OGH 10ObS245/98x

OGH10ObS245/98x18.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon Prof. Dr. Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Scharinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann U*****Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Brachowicz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufrechnung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. April 1998, GZ 12 Rs 47/98p-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. September 1997, GZ 18 Cgs 158/97m-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen einen mit S 9.474,24 (hierin enthalten anteilig S 1.579,04 Umsatzsteuer) bestimmten Anteil an den Kosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 4. 7. 1926 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei seit 1. 1. 1994 eine Alterspension in Höhe von (1997) netto S 20.982,80. Aus seiner früheren selbständigen Erwerbstätigkeit als Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft mit beschränkter Haftung schuldet er der Salzburger Gebietskrankenkasse laut deren (vollstreckbaren) Rückstandsausweises vom 9. 10. 1996 einen Betrag von insgesamt (inklusive Verzugszinsen) S 1,225.575,62; in diesem Betrag sind Beitragsanteile zur Pensionsversicherung der Angestellten in Höhe von insgesamt S 81.965,92 (S 74.056,67 zuzüglich Zinsen bis 13. 1. 1997) enthalten. Der Rückstandsausweis betrifft dabei die Beitragszeiträume 9/95 bis 12/95. Außerdem behängen gegen den Kläger Exekutionen wegen Unterhaltsleistungen in Höhe von (zusammen) S 10.515,30.

Mit Bescheid vom 18. 3. 1997 sprach die beklagte Partei aus, daß von der Alterspension des Klägers ab 1. 4. 1997 monatlich ein Betrag in der Höhe der halben zur Auszahlung gelangenden Leistung, das sind derzeit S 5.223,70, zur Deckung der offenen Forderung der Salzburger Gebietskrankenkasse in der Höhe von S 81.965,92 zuzüglich Verzugszinsen aufgerechnet werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, zu entscheiden und festzustellen, daß der von der beklagten Partei bezüglich des Klägers erlassene Bescheid unwirksam ist und mit Wirkung vom 1. 4. 1997 außer Kraft zu treten hat. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. 9. 1997 wurde dieses Begehren dahingehend modifiziert, daß die beklagte Partei schuldig sei, von der Aufrechnung auf die Alterspension des Klägers ab 1.4.1997 in Höhe von S 5.223,70 monatlich zur Deckung der offenen Forderung der Salzburger Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Höhe von S 81.965,92 Abstand zu nehmen. Die beklagte Partei stellte ihrerseits in derselben Streitverhandlung das Begehren, auszusprechen, daß die Aufrechnung auf die Alterspension des Klägers ab 1.4.1997 im Betrage von S 5.223,70 zur Abdeckung der offenen Forderung der Salzburger Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Höhe von S 81.965,92 zu Recht erfolgt.

Das Erstgericht wies das modifizierte Klagebegehren des Klägers ab und erkannte darüber hinaus die Aufrechenbarkeit der Alterspension des Klägers ab 1.4.1997 in Höhe von S 5.223,70 zur Deckung der offenen Forderung der Salzburger Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Pensionsversicherung der Angestellten in Höhe von insgesamt S 81.965,92 für zulässig. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Pfändungsbeschränkungen der EO einer Aufrechnung bis zur Hälfte der vom Versicherungsträger zu erbringenden Geldleistungen im Sinne des hier maßgeblichen § 103 Abs 2 ASVG nicht entgegenstünden.

Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge und änderte es dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, von der Aufrechnung auf die Alterspension des Klägers Abstand zu nehmen. Da dem Kläger aufgrund anhängiger Unterhaltsvorpfändungen laut Exekutionsbewilligungen des Bezirksgerichtes Salzburg weniger als die Hälfte des Nettopensionsbetrages ausbezahlt werde, bestehe für die von der beklagten Partei begehrte Aufrechnung bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung kein Raum mehr. Wenn man nämlich im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung § 103 Abs 2 ASVG als Spezialnorm zu den exekutionsrechtlichen Bestimmungen über das Existenzminimum ansehe, dann müßten Wertungen, die dem Generaltatbestand (Existenzminimum) zugrunde lägen, auch für die Spezialnorm gelten; ebenso wie die in pauschaler Weise auf die Hälfte der zu erbringenden Geldleistung abstellende Bestimmung des § 103 Abs 2 ASVG bezweckten aber die Bestimmungen über das Existenzminimum die Sicherung der sozialen und wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Verpflichteten, was aber bei der vom Erstgericht erkannten und von der beklagten Partei in ihrem Bescheid vorgenommenen Vorgangsweise nicht gewahrt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, mit welcher auch die Anregung verbunden ist, das Verfahren zu unterbrechen und eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes "hierüber einzuholen, oder aber der Berufung dadurch stattzugeben, daß endlich eine gleichbleibende Rechtsprechung dahingehend geschaffen werde, grundsätzlicher Art nämlich, die festhalte, daß die Bestimmung des § 103 ASVG verfassungsgemäß auszulegen sei, also im gegenständlichen Fall eine bevorzugte Unterschreitung des Existenzminimums nicht gemeint sei und nicht zulässig sein dürfe."

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 103 Abs 1 ASVG dürfen Versicherungsträger auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen ua vom Anspruchsberechtigten dem leistungspflichtigen Versicherungsträger geschuldete fällige Beträge, soweit das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist, aufrechnen (Z 1). Aufgrund des rechtskräftigen Rückstandsausweises der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 9.10.1996 in Verbindung mit den Feststellungen des Erstgerichtes ist davon auszugehen, daß in dem hierin ausgeworfenen Beitragsrückstand auch Beitragsanteile der beklagten Partei in Höhe von insgesamt S 81.965,92 für den Beitragszeitraum 9/95 bis 12/95 enthalten sind. Damit steht jedoch fest, daß es sich beim von der beklagten Partei durch Aufrechnung einbringlich gemachten Teilbetrag (des Gesamtbetrages laut Rückstandsausweis in Höhe von S 1,225.565,62) von S 81.965,92 um Beiträge handelt, die der Kläger dem leistungspflichtigen Versicherungsträger, also der beklagten Partei, nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (nämlich als vormaliger Geschäftsführer einer GesmbH gemäß § 67 Abs 10 ASVG) schuldet; lediglich mit Beitragsforderungen eines anderen Versicherungsträgers könnte nicht aufgerechnet werden (SSV-NF 7/100). Gemäß § 58 Abs 6 ASVG ist der Träger der Krankenversicherung, bei dem nach Abs 4 leg cit die Beiträge einzuzahlen sind, ausschließlich berufen, die Beitragsforderung rechtlich geltend zu machen. Soweit ein Versicherungsträger Beiträge für andere Rechtsträger (ua andere Versicherungsträger) einhebt, wird er auch als deren Vertreter tätig, wenn er alle Beitragsforderungen in einem Betrag geltend macht. Damit sollte klargestellt werden, daß der "beitragseinhebende" Versicherungsträger jene Beitragsteile, die er für andere Versicherungsträger einhebt, nicht aus eigenem Recht geltend macht, sondern als Vertreter der begünstigten Stellen (idS die ErlBem zur RV zur 38.ASVGNov, 1310 BlgNR 15.GP, 11). Ungeachtet des Umstandes, daß der Krankenversicherungsträger die Einhebung ausschließlich betreibt und auch die entsprechenden Rückstandsausweise zu erlassen hat, bleibt der Versicherungsträger, für den die Einbringung erfolgt, weiterhin Gläubiger der Forderung, soweit die Einbringung für seine Rechnung erfolgt. Hinsichtlich der Beitragsteile zur Pensionsversicherung, die hier Gegenstand der Aufrechnung sind, liegt daher die erforderliche Gegenseitigkeit vor. Diese Gegenseitigkeit der Ansprüche wird auch vom Revisionswerber nicht substantiell bestritten. Ob es sich bei den laut Rückstandsausweis geschuldeten Beträgen - wie in der Revisionsbeantwortung argumentiert wird - um fällige und geschuldete Beiträge für seine (eigene) im Aufrechnungszeitpunkt bereits bezogene Alterspension oder aber um "nicht eigene Dienstnehmerbeiträge" handelt, ist für das gesetzliche Erfordernis der Gegenseitigkeit unmaßgeblich, kommt es doch hiefür allein darauf an, daß der Aufrechnende zugleich Gläubiger und Schuldner des Aufrechnungsgegners sein muß (Rummel in Rummel, ABGB II2 Rz 2 zu § 1441; Koziol/Welser I10 278).

