Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 9.8.1993 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über entsprechenden Antrag der am 19.12.1933 geborenen Klägerin für die Zeit vom November 1949 bis Dezember 1967 insgesamt 196 Versicherungsmonate, davon 101 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und 95 Monate an Ersatzzeiten (Schulbesuch, Wochengeldbezug, Kinderziehungszeiten) fest. Nach dem 31.12.1963 hat die Klägerin 35 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben; sämtliche Ersatzzeiten und die weiteren 66 Beitragsmonate der Pflichtversicherung liegen vor dem 1.1.1964. Der Bescheid enthält den Beisatz, daß die Zeiten des Schulbesuches, Hochschulbesuches bzw einer weiteren Ausbildung im angeführten Ausmaß nur für die Voraussetzungen auf eine Pension gelten und die Frage, inwieweit diese Versicherungszeiten bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen sind, erst nach einem Antrag auf Pension festgestellt werden könne.
Mit Bescheid vom 9.2.1994 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Alterspension mit der Begründung ab, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Das Erstgericht wies das mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage erhobene Begehren der Klägerin, die beklagte Partei zur Gewährung der Alterspension ab 1.1.1994 zu verpflichten, ab. Die Klägerin habe die Wartezeit nicht erfüllt, da sie innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag nicht mindestens 180 Versicherungsmonate erworben habe. Die Klägerin erfülle auch nicht die Wartezeit gemäß § 236 Abs 4 ASVG, weil sie weder 180 Beitragsmonate oder Beitragsmonate und/oder nach dem 31.12.1955 zurückgelegte sonstige Versicherungsmonate in einem Mindestausmaß von 300 Monaten erworben habe. Da die Wartezeit nicht erfüllt sei, bestehe das erhobene Begehren nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Feststellung von 196 Versicherungsmonaten im Bescheid vom 9.8.1993 sage nichts darüber aus, ob mit diesen Zeiten auch die Voraussetzungen für eine Pensionsleistung erfüllt seien; dies könne dem Bescheid nicht entnommen werden. Die von der Klägerin ins Treffen geführten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung der
51. ASVGNov könnten nicht überzeugen. Die Wertung der zeitlichen Lagerung von Versicherungszeiten sei nicht erst durch diese Novelle erfolgt, sondern sei dem Sozialversicherungsrecht seit vielen Jahren immanent. Es ergebe sich daraus auch keineswegs eine Schlechterstellung der Frauen, weil die Regelung geschlechtsneutral sei und im Regelfall die Einbeziehung des größten Teiles der Versicherungszeiten, die ein Versicherter als Nichtbeitragszeiten (Ersatzzeiten) erwerbe, sicherstelle. Die unterschiedliche Behandlung von Versicherungszeiten, für die Beiträge geleistet würden und leistungsfreien Ersatzzeiten sei sachlich begründet. Auch daß Pensionsansprüche von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig seien, sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 235 Abs 1 ASVG ist der Anspruch auf jede der im § 222 Abs 1 und 2 angeführten Leistungen, abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen, an die allgemeine Voraussetzung geknüpft, daß die Wartezeit durch Versicherungsmonate im Sinne des Abs 2 dieser Bestimmung gedeckt ist. Gemäß § 236 Abs 1 Z 2 lit a beträgt die Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters gemäß § 253 ASVG (diesen Anspruch macht die Klägerin geltend) 180 Versicherungsmonate, die gemäß § 236 Abs 2 Z 1 ASVG innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem Stichtag gelagert sein müssen. Gemäß § 236 Abs 4 ASVG ist die Wartezeit auch erfüllt, wenn bis zum Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate oder bis zum Stichtag Beitragsmonate und/oder nach dem 31.Dezember 1955 zurückgelegte sonstige Versicherungszeiten in einem Mindestausmaß von 300 Monaten erworben wurden.
Nach den Feststellungen hat die Klägerin insgesamt 101 Beitragsmonate erworben; in den letzten 360 Kalendermonaten vor dem Stichtag fallen lediglich 35 Beitragsmonate. Insgesamt hat sie 196 Versicherungsmonate erworben. Die Wartezeit ist daher nach keiner der oben genannten Bestimmungen erfüllt. Diese zutreffende Rechtsansicht der Vorinstanzen wird in der Revision im übrigen auch nicht mehr bekämpft.
Die Klägerin führt ins Treffen, zufolge des rechtskräftigen Bescheides der beklagten Partei über die Feststellung der Versicherungszeiten vom 9.8.1993 sei von der Anrechenbarkeit der im Spruch dieses Bescheides angeführten Versicherungsmonate auszugehen. Dem kann nicht beigetreten werden. Gemäß § 247 ASVG ist der Versicherte berechtigt, frühestens zwei Jahre vor der Vollendung eines für die Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters maßgeblichen Lebensalters beim leistungszuständigen Pensionsversicherungsträger einen Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten zu stellen. Über diesen Antrag hat der Versicherungsträger die Versicherungszeiten bescheidmäßig festzustellen. Gegenstand der Feststellung in diesem Verfahren ist nur Art, Zahl und zeitliche Lagerung der bisher erworbenen Versicherungsmonate aufgrund der diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen. Ob die Wartezeit als allgemeine Voraussetzung eines Leistungsanspruches erfüllt ist, ist nicht Gegenstand des Verfahrens zur Feststellung der Versicherungszeiten gemäß § 247 ASVG, sondern ist erst im Leistungsverfahren zu prüfen. Die Feststellung von insgesamt 196 Monaten an Versicherungszeiten mit Bescheid vom 9.8.1993 sagt nicht aus, daß damit auch die Wartezeit erfüllt ist. Aus der Rechtskraft dieses Bescheides kann daher für den Standpunkt der Klägerin nichts abgeleitet werden. Daran ändern auch der Umstand nichts, daß im Spruch des Bescheides der Hinweis enthalten ist, daß die Zeiten des Schulbesuches und des Hochschulstudiums nur für die Voraussetzungen auf einen Pensionsanspruch gelten, bei der Leistungsbemessung jedoch nicht zu berücksichtigen sind. Der von der Revision vermißten Feststellung des genannten Inhaltes dieses Teiles des Bescheides bedurfte es daher nicht.
Im weiteren begründet die Revisionswerberin eingehend ihre Ansicht, § 236 Abs 2 Z 2 ASVG sei verfassungswidrig. Die durch die Regierungsversprechen erweckte Erwartung, die Kindererziehungszeiten im Pensionsversicherungsrecht anzurechnen, seien enttäuscht worden, weil durch eine unsachliche Differenzierung ein Großteil der Frauen von der neuen Regelung ausgeschlossen werde. In allen Fällen, in denen ein Teil der Versicherungszeiten und/oder Kindererziehungszeiten vor dem 30.Lebensjahr liege, könne eine Frau, die insgesamt 180 Versicherungsmonate erworben habe, die Alterspension mit dem 60.Lebensjahr nicht in Anspruch nehmen. Dies sei insbesondere deshalb unsachlich, weil Geburten vor dem 30. Lebensjahr der Frau die Regel seien und gerade diesen Frauen die Begünstigung durch Anrechnung der Kindererziehungszeiten nicht zugute käme; gleiches gelte auch für die Schul- und Studienzeiten, die fast durchgehend vor dem 30.Lebensjahr lägen. Unsachlich sei es auch, daß Beitragszeiten durch § 236 Abs 4 Z 1 ASVG günstiger behandelt würden, als Kindererziehungszeiten, die zu den Ersatzzeiten gehören, so daß durch Kindererziehungszeiten die ewige Anwartschaft nicht erworben werden könne. Kindererziehungszeiten seien ebenso wertvoll wie Beitragszeiten, weil im Hinblick auf das Umlageverfahren der künftige Bestand des Pensionsversicherungssystems nur dann gesichert sei, wenn eine ausreichende Zahl von Kindern geboren und aufgezogen würde, die als künftige Beitragszahler die Finanzierung sicherten. Auch die Bestimmung, daß die ewige Anwartschaft auch bei Vorliegen von 300 Versicherungsmonaten erworben werde, sei überzogen; diese Voraussetzung könnte durch Kindererziehungszeiten nur erworben werden, wenn die Pensionswerberin in Abständen von je 4 Jahren insgesamt 7 Kinder gebäre und aufziehe, was in der Praxis kaum zu erfüllen sei.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SSV-NF 6/11 bereits ausgesprochen, daß die Regelungen, nach denen Pensionsansprüche von der Erfüllung einer Wartezeit abhängen, verfassungrechtlich nicht bedenklich ist. Auch die Ausführung der Revision sind nicht geeignet, solche Bedenken zu erwecken. Die aus der Privatversicherung stammende Einrichtung der Wartezeit soll sicherstellen, daß Pensionsleistungen erst nach entsprechend langer Dauer der Beitragszahlung (Versicherungsdauer) in Anspruch genommen werden, daß also nur Personen in den Genuß von Leistungen kommen, die der Versichertengemeinschaft bereits eine bestimmte Zeit angehört und durch ihre Beitragsleistung zur Finanzierung der Leistungsverpflichtung dieser Gemeinschaft beigetragen haben (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 166; Schrammel in Tomandl, SV-System 5.ErgLfg 143 ua). Die Wartezeit ist auch bei allen bekannten Sozialversicherungssystemen des Auslands gebräuchlich (SSV-NF 6/11 mwN). Durch die Bestimmung des § 236 Abs 2 ASVG soll erreicht werden, daß Leistungen nur erbracht werden, wenn die betreffende Person eine gewisse Nähe zur Versichertengemeinschaft aufweist; es soll verhindert werden, daß Personen in den Genuß von Leistungen kommen, die versicherungsfremd geworden sind (Schrammel aaO 144), weil sie nur in länger zurückliegenden Zeiträumen in geringem Umfang Versicherungszeiten erworben haben. Nur dann, wenn bereits durch den Erwerb eines bestimmten Mindestmaßes an Versicherungszeiten (§ 236 Abs 4 ASVG) ein qualifiziertes Naheverhältnis zur Versichertengemeinschaft hergestellt wurde, soll sich der Umstand, daß diese nicht in dem in § 236 Abs 2 ASVG normierten Ausmaß in den dort bestimmten Rahmenzeitraum fallen, nicht nachteilig auswirken. Diese Regelung ist keineswegs unsachlich. Die vom Gesetzgeber für die Erfüllung der ewigen Anwartschaft festgelegten Mindestvoraussetzungen überschreiten nicht den ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsraum. Da die Finanzierung des gesamten Systems überwiegend durch Beiträge der Versicherten erfolgt, ist es gerechtfertigt, Zeiten, in denen Beiträge geleistet wurden, für die Frage der Erfüllung der Wartezeit günstiger zu behandeln, als Zeiten, in denen ein Sachverhalt verwirklicht wurde, der die Voraussetzung für die Anrechnung einer Zeit als Ersatzzeit erfüllt; durch die Leistung von Beiträgen wird demgegenüber ein wesentlich engeres Naheverhältnis zur Versichertengemeinschaft hergestellt, weshalb die untschiedliche Regelung sachlich durchaus gerechtfertigt ist.
Soweit die Klägerin argumentiert, der Umstand, daß durch die Geburt und die folgende Betreuung von Kindern ein wesentlicher Beitrag zur künftigen Finanzierung des Sozialversicherungssystems geleistet werde, gebiete, daß die Zeiten der Kinderbetreuung gleich wie Beitragszeiten gewertet werden müßten, macht sie keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend. Es handelt sich unstrittig um Zeiten, für die keine Beiträge geleistet wurden. Vom Gesetzgeber werden diese folgerichtig als Ersatzzeiten qualifizierten Zeiten gleich behandelt wie alle anderen Ersatzzeiten. Die Klägerin erhebt mit diesen Ausführungen eine rechtspolitische Forderung, die jedoch im Gesetz keine Deckung findet.
Die grundsätzliche Regelung über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten wurde durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 1993 BGBl 1993/335 geschaffen. Die Regierungsvorlage führt dazu aus (932 BlgNR 18. GP, 34), der dem österreichischen Sozialversicherungsrecht immanente Grundsatz der Sicherung des Lebensstandards unter Berücksichtigung einer im Alter etwas geringeren Bedürfnisstruktur solle auch in Zukunft nicht aufgegeben, sondern in Richtung von mehr Verteilungsgerechtigkeit weiterentwickelt werden; dazu gehöre vor allem die Schließung von im derzeitigen Leistungsrecht noch bestehenden Versicherungslücken (zB Anrechnung von Kindererziehungszeiten). Diese Überlegungen gehen von dem typischen Fall aus, daß die Frau nach der Geburt eines oder mehrerer Kinder ihre Berufstätigkeit aufgegeben hatte, um sich der Erziehung der Kinder zu widmen und erst nach einigen Jahren, wenn die Kinder der intensiven Obsorge nicht mehr im vollen Ausmaß bedurften, wieder in das Berufsleben zurückkehrte. Sie sollten durch das Fehlen von Versicherungszeiten während der erziehungsbedingten Pause der Berufsausübung hinsichtlich ihrer Leistungsansprüche aus der Pensionsversicherung nicht weiter benachteiligt werden. Durch die Berücksichtigung der durch das SozRÄG 1993 normierten Anrechnung von Ersatzzeiten (dort durch die Neufassung des § 227 Abs 4 ASVG) sollte der Nachteil, den solche Frauen durch die Versicherungslücken bis dahin erlitten, beseitigt werden. Ziel der Regelung war es aber nicht, auch für Frauen, die in untypischer Weise nach der Geburt von Kindern in jungen Jahren für dauernd aus dem Berufsleben ausscheiden, die Anrechnung auch lang zurückliegender Versicherungszeiten zu erreichen.
Die Ausführungen der Klägerin, die Regelung, die für die ewige Wartezeit eine Zahl von 300 Versicherungsmonaten vorsehe, sei deshalb nicht sachgerecht, weil sie durch Kindererziehungszeiten nur erfüllt werden könne, wenn die Frau in Abständen von 4 Jahren sieben Kinder gebäre, sind nicht gut verständlich. Für die Annahme eines Gebotes an den Gesetzgeber, eine Regelung zu schaffen, nach der (vorwiegend) durch Kindererziehungszeiten die Voraussetzungen für einen Pensionsanspruch erreicht werden können, bietet die Verfassung keine Grundlage.
Der Umstand, daß die Klägerin die Wartezeit nicht erfüllt, steht auch mit der Tatsache, daß sie sich nach der Geburt ihrer Kinder deren Erziehung widmete in keinem Zusammenhang, sondern ist nur dadurch begründet, daß sie danach nur mehr eine geringe Anzahl von Versicherungsmonaten erwarb. Sie übte seit dem Jahr 1968 keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr aus und war damit bereits 26 Jahre vor dem Stichtag aus der Versichertengemeinschaft ausgeschieden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und auch aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Hinweise auf solche Umstände.
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