OGH 7Ob504/92

OGH7Ob504/9230.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann,

Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Hans Joachim D*****, vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die Antragsgegnerin Martha M*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 29.Mai 1991, GZ R 485/90-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 29.Juni 1990, GZ 2 Nc 4/90-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrt für die Liegenschaft EZ ***** KG E***** die gerichtliche Einräumung eines Notweges über die Liegenschaft der Antragsgegnerin. Er hat die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 6.10.1988 erworben, sein Eigentumsrecht wurde jedoch nur vorgemerkt.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, daß der Antragsteller nach den Umständen des Erwerbes der Liegenschaft hinsichtlich des Mangels der Wegeverbindung auffallende Sorglosigkeit zu vertreten habe.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes könne nur derjenige die Einräumung eines Notweges begehren, dessen Eigentumsrecht grundbücherlich einverleibt sei. Demjenigen, dessen Eigentumsrecht lediglich vorgemerkt sei, käme keine Antragslegitimation zu.

Die Entscheidung der zweiten Instanz wurde dem Antragsteller am 27.6.1991 zugestellt. Innerhalb der 14tägigen Rechtsmittelfrist beantragte er die Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwaltes. Diese wurde ihm bewilligt und zunächst Rechtsanwalt Dr. Robert M. zum Verfahrenshelfer bestellt, dem die Bestellungsurkunde am 19.7.1991 zugestellt wurde. Am 22.7.1991 erfolgte durh die Rechtsanwaltskammer die erste und am 26.7.1991 die zweite Umbestellung. Mit letzterer wurde der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer bestellt. Die Urkunde über die Umbestellung wurde ihm am 29.7.1991 zugestellt. Am 5.8.1991 erhielt er über sein Ersuchen vom Antragsteller die in dessen Händen befindlichen Unterlagen, darunter auch die dem Antragsteller am 27.6.1991 zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses.

Das Erstgericht wies den Revisionsrekurs des Antragstellers als verspätet zurück. Das Rekursgericht behob diesen Ausspruch ersatzlos und trug dem Erstgericht unter Hinweis auf § 11 Abs.2 AußStrG die Vorlage des Revisionsrekurses auf.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist rechtzeitig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Beizupflichten ist den Vorinstanzen darin, daß die Rekursfrist im Verfahren über die Einräumung eines Notweges gemäß § 16 Abs.2 NWG 14 Tage beträgt. Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses ist davon auszugehen, daß nach den auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwendenden Bestimmungen des § 464 Abs.3 ZPO (EFSlg.46.984) die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Entscheidungsausfertigung an ihn beginnt, wenn eine Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt hat. Um den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen, ist somit die Zustellung beider Entscheidungen an den Verfahrenshilfeanwalt erforderlich. Erfolgt diese nicht gleichzeitig, beginnt die Frist erst mit der Zustellung des zweiten Schriftstückes (MietSlg.39.770). Bei der Umbestellung bewirkt nach ständiger Rechtsprechung das infolge Umbestellung herbeigeführte Ausscheiden eines im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes, daß die noch im Lauf befindliche Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Dekretes über die Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes an diesen neu zu laufen beginnt (AnwBl.1987, 296; AnwBl.1984, 448; 1 Ob 508,509/85 ua). Ob in einem solchen Fall auch dem anstelle des ausscheidenden Rechtsanwaltes bestellten Rechtsanwalt eine weitere Entscheidungsausfertigung zugestellt werden muß, kann hier unerörtert bleiben. Nach der Aktenlage wurde nämlich ganz offensichtlich keinem der Rechtsanwälte eine Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses zugestellt, ja eine solche Zustellung nicht einmal verfügt. Nach den Erhebungsergebnissen der zweiten Instanz hat zwar der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt am 5.8.1991 vom Antragsteller die diesem mangels rechtsfreundlicher Vertretung am 27.6.1991 selbst zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses erhalten. Dadurch wurde jedoch keine Heilung des Zustellmangels bewirkt. Eine Zustellsanierung nach § 7 ZustG (früher § 108 ZPO) setzt voraus, daß die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung diesem tatsächlich ausgehändigt wurde. Es genügt nicht, daß dem Empfänger eine Ausfertigung, die ihm gar nicht zugestellt werden sollte, von einer anderen Person zugemittelt wurde (RZ 1978/26; JBl.1969, 612; Fasching II 598; Walter-Mayer, Zustellrecht 42). Daraus folgt, daß die Rechtsmittelfrist mangels ordnungsgemäßer Zustellung an den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt noch nicht begonnen hat und der von diesem eingebrachte Revisionsrekurs nicht verspätet sein kann.

In der Sache selbst ist die Rechtsansicht des Rekursgerichtes zu billigen, daß derjenige, dessen Eigentum an der notleidenden Liegenschaft lediglich vorgemerkt wurde, nicht zur Stellung eines Antrages auf Einräumung eines Notweges berechtigt ist. Nach § 1 Abs.1 NWG kann der Eigentümer einer Liegenschaft, welche die für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung nötigen Wegeverbindungen mit dem öffentlichen Wegenetz entbehrt, die Einräumung eines Notweges über fremde Liegenschaften begehren. Unter Eigentümer ist sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck des Gesetzes nur derjenige zu verstehen, der sich auf einen unbedingten Rechtserwerb stützen kann. Dieser erfolgt, von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes. Die Vormerkung verschafft, wie schon das Rekursgericht eingehend dargelegt hat, nur einen durch nachfolgende Rechtfertigung bedingten Rechtserwerb. Beweggrund für die Schaffung des Notwegegesetzes war in erster Linie das Privatinteresse des Eigentümers der notleidenden Liegenschaft (1292 der Blg. zum Abgeordnetenhaus XI.Session 13). Ein solches Interesse kommt aber demjenigen, dessen Eigentum bloß vorgemerkt wurde, jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn die Rechtfertigung unterbleibt. Die unterbliebene Rechtfertigung führt zwar, wie das Rekursgericht gleichfalls schon eingehend dargestellt hat, zur Löschung der Vormerkung und aller bücherlichen Verfügungen des Vormerkungswerbers. Die Entscheidung, mit der auf Antrag des Vorgemerkten ein Notweg eingeräumt würde, bliebe jedoch davon unberührt. Die erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz und nach der Entscheidung des Rekursgerichtes erfolgte Rechtfertigung, auf die sich nunmehr der Rechtsmittelwerber beruft, ist unbeachtlich. Tatsachen, die erst nach der Entscheidung der ersten Instanz eingetreten sind, sind nach ständiger Rechtsprechung auch im Rahmen des § 10 AußStrG nicht zu berücksichtigen (1 Ob 585/89; 1 Ob 617/87; NZ 1970, 70).

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs.1 NWG. Für den Antrag vom 6.9.1991 auf Zurückweisung des Revisionsrekurses gebührt dem Antragsgegner kein Kostenersatz, weil dieses Einschreiten, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, ungerechtfertigt war.

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