Nach § 103 Abs 2 ASVG ist ua die Aufrechnung nach Abs 1 Z 1 "nur bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung zulässig". Diese Bestimmung findet sich so im Gesetz bereits seit seiner Stammfassung BGBl 1955/189 und wurde vom Gesetzgeber insbesondere auch nicht im Zuge der letztjährigen mehrfachen umfangreichen Novellen der Exekutionsordnung, vor allem der EO-Novelle 1991 BGBl 628 und der EO-Novelle 1995 BGBl 519, abgeändert. In den Erläuterungen zur Stammfassung (599 BlgNR 7.GP, 46) hieß es seinerzeit hiezu nur, daß "die Aufrechnung, soweit es sich um geschuldete Beiträge...handelt, mit der Hälfte der zu erbringenden Leistung begrenzt ist". Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits von den Vorinstanzen zitierten Grundsatzentscheidung 10 ObS 146/93 (SSV-NF 7/100 = SZ 66/134) - diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem von einem dem Kläger zustehenden Krankengeld von S 11.377,80 zufolge vorgenommener Aufrechnung nur ein Betrag von S 5.688,90 ausgezahlt wurde, wobei im Mittelpunkt der Entscheidung die Frage stand, ob durch eine Aufrechnung der Auszahlungsbetrag unter die Höhe des exekutionsrechtlichen Existenzminimums vermindert werden könne - mit ausführlicher Begründung dargetan, daß die Pfändungsbeschränkungen der EO (auch in der Fassung der EO-Novelle 1991) einer solchen Aufrechnung bis zur Hälfte der vom Versicherungsträger zu erbringenden Geldleistungen im Sinne des § 103 Abs 2 ASVG nicht entgegenstehen, weil § 293 Abs 3 EO zwar die Aufrechnung gegen der Exekution entzogene Teile einer Forderung auf Ausnahmsfälle einschränke, nach seinem ausdrücklichen Wortlaut jedoch nicht in den Fällen gelte, in denen nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind; § 103 Abs 2 ASVG sei aber eine solche bestehende Ausnahmevorschrift, in welcher es der österreichische Gesetzgeber - anders als der deutsche Gesetzgeber, wo nach § 51 Abs 2 SGB I der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen zwar ebenfalls bis zu deren Hälfte aufrechnen könne, jedoch nur soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfsbedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt werde - unterlassen habe, gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, wie hoch die dem Anspruchsberechtigten zu verbleibende Geldleistung zur Sicherung seines Lebensunterhaltes (bzw dem seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen) sein solle. § 103 Abs 2 ASVG sei daher eine dem eigentlichen Exekutionsrecht vorrangige speziellere Norm und eine Aufrechnung in den pfändungsfreien Teil rechtlich zulässig; es bleibe demnach dem alleinigen Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen, die Höhe der Abzugsrate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen (so auch der Erlaß BMAS vom 22. 12. 1992 betreffend die Aufrechnung gegen Exekutionsminimum im Sozialversicherungsrecht, abgedruckt in ARD 4434/12/93).

An dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch in den Folgejahren mehrfach ausdrücklich festgehalten (10 ObS 1001/94 = ARD 4634/23/95; beide Entscheidungen zustimmend zitiert auch in der MGA ASVG Anm 3 a zu § 103; jüngst auch 10 ObS 210/98z = RS0013254, dort im Zusammenhang mit der dem § 103 Abs 2 ASVG wortgleichen Bestimmung des § 71 Abs 2 GSVG [ebenso auch § 67 Abs 2 BSVG, § 44 Abs 2 B-KUVG und § 34 Abs 2 NVG]). Daran ist auch grundsätzlich weiterhin festzuhalten. Zusätzlich zu den dort bereits niedergelegten Argumenten ist noch auf folgendes hinzuweisen:

Nach § 291 Abs 1 EO (idF Art I Z 12 der EO-Novelle 1991 BGBl 628) sind bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag (Existenzminimum nach § 291 a EO) zu allererst (Z 1) die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuer- oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Verpflichteten abzuführen sind, vom Gesamtbetrag abzuziehen. Diese Bestimmung entspricht damit dem gleichzeitig (Art XXXIII Z 1 der Novelle) aufgehobenen § 7 Z 1 lit b Lohnpfändungsgesetz 1985 (in der wiederverlautbarten Fassung BGBl 1985/450), wobei nach dem Willen des Gesetzgebers unter die sozialrechtlichen Vorschriften ua die Sozialversicherungsbeiträge und die Pensionsbeiträge fallen (RV 181 BlgNR 18. GP, 28; abgedruckt auch in Feil, EO4 Rz 1 zu § 291), also gerade solche, welche auch hier Gegenstand der Einforderung durch die beklagte Partei sind (so auch die Auffassung bereits zum früheren LPfG: vgl etwa Heller/Berger/Stix, Die Lohnpfändung4, 74). Wenn auch diese Bestimmung vorrangig laufende Beitragsleistungen zur gesetzlichen Sozialversicherung im Auge hat, so müssen ihr doch nach Sinn und Wortlaut auch im Rahmen einer - soweit gesetzlich zugelassen (hier nach § 103 ASVG) - Aufrechnung vorgenommene Einbehalte derartiger, wenngleich rückständiger Beiträge, unterstellt werden, sofern diese - so wie laufende Beiträge - unmittelbar aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften geschuldet werden. Schon daraus folgt, daß die laufenden (zeitlich vorausgehenden) Exekutionen auf den Pensionsbezug des Klägers weder ein Argument gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung der beklagten Partei gemäß § 103 ASVG noch gegen die bereits wiedergegebene ständige Judikatur des Senates zur Unmaßgeblichkeit der Pfändungsbeschränkungen der EO im Falle einer solchen aufrechnungsweisen Rückstandshereinbringung durch den Versicherungsträger sein können. Ist es aber so, daß die (vorweg vorzunehmende) Zulässigkeitsprüfung der Aufrechnung deren Rechtmäßigkeit (dem Grunde nach) ergibt, so ist in der zweiten Stufe der zulässige Umfang derselben (also deren Höhe) zu beurteilen. Hiebei ist nun auf § 103 Abs 2 ASVG als Sondernorm zurückzugreifen. Hieraus und unter Berücksichtigung weiterer in § 291 EO genannter Abzüge ist sodann die Berechnungsgrundlage gemäß § 291 EO zu ermitteln. Für die vom Kläger in den Vordergrund seiner Betrachtung gestellten Unterhaltsexekutionen (seiner nicht verfahrensbeteiligten Unterhaltsgläubiger) sind dann auf dieser Grundlage im Rahmen des Exekutionsverfahrens (nicht aber hier vom zufolge sukzessiver Zuständigkeit entscheidungsbefugten Sozialgericht) die Besonderheiten des § 291 b EO zu beachten.

Käme man - folgend dem Standpunkt des Klägers - zu dem Ergebnis, daß im Hinblick darauf, daß durch die Vorpfändungen die Hälfte der Nettopension erfaßt wird, kein Raum für die Aufrechnung bestehe, so würde dies zu einem unvertretbaren Ergebnis führen. Dann hätte es nämlich der Leistungsbezieher in der Hand, zu bestimmen, ob eine Aufrechnung vorgenommen wird oder nicht. Erfüllt er nämlich seine Zahlungsverpflichtungen freiwillig, dann wird ihm im Rahmen der Aufrechnung vorerst (die dann nicht mit Exekutionen belastete) Pension nur zur Hälfte ausgezahlt. Mit diesem Betrag hätte er dann seine Zahlungspflichten zu erfüllen, so daß ihm letztlich (ausgehend von den hier bestehenden Unterhaltsverpflichtungen) überhaupt nichts bliebe. Käme er hingegen seinen Zahlungspflichten nicht nach, so würde Exekution geführt und auf diese Weise käme ihm letztlich ein Auszahlungsbetrag zu.

Das einzige vom Berufungsgericht zur Abänderung des Ersturteils herangezogene rechtliche Argument, wonach bei Auslegung des § 103 Abs 2 ASVG als Spezialnorm zu den generellen exekutionsrechtlichen Normen über das Existenzminimum Wertungen, welche dem Generaltatbestand zugrundelägen, auch für die Spezialnorm gelten müßten, sodaß § 103 Abs 2 ASVG nur so verstanden werden könne, daß dem anspruchsberechtigten Versicherten auch nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht nur die Hälfte der ihm zustehenden Geldleistung tatsächlich auszuzahlen sei, sondern sich dieser auch mit dem auszuzahlenden Nettopensionsbetrag decken müsse, ohne daß Vorpfändungen Berücksichtigung fänden, übersieht zunächst, daß die als Generalnorm bezeichnete Exekutionsordnung selbst vom Generaltatbestand abweichend Fälle der Aufrechnung ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil vorsieht (§ 293 Abs 3 erster Halbsatz EO). Im übrigen hat der Senat in der bereits zitierten Entscheidung SSV-NF 7/100 (weitere) Fälle aufgezeigt, in denen das exekutionsrechtlich festgelegte allgemeine Existenzminimum ebenfalls keine starre und absolute Untergrenze darstellt. Mag dies auch als unbefriedigend empfunden werden, so kann es doch aufgrund dieser Gesetzeslage nicht Sache der Rechtsprechung sein, hierin den Gesetzgeber zu korrigieren (MGA ABGB34 E 55 zu § 6). Appelle rechtspolitischer Natur, wie sie auch in der Revisionsbeantwortung anklingen, sind an den Gesetzgeber, der aber - wie bereits ausgeführt - die Bestimmung bislang nicht geändert hat, und nicht an die Judikatur zu richten (EvBl 1972/182). Diesem allein obläge es daher, so wie dies etwa der deutsche Sozialgesetzgeber durch die Novelle BGBl I 1980, 1469 mit der Neufassung des § 51 Abs 2 SGB I getan und damit eine an die Pfändungsgrenzen gebundene sowie die frühere Privilegierung der Leistungsträger gegenüber anderen, auf Pfändung angewiesenen Gläubigern beseitigende Rechtslage geschaffen hat (Seewald in Kasseler Kommentar, Band I, Rn 2 zu § 51 SGB I), eine ebensolche Rechtslage auch in Österreich zu schaffen.

Entscheidungswesentlich ist daher - ausgehend von dieser wiedergegebenen geltenden Rechtslage - , von welchem Betrag die Hälfte, bis zu der die Aufrechnung nach § 103 Abs 2 ASVG für zulässig erklärt wird, zu berechnen ist. Die vom Gesetzgeber gewählte Wendung "der zu erbringenden Geldleistung" ist hiebei nach Auffassung des Senates im Sinne des Nettopensionsbetrages zu verstehen, bis zu dessen Hälfte daher die Aufrechnung zulässig sein soll. Dies ergibt sich bereits aus dem Einleitungssatz des § 103 Abs 1 ASVG (im übrigen wörtlich gleichlautend auch die Einleitungssätze zu § 71 Abs 1 GSVG, § 67 Abs 1 BSVG, § 44 Abs 1 B-KUVG und § 34 Abs 1 NVG), wonach dem jeweiligen Versicherungsträger eine Aufrechnung in den im folgenden taxativ aufgezählten Fällen "auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen" gestattet ist. Auch hinsichtlich der im Rahmen eines (wie hier) behängenden Exekutionsverfahrens einbehaltenen Beträge für (Unterhalts-)Gläubiger handelt es sich grundsätzlich um durch den Versicherungsträger (hier als Drittschuldner) an den Leistungsberechtigten (Versicherten) zu erbringende Geldleistungen (Beträge), die freilich - zufolge Pfändung und Überweisung - nicht an ihn (persönlich), sondern für ihn an dritte Personen (die forderungsberechtigten Gläubiger) überwiesen werden.

An diesem Ergebnis vermag der erkennende Senat auch keine Verfassungswidrigkeit im Sinne einer "gleichheits- und grundrechtswidrigen Bevorzugung der Gläubigergruppe der Sozialversicherungsträger" (so der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung) zu erkennen. Der vom Revisionswerber hiezu zunächst vermißte "innere Zusammenhang" zwischen seinem Pensionsanspruch und dem aufgerechneten Gegenforderungsanspruch betrifft die bereits weiter oben behandelte (und bejahte) Frage der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit (in der beiderseitigen Gläubiger- bzw Schuldnerstellung zueinander). Soweit damit die verba legalia "rechtlicher Zusammenhang" in § 293 Abs 3 EO angesprochen sein sollten, handelt es sich hiebei um den gleichen Begriff, wie er auch im § 391 Abs 3 ZPO (für das Teilurteil) vom Gesetzgeber verwendet wurde und für die exekutionsrechtliche Bestimmung Vorbild war (Heller/Berger/Stix III4 2103; Feil, EO4 Rz 5 zu § 293); dieser rechtliche Zusammenhang zwischen der Forderung des Klägers (Pensionsanspruch) und der Gegenforderung der beklagten Partei (offene Beitragsrückstände) resultiert aber schon aus der für beide gemeinsamen Rechtsvorschrift, nämlich dem ASVG (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 1298). Im übrigen steht eine Unterschreitung des Existenzminimums (zugunsten des beklagten Versicherungsträgers) nach den obigen Ausführungen ohnedies nicht zur Debatte: Geht man nämlich vom Nettobetrag der Pension (in Höhe von S 20.982,80) als Ausgangsbetrag (nach § 103 Abs 1 ASVG) aus, so übersteigt - auch unter Berücksichtigung der eingangs wiedergegebenen Unterhaltsverpflichtungen, die Gegenstand anhängiger Exekutionsverfahren sind - der monatliche Aufrechnungsbetrag von S 5.223,70 ohnedies nicht die Grenzen, die sich aus § 291a EO ergeben. Selbst wenn man der (allerdings abzulehnenden) Ansicht des Klägers folgte, daß die Pfändungsbeschränkungen der EO auch im Falle einer Aufrechnung gemäß § 103 Abs 2 ASVG zu beachten wären, wäre daher für ihn im vorliegenden Fall nichts gewonnen.

Damit besteht auch kein Anlaß, im Sinne der Anregung des Klägers den Verfassungsgerichtshof mit einem Normenprüfungsverfahren zur Bestimmung des § 103 (zu ergänzen: Abs 2) ASVG zu befassen.

Aus allen diesen Erwägungen war der Revision der beklagten Partei Folge zu geben und das bekämpfte Berufungsurteil im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Zwar liegt ein gänzliches Unterliegen des Klägers vor, trotzdem erachtet es der Senat als gerechtfertigt, dem Kläger einen Teil der Kosten seines Vertreters gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG zuzuerkennen, weil die Entscheidung von der Lösung einer bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschiedenen Rechtsfrage abhing, welche auch von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilt worden ist (Kuderna, ASGG2 Anm 7 zu § 77 mwN; 10 ObS 204/98t).

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