Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger mündlicher Berufungsverhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 7.11.1990 erlitt der Kläger bei der Obsternte im Betrieb seiner Landwirtschaft einen Unfall, bei dem einige seiner Zähne beschädigt wurden. Darüber erstattete der Kläger erst am 11.4.1991 eine Unfallsanzeige an die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern. In der Zwischenzeit hatte er bereits im Februar 1991 bei zwei Behandlungsterminen in Ungarn sein Gebiß bei einem ungarischen Zahnarzt generalsanieren lassen.
Für diese Zahnbehandlung beantragte der Kläger die Gewährung eines Kostenzuschusses, was die Beklagte mit Bescheid vom 17.1.1992 ablehnte.
Mit seiner rechtzeitigen Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, für den auf Grund des Ereignisses vom 7.11.1990 erforderlich gewordenen Zahnersatz einen Kostenzuschuß im gesetzes- und satzungs- bzw. richtliniengemäßen Umfang binnen 14 Tagen zu leisten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Zahnersatz nicht den medizinischen Anforderungen entspreche und auch nicht als zweckmäßig zu beurteilen sei, weshalb die Gewährung eines Kostenzuschusses abgelehnt werden müsse.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der ungarische Zahnarzt, der den Kläger behandelte, bereits zwei Wochen nach der Extraktion mehrerer Zähne und auf Grund eines unmittelbar nach der Extraktion angefertigten Abdruckes die beiden Brücken im Ober- und Unterkiefer einsetzte, ohne zunächst durch ein Provisorium die Zeit der Abheilung und die damit verbundene Schrumpfung des Kiefers abzuwarten. Der dadurch im Oberkiefer entstandene Spalt zwischen Zahnersatz und Kieferkamm, in dem sich sammelnde Speisereste Eiterungen verursachten, kann wegen des festsitzenden Zahnersatzes nicht behoben werden. Das in Ermangelung der Unterfütterung in der Kieferschwund- bzw. Abheilphase im Unterkiefer entstandene Absinken der Brücke führte dazu, daß die Unterkieferprothese keinen Kontakt mit der Brücke im Oberkiefer hat, sondern lediglich die noch drei verbliebenen Zähne im Unterkiefer, was die Kaufähigkeit massiv beeinträchtigt. Im Unterkiefer wird es in Kürze, jedenfalls - in Relation zur ordnungsgemäßen Herstellung einer Prothese - vorzeitig notwendig sein, die Teilprothese durch eine Totalprothese zu ersetzen. Auch im Oberkiefer werden die durch unsachgemäße Montage hervorgerufenen ständigen Entzündungen des Zahnfleisches zum vorzeitigen Verlust der Brücke führen.
Aus diesen im wesentlichen auf die Ausführungen des gerichtsärztlichen Sachverständigen gestützten Feststellungen folgerte das Erstgericht rechtlich, daß die beim Kläger vorgenommene Gebißsanierung dem Gebot der Zweckmäßigkeit iS des § 83 Abs 2 BSVG sowie der Richtlinien für die Gewährung von Hilfsmitteln und Heilbehelfen nicht gerecht werde, da die beim Zahnersatz als Zweckmäßigkeitskriterium geforderte möglichste Wiederherstellung der Kaufähigkeit nicht gegeben sei. Darüber hinaus sei die Behandlung auch unwirtschaftlich, weil der Zahnersatz infolge der mangelhaften Ausführung vorzeitig durch eine andere Sanierungsmöglichkeit ausgetauscht werden müsse. Insgesamt entspreche die Behandlung nicht dem Stand der zahnärztlichen Wissenschaft, weshalb die Gewährung eines Kostenzuschusses weder aus der Kranken- noch aus der Unfallversicherung möglich sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes (insgesamt) 50.000 S nicht übersteige und daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen sei zwar die Zahnbehandlung nicht als erfolgreich anzusehen, da zum einen das Ziel der möglichsten Wiederherstellung der Kaufähigkeit nicht erreicht worden sei und auch die Haltbarkeit des Zahnersatzes offenbar erheblich unter der geforderten Mindestdauer liege. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese Einschätzung richtig sei und ob die erhobenen Mängel des Zahnersatzes auf unsachgemäße Behandlung zurückzuführen seien - dies sei Gegenstand der umfangreichen Mängel- und Tatsachenrüge -, weil es für das Zweckmäßigkeitskriterium der Behandlung bereits genüge, daß sie erfolgversprechend gewesen sei. Dies müsse im gegenständlichen Fall unabhängig von einem allfälligen Mißerfolg der Behandlung bejaht werden, weil aus der maßgeblichen Sicht des Patienten die bei einem Facharzt durchgeführte schulmedizinische Behandlung als erfolgversprechend zu bezeichnen sei. Unter diesen Voraussetzungen komme es bezüglich der Kostenerstattung nicht darauf an, ob sich die Behandlung im nachhinein aus irgendwelchen Gründen, sei es auch wegen Behandlungsfehlern, als nicht erfolgreich herausstelle. Der Kläger habe daher grundsätzlich Anspruch auf einen Kostenzuschuß für den in Ungarn angefertigten Zahnersatz. Die Rechtssache sei aber nicht entscheidungsreif, weil der nach § 25 Abs 2 der Satzung der Beklagten vorgesehene Zuschuß von 80 % der tatsächlich erwachsenen Kosten mangels näherer Feststellungen nicht ermittelt werden könne. Das Erstgericht werde auch auf die Verbesserung des derzeit unbestimmten Klagebegehrens hinwirken müssen. Der Rekurs sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof zur hier entscheidenden Frage, welche Behandlung als erfolgversprechend anzusehen sei, nicht Stellung genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß von der Beklagten erhobene Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist aber auch berechtigt.
Unstrittig ist zunächst, daß es sich bei dem Vorfall vom 7.11.1990 um einen im Rahmen der Landwirtschaft des Klägers erlittenen Arbeitsunfall handelte. Zu Unrecht leitet die Beklagte allerdings daraus ab, der Sachverhalt sei nicht nach den Kriterien des § 83 Abs 2 BSVG, sondern nach jenen des § 148 BSVG iVm § 202 Abs 1 und 4 ASVG zu beurteilen. § 148 BSVG bestimmt lediglich, daß hinsichtlich der Leistungen der Unfallversicherungen unter anderem die Bestimmungen des dritten Teiles des ASVG entsprechend gelten. Damit verweist das BSVG unter anderem aber auch auf die Bestimmung des § 191 Abs 1 ASVG über die Subsidiarität der Unfallversicherung im Verhältnis zur Krankenversicherung: Anspruch auf Unfallversicherung besteht, wenn und soweit der Versehrte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch hat bzw. für ihn kein solcher Anspruch besteht (vgl. Grillberger, Österreichisches Sozialrecht2 65). Ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe werden aber sowohl in der Krankenbehandlung (§ 83 BSVG) wie auch in der Unfallheilbehandlung (§ 189 ASVG) erbracht. Die Beklagte, die auch Trägerin der Krankenversicherung ist, bestreitet auch gar nicht, daß sie nach § 95 Abs 3 BSVG verpflichtet wäre, zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandsetzung nach Maßgabe der Satzung Zuschüsse zu gewähren. Sie steht lediglich auf dem Standpunkt, daß die Zahnbehandlung nicht ausreichend und zweckmäßig ist, weil sie nicht nach dem Stand der zahnärztlichen Wissenschaft erbracht wurde, die Kaufähigkeit nicht wiederherstellt und auch dem Erfordernis der ausreichenden Haltbarkeit nicht entspricht. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV-NF 7/22 = DRdA 1993, 475 (Mazal) ausgeführt hat, kommt es, wenn der Inhalt des § 95 Abs 3 BSVG auch am § 83 Abs 2 BSVG zu messen ist, darauf an, ob die Anbringung des Zahnersatzes ausreichend und zweckmäßig war und dabei das Maß des Notwendigen nicht überschritten wurde. Daß die Anbringung "unentbehrlich" gewesen sei, ist hier nicht strittig.
