Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 22.11.1993 anerkannte die Beklagte den Anpruch der Klägerin auf Witwenpension nach dem Versicherten Hermann M***** ab 3.6.1992. Dabei berief sie sich auf die §§ 86 und 258 Abs 1 ASVG und das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit. Weiters setzte sie das Ausmaß der Pension und der Ausgleichszulage ab 3.6.1992, 1.7.1992, 1.1.1993 und 1.7.1993 fest.
Das Begehren der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage richtet sich auf Leistung von Witwenpension und Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß bereits ab 21.9.1982. Nach Meinung der Klägerin wäre in sozialer Rechtsanwendung nicht erst von einem Antrag vom 3.6.1992, sondern von einem solchen vom 21.9.1982 auszugehen. In einem Schreiben vom letztgenannten Tag habe das Sozialreferat der Bezirkshauptmannschaft M***** der Beklagten dargelegt, daß die bisher getragenen Sozialhilfekosten von einer Nachzahlung der Witwenpension in Abzug zu bringen sein werden. Zuvor hätte das Gemeindeamt P***** auf einem Antragsformular des erwähnten Sozialhilfereferates vermerkt, daß die Klägerin im Jahre 1979 einen Witwenpensionsantrag gestellt habe. Auf Grund des Schreibens vom 21.9.1982 hätte die Beklagte bei der Klägerin Erhebungen einleiten, allenfalls dieses Schreiben sogar als Antrag (der Klägerin) auf Witwenpension werten müssen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß sie der BH M***** mit Schreiben vom 5.10.1982 mitgeteilt habe, daß für die Klägerin kein Vorgang feststellbar sei. Diese habe bis zum 2.6.1992 keinen Antrag gestellt. Im Hinblick auf das Antragsprinzip gebührten Witwenpension und Ausgleichszulage erst ab 3.6.1992.
Das Erstgericht wies das Begehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin über die im Bescheid vom 22.11.1993 ab 3.6.1992 gewährten Leistungen an Witwenpension und Ausgleichszulage hinaus dieser Leistungen im gesetzlichen Ausmaß bereits ab 21.9.1982 zu gewähren, ab.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen heiratete die am 10.4.1922 geborene Klägerin am 17.7.1943 den am 7.4.1914 geborenen Versicherten Hermann M*****. Seit 1946 lebten die Ehegatten voneinander getrennt. Bis zu seinem Tod am 25.8.1969 bezog der Versicherte keine Pension. In dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 21.9.1982 führte die BH M***** ua an, daß die Sozialhilfeempfängerin nach § 41 bgld SozialhilfeG zum Ersatz der finanziellen Hilfe verpflichtet sei, sobald sie über ein entsprechendes Einkommen oder Vermögen verfüge. Durch Erhebungen beim Gemeindeamt P***** sei der BH bekannt geworden, daß die Sozialhilfeempfängerin bei der Beklagten einen Pensionsantrag eingebracht habe. Hinsichtlich des Sozialhilfeaufwandes werde gemäß § 324 ASVG der Ersatzanspruch angemeldet. Die Beklagte schickte das bei ihr am 23.9.1982 eingelangte Schreiben am 5.10.1982 mit dem Bemerken zurück, daß betreffend die Klägerin kein Vorgang feststellbar sei. Am 3.6.1992 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehemann.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes könne das Schreiben der BH M***** vom 21.9.1982 nicht als Antrag auf Witwenpension gewertet werden. Nach § 86 Abs 3 Z 1 ASVG sei diese Leistung erst mit dem 3.6.1992 angefallen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, in der nur eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Beklagte ab 3.6.1992 zur Leistung der Witwenpension samt Ausgleichszulage verurteilte, und zwar ab 3.6. und 1.7.1992, 1.1. und 1.7.1993 im Ausmaß des Bescheides vom 22.11.1993, ab 1.1.1994 zu einer Witwenpension von 1.241,80 S und einer Ausgleichszulage von 5.948,60 S monatlich. Das auf Leistung der Witwenpension und der Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 21.9.1982 bis 2.6.1992 wies es hingegen ab.
Diesen abweisenden Entscheidungsteil begründete die zweite Instanz mit § 86 Abs 3 Z 1 sowie § 361 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG, wobei es sich auf die E des erkennenden Senates SSV-NF 7/78 berief. Das Schreiben der BH M***** vom 21.9.1982 sei weder ein Leistungsantrag in Vertretung der Klägerin, noch ein eigener Leistungsantrag des Sozialhilfeträgers. Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrages lasse sich aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 2/52, 4/21 ua).
Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend, regt an, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof beantragen, § 86 Abs 3 Z 1 erster und vierter Satz ASVG wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben und beantragt, das Berufungsurteil hinsichtlich der Zeit vom 21.9.1982 bis 2.6.1992 im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls im Umfang der Anfechtung aufzuheben.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG). Sie entspricht der stRsp des erkennenden Senates (SSV-NF 1/35, 2/52, 4/21 und 22, 5/35, 81 und 128, 6/8 und 80, 7/78 ua).
