Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die am 20. 3. 1949 geborene Klägerin war vom 4. 12. 1987 bis 19. 6. 1997 Bezirksrätin und vom 20. 6. 1997 bis 3. 12. 2010 Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in Wien. Sie unterlag in diesen Funktionen dem Wiener Bezügegesetz 1995 und ab 1. 1. 1998 dem Wiener Bezügegesetz 1997. Daneben erwarb sie (auch) für die Pensionsbemessung relevante Versicherungszeiten selbständiger Tätigkeit nach dem GSVG. Die Alterspension der Klägerin wurde erstmals mit Bescheid der beklagten Partei vom 23. 3. 2010 bestimmt.
Nach dem Ausscheiden der Klägerin als Bezirksvorsteher-Stellvertreterin am 3. 12. 2010 leistete die Stadt Wien einen Anrechnungsbetrag gemäß § 16 Wiener Bezügegesetz 1997 für die Monate 1. 1. 1998 bis 30. 11. 2010 (155 Monate) in Höhe von 145.249,60 EUR, der am 7. 1. 2011 bei der beklagten Partei einlangte. Daraufhin hat die beklagte Partei mit dem hier bekämpften Bescheid vom 14. 6. 2011 die Alterspension der Klägerin ab 1. 2. 2011 aufgrund der „§§ 115 [Abs 1 Z 5], 130 GSVG“ neu bemessen.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage wendet sich die Klägerin ausdrücklich nicht gegen die Neuberechnung ab 1. 2. 2011. Sie begehrt vielmehr, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den Anrechnungsbetrag rückwirkend bereits ab dem Datum der ursprünglichen Berechnung der Alterspension, also ab 23. 3. 2010 zu berücksichtigen. Aufgrund der Änderung mit BGBl I Nr 52/2011 komme es nicht (mehr) auf die Bezahlung des Anrechnungsbetrags durch die Gemeinde an, sondern auf die Erbringung der Leistung der Klägerin an die Gemeinde (ON 7).
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und wiederholte den Inhalt des bekämpften Bescheids. Nach den (zu den Parallelbestimmungen im ASVG und ähnlichen Sachverhalten vorliegenden) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (10 ObS 76/05g und 10 ObS 5/11z) seien geleistete Anrechnungsbeträge erst zum Monatsersten nach dem Zeitpunkt des Einlangens zu berücksichtigen. Es fehle die Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Neufestsetzung der Pension zum seinerzeitigen Stichtag. Dementsprechend sollte sich auch die Novelle im Bereich des Bundesbezügegesetzes (BGBl I 2011/52) auf den Zeitpunkt auswirken, ab dem dadurch erworbene Beitragszeiten etwa bei der Berechnung der Alterspension zu berücksichtigen seien, indem die Anrechnungsbeträge nach der Neufassung des § 13 Bundesbezügegesetz (nunmehr) laufend jeweils für einen Kalendermonat, ein Kalenderhalbjahr oder ein Kalenderjahr zu leisten seien. Auf den vorliegenden Sachverhalt sei diese Neuregelung aber nicht anzuwenden, weil er sich vor dem Inkrafttreten der Novelle (1. 1. 2012) und zudem außerhalb des Anwendungsbereichs des Bundesbezügegesetzes ereignet habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Zur vermissten Auseinandersetzung mit dem Klagevorbringen, wonach bereits im Jahr 1999 ein weiterer Überweisungsbetrag in Höhe von 14.348,04 ATS (nach § 62e Abs 3 Wiener Bezügegesetz 1995 für sechs Beitragsmonate im Zeitraum 1. 7. bis 31. 12. 1997) an die beklagte Partei geleistet worden sei, verwies es darauf, dass die beklagte Partei mit dem angefochtenen Bescheid nur über die Neubemessung der Alterspension aufgrund des Anfang des Jahres 2011 geleisteten Anrechnungsbetrags von 145.249,60 EUR abgesprochen habe. Mangels einer „darüber“ ergangenen Entscheidung des Sozialversicherungsträgers (§ 67 Abs 1 Z 1 ASGG) sei die angebliche weitere Zahlung im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Fragen, ab welchem Zeitpunkt die von einer Gemeinde an den Pensionsversicherungsträger geleisteten Anrechnungsbeträge bei der Pensionsbemessung zu berücksichtigen seien und ob in diesem Zusammenhang eine rückwirkende Neubemessung zu erfolgen habe, vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Die Revisionswerberin hält selbst fest, dass das Wiener Bezügegesetz nicht novelliert wurde; sie meint jedoch, dass hier - auch wenn der Landesgesetzgeber dem Bundesgesetzgeber (im BGBl I 2011/52) inhaltlich nicht gefolgt sei - dennoch die novellierte Fassung des § 13 Bundesbezügegesetz Anwendung zu finden habe, weil die Länder verpflichtet seien, im Sinn des Bezügebegrenzungs-BVG (BGBl I Nr 64/1997) in der aktuellen Fassung die diesbezüglichen Bestimmungen „zu koordinieren“. Außerdem habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 254/07 festgestellt, die Länder hätten das Bundesbezügegesetz analog anzuwenden. Daher sei § 16 Wiener Bezügegesetz als verfassungswidrig aufzuheben. Die Klägerin rege an, gemäß Art 89 B-VG einen solchen Antrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Dem ist zu erwidern:
1. Der erkennende Senat hat zu 10 ObS 76/05g (SSV-NF 19/51) aufgezeigt, dass § 227 Abs 4 letzter Satz ASVG bezüglich Ersatzzeiten durch den Nachkauf von Schulzeiten, Studienzeiten oder Ausbildungszeiten vorsieht, dass die dem eingezahlten Betrag entsprechenden Versicherungszeiten mit seinem Einlangen beim Versicherungsträger anspruchswirksam beziehungsweise leistungswirksam werden, wobei die Übergangsvorschriften des Art VII der 33. ASVG-Novelle, BGBl 1978/684, und des Art VII der 32. ASVG-Novelle, BGBl 1976/707, betreffend den nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für Zeiten der Kindererziehung, wonach die Versicherungszeiten erst in dem Zeitpunkt als erworben gelten, in dem der zu entrichtende Beitrag (der letzte Teilzahlungsbetrag) beim zuständigen Versicherungsträger eingelangt ist, ebenso in diese Richtung weisen (RIS-Justiz RS0120159 [T1]).
2. Auch in dem zu 10 ObS 5/11z (SSV-NF 25/16) beurteilten Fall wurde das Klagebegehren abgewiesen, weil die Gemeinde zum Zeitpunkt des dort maßgebenden Stichtags (1. 11. 2009) noch keinen Anrechnungsbetrag an die beklagte Partei überwiesen hatte. Gemäß dem von den dortigen Vorinstanzen analog angewendeten § 225 Abs 1 Z 7 ASVG waren „die Zeiten der Klägerin als Bürgermeisterin“ daher nicht bei der Berechnung der Höhe der Alterspension zu berücksichtigen, wobei auch in diesem Fall nicht über einen Anrechnungsbetrag nach § 13 Bundesbezügegesetz zu entscheiden war, sondern über einen solchen nach §§ 12 f Salzburger Bezügegesetz 1998.
3. Zutreffend verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch auf die Materialien zur Neufassung des § 13 (Abs 1, 2 und 4) Bundesbezügegesetz gemäß BGBl I 2011/52 (1544/A BlgNR 24. GP 4), in denen Folgendes festgehalten wird: Die bis dahin gültige gesetzliche Regelung sei auf Kritik des Gemeinde- und Städtebundes gestoßen, weil Anrechnungsbeträge erst beim Ausscheiden politischer Organwalter aus ihren Funktionen von der in Betracht kommenden Gebietskörperschaft an den zuständigen Pensionsversicherungsträger überwiesen würden: „ Erst dann erwerben sie Versicherungszeiten, nämlich Beitragsmonate der Pflichtversicherung, und können die Rückerstattung jener Beitragsteile von Bezügen, die (allenfalls mit sonstigen Einkünften) über der Höchstbeitragsgrundlage liegen, beantragen.“ Beitragsrückerstattungen könnten also „oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten der politischen Tätigkeit lukriert werden“. Es werde daher die laufende Überweisung der Anrechnungsbeträge vorgeschlagen. „Dadurch wird auch den Ländern die Möglichkeit eröffnet, entsprechende Regelungen im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs zu schaffen.“
4. Für den Standpunkt der Klägerin ist daher auch aus der zitierten Bestimmung jedenfalls nichts zu gewinnen; gelten doch diese Änderungen im Bundesbezügegesetz (samt den neuen sozialversicherungsrechtlichen Begleitregelungen iZm mit den Änderungen bei der Überweisung des Anrechnungsbetrages bei Politikerbezügen an die Pensionsversicherungsträger) erst ab 1. 1. 2012 (ARD 6161/6/2011) und können daher für den vorliegenden Fall gar nicht maßgebend sein:
4.1. Selbst der § 24 Abs 1 Bundesbezügegesetz als „Übergangbestimmung zur Novelle BGBl I Nr 52/2011)“ legt nämlich ausdrücklich fest, dass - abweichend von § 13 Abs 4 Bundesbezügegesetz in der novellierten Fassung - (nur dann) „bis zum 31. März 2012 ein Anrechnungsbetrag für alle Kalenderjahre vor dem Jahr 2012 zu leisten ist, wenn in diesen Jahren Pensionsversicherungsbeiträge nach § 12 Abs 1 Bundesbezügegesetz entrichtet worden sind und für diese Zeiten noch kein Anrechnungsbetrag nach § 13 Abs 3 geleistet wurde“. Hier wurde ein Anrechnungsbetrag aber bereits zu Beginn des Jahres 2011 geleistet.
