OGH 10ObS211/97w

OGH10ObS211/97w12.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Stattmann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Berta Sch*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Jänner 1997, GZ 7 Rs 349/96m-22, womit das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.April 1996, GZ 27 Cgs 163/94w-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab 1.7.1993 eine Witwenpension nach dem am 11.4.1989 verstorbenen Versicherten Rudolf Sch***** im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, abgewiesen wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 15.10.1963 zwischen der Klägerin und Rudolf Sch***** geschlossene Ehe wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 14.6.1988 gemäß § 55 a EheG einvernehmlich geschieden. Anläßlich der hiebei getroffenen Vereinbarung verzichteten beide Eheleute gegenseitig auf jeglichen Unterhalt. Trotzdem wurde die Lebensgemeinschaft der Ehegatten auch nach der Scheidung weitergeführt und bezahlte Rudolf Sch***** der Klägerin weiterhin einen Betrag von S 6.000 an Unterhalt; daneben finanzierte er auch die laufenden Lebenshaltungskosten wie Miete, Strom etc. Damals betrug sein Durchschnittsnettoverdienst ca S 15.270, jener der Klägerin ca S 8.050. Am 11.4.1989 verstarb Rudolf Sch*****.

Mit dem bekämpften Bescheid lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension nach dem verstorbenen Versicherten ab.

Mit ihrer Klage stellte sie das Begehren auf Zuerkennung einer solchen im gesetzlichen Ausmaß.

Das Erstgericht erkannte, daß das Klagebegehren ab 1.7.1993 dem Grunde nach zu Recht bestehe und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich S 4.000 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides auf. Es beurteilte den eingangs - zusammengefaßt - wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß die Voraussetzung des § 258 Abs 4 lit d ASVG, wonach der Versicherte mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod Unterhalt geleistet haben müsse, erfüllt sei. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Durchschnittsnettoeinkommen der geschiedenen Eheleute habe die Klägerin auch Anspruch auf einen Unterhaltsbetrag in Höhe von monatlich S 1.278 (unter Bedachtnahme auf die 40 %-Regel) gehabt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und auch dessen rechtliche Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei. Diese ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig und auch berechtigt. Die klagende Partei hat hiezu keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Eingangs ist zu bemerken, daß sich die Anspruchsvoraussetzungen der Klägerin zufolge ihrer Antragstellung am 2.11.1993 ab dem 1.7.1993 trotz des (vom Todestag des Versicherten am 11.4.1989 abhängigen) Stichtages 1.5.1989 (§ 223 Abs 2 iVm Abs 1 Z 3 ASVG) zufolge der Übergangsbestimmung des § 551 Abs 4 ASVG (idF des SRÄG 1993 BGBl 335) nach dem § 258 Abs 4 ASVG (idF des Art I Z 86 leg cit) richten. Das Klagebegehren ist dabei im Sinne der Revisionsausführungen nur mehr unter Bedachtnahme auf den Rechtsgrund des § 258 Abs 4 lit d ASVG zu prüfen; die übrigen Rechtsgründe dieser Gesetzesstelle (lit a bis c) wurden bereits von den Vorinstanzen (zutreffend) verneint.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits in seiner Entscheidung 10 ObS 37/95 vom 28.2.1995, veröffentlicht in SSV-NF 9/25 sowie SZ 68/46, bei ganz ähnlichem Sachverhalt (dort: Eheschließung 24.7.1965, Ehescheidung 31.3.1989, Tod des geschiedenen Ehegatten 10.9.1989) mit der Frage der Mindestdauer tatsächlicher Unterhaltsleistungen durch den verstorbenen früheren Ehegatten im Sinne des § 258 Abs 4 lit d ASVG bei Tod desselben vor Ablauf eines Jahres ab Rechtskraft der Scheidung zu befassen und hierin folgende, auch auf den vorliegenden Fall unverändert anwendbare Rechtssätze formuliert:

"Nach der mit 1.7.1993 in Kraft getretenen Fassung des § 258 Abs 4 lit d ASVG gebührt die Pension nach Abs 1 leg cit.... auch dem früheren Ehepartner des (der) Versicherten, wenn ihm dieser (diese) zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) geleistet hat, und zwar regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat. Durch diese Novellierung soll - um Härtefälle zu vermeiden - ein Anspruch auf Hinterbliebenenpension auch dann entstehen, wenn für eine bestimmte Zeit nachweislich bis zum Tod des Versicherten regelmäßig tatsächlich Unterhalt geleistet worden ist....

Nach dem eindeutigen Wortlaut der lit d muß der Unterhalt regelmäßig ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zum Tod des (der) Versicherten, mindestens während der Dauer eines Jahres vor seinem (ihrem) Tod, geleistet worden sein, also mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor dem Tod.... Die von der Revisionswerberin [dort: die klagende Witwe] gewünschte ausdehnende Auslegung, daß die im Gesetz festgelegte Mindestdauer der tatsächlichen Unterhaltsleistung von einem Jahr dann nicht gelte, wenn der Versicherte zwar ab der Rechtskraft der Scheidung regelmäßig Unterhalt geleistet habe, aber vor Ablauf eines Jahres nach der Rechtskraft der Scheidung gestorben sei, scheitert daran, daß es sich bei der neuen lit d um eine Ausnahmeregelung handelt. Damit wollte der Gesetzgeber unter den darin genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung absehen und die tatsächliche Unterhaltsleistung den sonst für den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichsetzen. Dazu wird aber eine regelmäßige Unterhaltsleistung während einer bestimmten Mindestzeit verlangt. Diese darf erst nach der Rechtskraft der Scheidung beginnen und muß mindestens während der Dauer des letzten Jahres erbracht werden. Wird der Unterhalt nicht während dieser Mindestdauer geleistet, gebührt die Witwen(Witwer)pension auch nach der neuen lit d nicht. Dabei ist es ebenso wie bei den anderen Fällen des § 258 Abs 4 ASVG unerheblich, aus welchen Gründen die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.... Wenn der (die) Versicherte seinem (ihrem) früheren Ehepartner nach der Rechtskraft der Scheidung deshalb nicht mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod Unterhalt geleistet hat, weil er (sie) vor Ablauf dieses Jahres gestorben ist, dann gebührt dem hinterbliebenen früheren Ehepartner ebensowenig eine Pension wie dem, der vor dem Tod des (der) Versicherten kein gerichtliches Urteil erlangen oder keinen gerichtlichen Vergleich schließen konnte. In diesem Zusammenhang kann es zu Härtefällen kommen. Diese wurden jedoch vom Gesetzgeber, wie sich ua aus der RV zur 51.ASVG-Novelle ergibt, im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insbesondere aber der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung, bewußt in Kauf genommen."

Da im vorliegenden Fall diese Jahres- als Mindestfrist nicht erfüllt ist (Scheidung 31.3.1989, Tod 10.9.1989), besteht das Klagebegehren bereits aus diesem Grunde nicht zu Recht. Auf die weiteren, in der Revision herangezogenen Argumente (fehlender Unterhaltsbedarf; Begrenzung der Witwenpension mit dem effektiven Unterhaltsbedarf in Analogie zum Ausgleichszulagenrecht) braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Revision der beklagten Partei war daher aus den vorstehenden Gründen Folge zu geben; in Abänderung der Urteile der Vorintanzen war das Klagebegehren der Klägerin abzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil sich die Klägerin mangels Erstattung einer Revisionsbeantwortung am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat.

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