Entscheidend ist daher auch hier zunächst, ob die Anbringung des Zahnersatzes beim Kläger dem Erfordernis der Zweckmäßigkeit entsprochen hat. In der Entscheidung SZ 62/210 = SSV-NF 3/154 hat der Oberste Gerichtshof die Ansicht vertreten, es sei zu fordern, daß die Krankenbehandlung Erfolg verspricht oder im Einzelfall erfolgreich war; nur dann könne sie als notwendig eingestuft werden. Diese Forderung, die im Zusammenhang mit in den Honorarordnungen oder Richtlinien nicht enthaltenen Heilmethoden oder Heilmitteln aufgestellt wurde, muß allgemein für die Krankenbehandlung und damit auch für den Zahnersatz und außerdem auch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit gelten. Die Anbringung eines Zahnersatzes ist also nur dann zweckmäßig, wenn sie entweder erfolgreich oder zumindest erfolgversprechend war. Erfolgreich und damit zweckmäßig ist die Anbringung eines Zahnersatzes, wenn dadurch die Kaufähigkeit für eine ausreichend lange Zeit, jedenfalls für fünf Jahre, wiederhergestellt wurde (SSV-NF 7/22 = DRdA 1993, 475). Wie der erkennende Senat in der jüngsten Entscheidung vom 9.11.1993, 10 Ob S 174/93 ausgesprochen hat, ist Zweckmäßigkeit des Zahnersatzes dann gegeben, wenn die gesetzten Maßnahmen nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Maßnahme objektiv geeignet waren, die durch das Fehlen von Zähnen oder Zahnstücken bzw. durch schadhafte Zähne beeinträchtigten Funktionen des Kauens, Beißens oder Sprechens wiederherzustellen. Dabei setzt die Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen voraus, daß die Maßnahme hinreichend wirksam sein, d.h. nach Umfang und Qualität auch den Erfolg auf eine bestimmte Zeit gewährleisten muß, um dem Mindeststandard der ausreichenden Leistung zu entsprechen. Da es zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft ankommt, ist der technisch-medizinische ortsübliche Standard eines bestimmten Landes und dessen Anforderungen an die Haltbarkeit von Zahnersatzstücken nicht entscheidend. Dies führt aber dazu, daß unabhängig davon wo die medizinischen Maßnahmen gesetzt wurden, grundsätzlich ein Kostenersatzanspruch nach Maßgabe der österreichischen Rechtsvorschriften gegeben sein kann und daher die Ersatzpflicht der Beklagten nicht auf österreichische Leistungen nach österreichischem Standard eingeschränkt ist.
Der Auffassung des Berufungsgerichtes, jede bei einem Facharzt durchgeführte schulmedizinische Behandlung sei als erfolgversprechend zu bezeichnen, könnte nur unter der - eben hier strittigen - Voraussetzung beigestimmt werden, daß die Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erfolgte. Eine Behandlung muß objektiv erfolgversprechend sein, d.h. sie muß nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft durchgeführt werden und objektiv geeignet sein, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, also nach dem gewöhnlichen Stand der Dinge einen Erfolg versprechen, mag er auch im konkreten Fall aus nicht näher zu beeinflussenden Gründen ausgeblieben sei.
Die Behandlung muß damit jenem Sorgfaltsmaßstab entsprechen, den die Rechtsordnung an ärztliches Handeln legt (Mazal aaO 478). Daß es nicht allein auf die Sicht des Patienten ankommen kann, ergibt sich auch daraus, daß dieser mit dem behandelnden Wahlarzt einen ärztlichen Behandlungsvertrag schließt, der ihn berechtigt, bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung dieses Vertrages Nichterfüllungs-, Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche zu stellen (siehe dazu Binder, Zahnbehandlung und Zahnersatz aus sozialrechtlicher Sicht, DRdA 1993, 337, 349, 459; Engljähringer, Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488). Verletzt ein Wahlarzt die ihm aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag gegenüber dem Patienten erwachsenen Pflichten so erheblich, daß er seinen Honoraranspruch verliert, dann bracht auch der Sozialversicherungsträger Kosten, zu deren Zahlung der Versicherte nicht verpflichtet ist, nicht zu ersetzen. Bei diesem Verständnis eines erfolgversprechenden Zahnersatzes kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht dahingestellt bleiben, ob die festgestellten Mängel des Zahnersatzes, insbesondere das Fehlen der Wiederherstellung der Kaufähigkeit und entsprechenden Haltbarkeit auf eine unsachgemäße, d.h. den Regeln der zahnärztlichen Kunst widersprechenden Behandlung zurückzuführen sind. Die dazu vom Erstgericht getroffenen umfangreichen Feststellungen wurden vom Kläger unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung eingehend bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Teilen der Berufung nicht auseinandergesetzt, weil es die bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen für nicht rechtserheblich ansah. Mangels Behandlung der Mängel- und der Beweisrügen konnte das Berufungsgericht auch die entscheidenden Feststellungen des Erstgerichtes nicht übernehmen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes leidet daher an Feststellungsmängeln, die im Rahmen des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wahrgenommen werden müssen. Der darin zu erblickende sekundäre Verfahrensmangel, zurückgehend auf die Nichterledigung der vom Kläger in seiner Berufung erhobenen Mängel- und Tatsachenrüge erfordert die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung nach allfälliger mündlicher Berufungsverhandlung (vgl. SSV-NF 5/22 ua).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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