5. Die Rechtsgrundlage für die Leistung des Anrechnungsbetrags durch die Stadt Wien ist - unstrittig - in § 16 Wiener Bezügegesetz 1997 zu finden, die der in § 225 Abs 1 Z 7 ASVG bzw § 115 Abs 1 Z 5 GSVG genannten Parallelbestimmung des § 13 Bundesbezügegesetz, BGBl I Nr 64/1997 aF entspricht.
5.1. Mit der bezweifelten Verfassungsmäßigkeit des - (noch) nicht novellierten - § 16 Wiener Bezügegesetz 1997 wird ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt: Denn diese Norm, gegen die sich Bedenken richten könnten, ist nicht eine Voraussetzung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs und daher nicht präjudiziell im Sinn des Art 89 Abs 2 B-VG (vgl dazu Mayer, Bundes-Verfassungsrecht4 Art 89 B-VG Anm II.). Allein präjudiziell ist § 115 Abs 1 Z 5 GSVG als Parallelbestimmung zu § 225 Abs 1 Z 7 ASVG, der auf die Tatsache der Leistung des Anrechnungsbetrags abstellt. Der bloße Sachzusammenhang genügt nicht für eine Bejahung der Präjudizialität der Norm, gegen die sich die Bedenken richten. Diese Norm, die den Zeitpunkt der Übertragung von Pensionsanwartschaften (die aufgrund der Bestimmungen des Bundesbezügegesetzes oder der Landesbezügegesetze erworben wurden) auf den zuständigen Pensionsversicherungsträger regelt, ist nicht Grundlage oder Bestandteil der Norm, die im Leistungsverfahren als Rechtsgrundlage der Entscheidung heranzuziehen ist (so bereits: 10 ObS 5/11z, SSV-NF 25/16 [wo zu § 12 Salzburger BezügeG 1998 auch festgehalten wurde, dass es außerdem im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, wenn er die Übertragung der im System der politischen Funktionäre erworbenen Pensionsanwartschaft an den zuständigen Pensionsversicherungsträger an das Ausscheiden aus der politischen Funktion knüpft]).
5.2. Den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung ist das Berufungsgericht auch gefolgt, wenn es davon ausging, dass jede Klage (mit Ausnahme der Säumnisfälle) einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers voraussetzt, der „darüber“, das heißt über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch des Versicherten ergangen sein muss (10 ObS 162/02z, SSV-NF 16/64; RIS-Justiz RS0085867; RS0107802 und 10 ObS 98/07w [wo im angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht über den später eingeklagten Anspruch abgesprochen worden war]): Diese Voraussetzung fehlt in Bezug auf den bereits im Jahr 1999, also lange vor der ersten Pensionsberechnung an die beklagte Partei geleisteten Überweisungsbetrag in Höhe von 14.348,04 ATS für sechs Beitragsmonate aus dem Jahr 1997 (vgl Blg ./D), worüber im angefochtenen Bescheid unstrittig nicht entschieden wurde.
5.3. Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen, wobei sich die Zurückweisung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die den ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgebracht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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