OGH 10ObS242/93

OGH10ObS242/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Theodor Zeh (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dipl.Ing. Raimund Tschulik (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Panajotis P*****, ohne Beschäftigung*****, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Zuerkennung einer österreichischen Pension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 1993, GZ 31 Rs 64/93-13, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. September 1992, GZ 9 Cgs 86/92-6, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über die Berufung der klagenden Partei zu entscheiden.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit dem erstgerichtlichen Urteil wurde das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger eine Pension aus der nach dem ASVG geregelten Pensionsversicherung zu gewähren, abgewiesen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers mit der Begründung zurück, das erstgerichtliche Urteil sei dem Beklagtenvertreter - gleichzeitig mit dem Bestellungsbeschluß zum Verfahrenshelfer - am 2.3.1993 zugestellt worden. Die am 22.4.1993 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Sowohl nach der Aktenlage wie auf Grund der vom Rekurswerber vorgelegten Urkunden ist davon auszugehen, daß dem Klagevertreter am 2.3.1993 wohl der Bestellungsbeschluß zum Verfahrenshelfer zugestellt wurde, die Zustellung des erstgerichtlichen Urteils aber nach Urgenz erst am 9.4.1993 erfolgte. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem im Akt erliegenden Rückschein. Die Annahme des Berufungsgerichtes über die Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verfahrenshelfer hat sich daher als unrichtig erwiesen.

Da der Kläger innerhalb der Berufungsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt hatte, begann die Berufungsfrist gemäß § 464 Abs 3 ZPO für ihn ab Zustellung des Bestellungsbeschlusses und der Urteilsausfertigung neu zu laufen. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist die Zustellung beider Entscheidungen erforderlich; erfolgt diese nicht gleichzeitig, beginnt die Frist erst mit der Zustellung des zweiten Schriftstückes zu laufen (5 Ob 596/76, 2 Ob 540/87 = MietSlg. 39.770 jeweils mit Hinweis auf Fasching, Komm ErgBd 56 Anm 7, 4 Ob 593/89, 6 Ob 638/89, 7 Ob 504/92; die in Stohanzl, JN und ZPO MGA14 unter E 22 und 23 zu § 464 ZPO zitierten gegenteiligen Entscheidungen RZ 1963, 111 und EvBl 1969/186 = MietSlg. 20.699 sind durch das Verfahrenshilfegesetz BGBl. 1973/569 überholt).

Die Berufungsfrist begann daher im vorliegenden Fall erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Rechtsanwalt des Klägers am 9.4.1993. Die am 22.4.1993 zur Post gegebene Berufung war jedenfalls rechtzeitig.

Aus diesen Gründen mußte der Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben werden. Zur weiters beantragten Entscheidung über die Berufung ist der Oberste Gerichtshof in diesem Rekursverfahren funktionell nicht zuständig.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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