OGH 10ObS236/93(10ObS1004/93)

OGH10ObS236/93(10ObS1004/93)8.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Erich Reichelt (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bernhard L*****, kfm.Angestellter, *****vertreten durch Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, wegen S 2.160,-- sA, infolge außerordentlicher Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Oktober 1993, GZ 8 Rs 45/93-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27. Jänner 1993, GZ 32 Cgs 272/92-6, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision und des Rekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben.

Die Klage wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat seine Verfahrenskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Auf Grund einer von der behandelnden Ärztin ausgestellten ärztlichen Verordnung nahm der Kläger am 19.4.1991 bei dem "Computertomographie-Institut Dr.*****" in G***** eine Computertomographie in Anspruch, wofür ihm mit Honorarnote ein Betrag von S 2.160,-- in Rechnung gestellt wurde. Das Institut steht in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Gebietskrankenkasse. Der Kläger hat die Kosten dieser Behandlung (bisher) nicht bezahlt. Mit Bescheid der Beklagten vom 27.10.1992 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung eins tarifmäßigen Kostenersatzes für die durchgeführte Computertomographie bzw die Überweisung des diesbezüglichen Rechnungsbetrages an das genannte Institut abgelehnt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Kostenersatz von S 2.160,-- unabhängig von der vorhergehenden Bezahlung durch den Kläger, und zwar entweder durch Ausfolgung des Betrages an den Kläger zur Weiterleitung an das genannte Institut, durch Direktüberweisung an das Institut oder durch Zahlung über einen Treuhänder, ab. In der Begründung verwies das Erstgericht darauf, daß der Kläger bislang der Beklagten keine saldierte Rechnung gelegt habe; eine direkte Verrechnung sei einem Nichtvertragsarzt gemäß § 98 ASVG verwehrt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil in seinem Ausspruch auf Abweisung des Begehrens auf Zahlung an das Computertomographie-Institut oder an einen Treuhänder als Teilurteil, hob es aber im übrigen auf und verwies die Sozialrechtssache in diesem Rahmen zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach dabei aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zulässig, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof aber zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentliche Revision und der Rekurs des Klägers, der eine volle Stattgebung seines Klagebegehrens anstebt.

Die Beklagte hat in einer - entgegen § 506 Abs 1 Z 4 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG - nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenen Revisions- und Rekursbeantwortung, die in Ansehung des Rekurses außerdem noch verspätet ist, beantragt, beiden Rechtsmitteln des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Vorleistungspflicht des Versicherten bei Erstattung von Wahlarztkosten fehlt. Sie ist aber auch deshalb zulässig, weil über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt wurde und damit der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO - wie darzulegen sein wird - vorliegt. Der Rekurs ist nach § 519 Abs 1 Z 2, Abs 2 ZPO aus denselben Erwägungen zulässig.

Der erkennende Senat hat aus Anlaß der beiden zulässigen Rechtsmittel erwogen:

Der Bescheid vom 27.10.1992 wurde dem Kläger am 2.11.1992 eigenhändig zugestellt. Dies ergibt sich aus dem im Anstaltsakt einliegenden Zustellschein und aus dem Zugeständnis des Klägers, der Bescheid sei ihm am 2.11.1992 zugestellt worden. Weil es sich um keine Leistung der Pensionsversicherung, sondern der Krankenversicherung handelte, mußte die Klage nach § 67 Abs 2 ASGG bei sonstigem Verlust der Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der unerstreckbaren Frist von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides erhoben werden, in welcher Frist die Tage des Postlaufes nicht eingerechnet werden. Darüber wurde der Kläger auch im Bescheid belehrt. Im vorliegenden Fall mußte daher die Klage spätestens am 30.11.1992 überreicht oder zur Post gegeben werden. Gemäß § 84 ASGG kann der Versicherte in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 2 nd 4 bis 8 ASGG die Klage auch bei demjenigen Versicherungsträger einbringen, der den Bescheid erlassen hat; die Klage gilt als beim zuständigen Gericht eingebracht.

Den zuletzt genannten Weg hat der Kläger beschritten: Er hat bei der Beklagten zwei Klagsschriften eingebracht, jedoch nicht innerhalb der genannten Frist zur Post gegeben. Die eine Klagsschrift ist mit 2.12.1992 datiert und langte am 4.12.1992 bei der Beklagten ein; die Postaufgabe erfolgte entweder am 2. oder am 3.12.1992 (der Poststempel ist unleserlich). Die andere Klagsschrift ist zwar mit 30.11.1992 datiert, wurde jedoch (nach dem klar lesbaren Poststempel) erst am 3.12.1992 zur Post gegeben und langte ebenfalls am 4.12.1992 bei der Beklagten ein.

Nach § 73 ASGG ist eine Klage, die ua ohne die im § 67 ASGG genannten Voraussetzungen - also auch verspätet - erhoben wurde, in jeder Lage des Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen (EvBl 1993/103 = SSV-NF 6/152 mwN). Da dies erst im Verfahren dritter Instanz erkannt wurde, waren aus Anlaß der zulässigen Rechtsmittel des Klägers die Entscheidungen der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren nach § 42 Abs 1 JN (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO, § 503 Z 1 ZPO) als nichtig aufzuheben; die Klage war nach § 73 ASGG zurückzuweisen (ebenso EvBl 1993/103 = SSV-NF 6/152 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG und § 51 Abs 2 ZPO.

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