Dieser Senat hat auch schon dargelegt, daß er gegen die Anwendung des § 86 Abs 3 Z 1 und Z 2 ASVG aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit (Verstoß gegen den Gleichheitssatz) keine Bedenken hat (SSV-NF 4/21). Die Ausführungen in der Revision sind nicht geeignet, solche Bedenken zu erwecken.
Nach seit VfSlg 1451 stRsp des Verfassungsgerichtshofes bindet der Gleichheitssatz auch den Gesetzgeber und gestattet diesem nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen, die relevante Unterschiede im Tatsachenbereich voraussetzen. Der Gesetzgeber muß an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen; wesentlich ungleiche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen (Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 366f mwN).
Witwen- und Witwerpensionen, die binnen sechs Monaten nach Eintritt des Todes des Versicherten beantragt werden, fallen mit dem Eintritt des Versicherungsfalles (Tod des Versicherten) bzw mit dem dem Versicherungsfall folgenden Monatsersten (nach einem Pensionsempfänger) an (§ 86 Abs 3 Z 1 Sätze 1 und 2 ASVG). Alterspension und Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit, die binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt werden, fallen ebenfalls mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen bzw mit dem deren Erfüllung folgenden Monatsersten an (Z 2 Satz 1 des zit Abs).
Witwen- und Witwerpensionen, die erst nach Ablauf der erwähnten sechsmonatigen Antragsfrist und Alterspensionen und Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit, die erst nach Ablauf der genannten einmonatigen Frist beantragt werden, fallen hingegen erst mit dem Tag der Antragstellung (Z 1 Satz 4 des zit Abs) bzw mit dem Stichtag (Z 2 Satz 2 des zit Abs) an. Letzterer ist aber, wenn er auf einen Monatserstern fällt, ohnehin der Antragstag, sonst der diesem folgende Monatserste (§ 223 Abs 2 Satz 2 ASVG).
Zwischen den Regelungen der Z 1 und der Z 2 des § 86 Abs 3 ASVG bestehen daher keine hinsichtlich des Gleichheitssatzes bedenklichen Differenzierungen.
Der Senat hält auch die unterschiedlichen Regelungen des Anfalles der Hinterbliebenenleistungen in den Sätzen 1 und 4 des § 86 Abs 3 Z 1 ASVG - entgegen der in der Revision vertretenen Meinung - für verfassungsrechtlich unbedenklich. Daß Witwen- und Witwerpensionen, die nicht binnen der im Satz 1 bestimmten Frist, sondern unter Umständen erst viele Jahre - im vorliegenden Fall fast 23 Jahre - nach dem Tod des Versicherten beantragt werden, erst mit dem Tag der (späteren) Antragstellung anfallen, ist sachlich durch das in der Pensionsversicherung geltende Antragsprinzip gerechtfertigt. Dadurch soll vermieden werden, daß die Versicherungsträger und die Versichertengemeinschaft mit hohen Pensionsnachzahlungen für Zeiträume belastet werden, für die erst nachträglich ein Leistungsantrag gestellt wurde. Eine Ausnahme ist für Witwen- und Witwerpensionen im § 86 Abs 3 Z 1 Satz 6 ASVG nur insoweit vorgesehen, als bei nachträglicher amtlicher Feststellung des Todestages die Antragsfrist erst mit dem Zeitpunkt dieser Feststellung beginnt. Die Sätze 3, 5 und 7 leg cit beziehen sich nur auf den Anfall von Waisenpensionen. Sie sind ein Teil des besonderen gesetzlichen Schutzes, unter dem Minderjährige und sonst in ihrer Handlungsfähigkeit Beeinträchtigte nach § 21 Abs 1 ABGB stehen.
Entgegen der Behauptung der Revisionswerberin enthält das Pensionsgesetz 1965, BGBl 340 nicht nur die Verjährungsbestimmungen des § 40 Abs 1, wonach der Anspruch auf rückständige Leistungen .... in drei Jahren nach seiner Entstehung verjährt. Nach § 63 Abs 1 Z 1 leg cit gebürt Personen, die nach den bisherigen pensionsrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch auf Pensionsversorgung gehabt haben, Pensionsversorgung nur auf Antrag. Wenn dieser nicht binnen einem Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellt wurde, gebührt die Pensionsversorgung von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an, wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, von diesem Tag an. Abgesehen davon handelt es sich nach stRsp des Verfassungsgerichtshofes beim Pensionsversicherungsrecht als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung einerseits und beim Pensionsrecht der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen als Teil des öffentlichen Dienstrechtes andererseits um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete, die unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes nicht verglichen werden können (SSV-NF 5/74 und 7/16 jeweils mwN).
Der Oberste Gerichtshof sieht daher keinen Anlaß zu der in der Revision angeregten Antragstellung gemäß Art 89 Abs 2 B-VG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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