit Bestimmungen keine Definition des Begriffes "Heilbehelfe" enthalten, sondern sich mit einer beispielsweisen Aufzählung begnügen. Weil es sich aber bei den Heilbehelfen nach § 133 Abs 1 Z 3 um eine Leistung der Krankenbehandlung handelt und durch diese nach Abs 2 Satz 2 leg cit die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden soll, sind Heilbehelfe solche Behelfe, die diesen Zwecken der Krankenbehandlung dienen. Hingegen sind Behelfe, die nicht zu diesen Zwecken, sondern - etwa nach einer Krankenbehandlung - zur Milderung oder Behebung wesentlicher Beeinträchtiungen bei Verstümmelungen, Verunstaltungen und körperlichen Gebrechen eingesetzt werden, Hilfsmittel iS des § 154 (Dragaschnig-Schäfer-Spitaler aaO 237 f;

Binder in Tomandl aaO 226 f).

Im vorliegenden Fall wurde die Orthese zur Nachbehandlung des operierten Kniegelenks und damit eindeutig zur Krankenbehandlung, also als Heilbehelf eingesetzt.

Die beklagte Partei, die nach § 137 Abs 1 dem Versicherten für sich und seine Angehörigen sonstige notwendige Heilbehelfe in einfacher und zweckentsprechender Ausführung nach Maßgabe der weiteren Absätze dieser Gesetzesstelle zu gewähren hat, hat den darnach von ihr in der unbestrittenen Höhe von 5.000 S zu tragenden Anteil der Kosten der dem Sohn des Klägers während der Anstaltspflege von der Krankenanstalt zwecks nachoperativer Behandlung verordneten und nach Anfertigung durch einen Orthopädiemechaniker angepaßte Orthese übernommen.

Der Kläger hat daher nach § 137 keinen Anspruch auf Übernahme höherer Kosten durch den beklagten Versicherungsträger. Die Berufung des Klägers auf § 27 Abs 2 KAG, wonach ... die Beistellung orthopädischer Hilfsmittel (Körperersatzstücke) - soweit sie nicht therapeutische Behelfe darstellen - in den Pflegegebühren nicht inbegriffen ist, kann ebenfalls zu keiner weiteren Leistungspflicht des beklagten Versicherungsträgers gegenüber dem Kläger führen.

Selbst dann, wenn die dem Sohn des Klägers von der Krankenanstalt verordnete, von einem Orthopädiemechaniker angefertigte Orthese iS der Behauptung des Klägers ein therapeutischer Behelf iS des § 27 Abs 2 KAG könnte der Kläger daraus keinen weiteren Leistungsanspruch gegen den beklagten Versicherungsträger ableiten, weil dieser seine Verpflichtung nach § 144 Abs 1, dem Sohn des Klägers Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt zu gewähren und die dieser Krankenanstalt gebührenden Pflegegebührenersätze nach § 148 Z 2 zu 90 vH zu entrichten, voll erfüllt hat.

Das Leistungsbegehren ist daher nicht berechtigt.

An der hilfsweise begehrten Feststellung, daß die Lenox-Hill-Orthese ein therapeutischer Behelf iS des § 27 Abs 2 KAG bzw des § 44 Abs 4 WrKAG 1987 und mit den Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse gemäß § 148 Z 3 ASVG abgegolten sei, fehlt dem Kläger jedenfalls gegenüber dem beklagten Versicherungsträger ein rechtliches Interesse.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Unter Bedachtnahme auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens war dem im Revisionsverfahren zur Gänze unterlegenen Kläger der Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen (SSV-NF 1/66; 2/29).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte