OGH 10ObS187/89

OGH10ObS187/897.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Dr. Norbert Bartolomai in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine H***, 5754 Hinterglemm Nr. 145, vertreten durch Dr. Anton Waltl, Dr. Peter Krempel, Rechtsanwälte in Zell am See, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Jänner 1989, GZ 12 Rs 170/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30. August 1988, GZ 36 Cgs 1093/87-14, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es lautet:

"Die beklagte Partei ist binnen 14 Tagen schuldig, der klagenden Partei für das Jahr 1982 eine monatliche Ausgleichszulage von S 2.074,20 und für das Jahr 1983 eine monatliche Ausgleichszulage von S 2.188,80 zur Witwenpension zu leisten".

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezog von der beklagten Partei im Jahre 1982 eine Witwenpension einschließlich der Krankenversicherungsbeiträge von S 26.331,20. Überdies wurde ihr neben einer Grundrente eine Zusatzrente nach dem KOVG von S 30.996,-- zuerkannt. Im Jahre 1983 betrug das Pensionseinkommen S 27.778,20, die KOVG Zusatzrente S 33.880,--. Die Klägerin hat (auch) in den Jahren 1982 und 1983 eine Fremdenpension in Hinterglemm betrieben und hieraus im Jahre 1982 einen Verlust von insgesamt S 121.989,80, sowie im Jahr 1983 einen Verlust von S 54.692,41 erwirtschaftet. Strittig ist, ob der Klägerin in den beiden genannten Jahren eine Ausgleichszulage zur Witwenrente zusteht.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für das Jahr 1982 eine monatliche Ausgleichszulage von S 3.955 (Richtsatz) und für das Jahr 1983 eine monatliche Ausgleichszulage von S 3.592,43 zur Witwenpension zu leisten und wies das Mehrbegehren nach einer weiteren monatlichen Ausgleichszulage von S 580,57 für das Jahr 1983 ab. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, bei Vorliegen mehrerer Einkunftsquellen sei entscheidend, ob Verluste aus einer dieser Einkunftsquellen mit Gewinnen aus anderen Einkunftsquellen auszugleichen und das wirtschaftliche Gesamtergebnis zu ermitteln sei. Unter dem in § 292 Abs 3 ASVG definierten Nettoeinkommen "als Summe sämtlicher Einkünfte ... nach Ausgleich mit Verlusten" sei das zu verstehen, was einer Person letztlich zur Verfügung stehe. Es solle sichergestellt werden, daß der Pensionsberechtigte über ein Einkommen verfüge, das nach Ansicht des Gesetzgebers den für die Sicherung der Existenz erforderlichen Mindestbetrag erreiche. Ebenso wie ein Pensionist nicht verpflichtet sei, zur Verminderung des Ausgleichszulagenanspruches ein Einkommen zu erwerben, sei er auch nicht verpflichtet, sich auf Einkunftsarten zu beschränken, die ausschließlich Erträge abwerfen, soferne nicht in rechtsmißbräuchlicher Weise eine Tätigkeit nur betrieben werde, um Gewinne aus anderen Einkunftsarten aufzufangen und dadurch die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszulage zu schaffen. Einen solchen Mißbrauch habe das Verfahren nicht ergeben. Das Einkommen der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb sei daher nicht mit 0 sondern mit dem tatsächlichen Verlust anzusetzen. Stelle man diesen Verlust im Jahr 1982 dem Pensionseinkommen zuzüglich der KOVG-Zusatzrente gegenüber so ergebe sich insgesamt ein negatives Einkommen, die Klägerin habe daher für 1982 Anspruch auf eine Ausgleichszulage in der Höhe des Richtsatzes von monatlich S 3.955,--. Bei gleicher Art der Berechnung ergebe sich für 1983 ein positives Jahreseinkommen von S 6.966,80 oder S 580,57 monatlich. Ausgehend von dem für die Klägerin maßgeblichen Richtsatz für 1983 von S 4.173,-- ergebe sich ein monatlicher Ausgleichszulagenanspruch in Höhe der Differenz, nämlich von S 3.592,43.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteiles Folge und änderte dieses im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab.

Nach dem festgestellten Sachverhalt sei davon auszugehen, daß die Summe aus Witwenpension und Zusatzrente nach dem KOVG, welche argumentum e contrario aus § 292 Abs 4 lit i ASVG zur Witwenpension hinzuzurechnen sei, im strittigen Zeitraum jeweils den anzuwendenden Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sub lit bb ASVG überstiegen habe. Bei der Berücksichtigung der Verluste sei das Erstgericht einem Rechtsirrtum unterlegen. Schon aus der Verwendung der Wortfolge "zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens" in § 292 Abs 1 ASVG ergebe sich, daß die Berücksichtigung anderer Einkünfte des Pensionsberechtigten bei der Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches seine Pensionseinkünfte nur vermehren könne. Wenn in § 292 Abs 3 ASVG das Nettoeinkommen als "die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge" definiert werde, so sei dies nicht dahin zu verstehen, daß durch den vorzunehmenden Verlustausgleich das Nettoeinkommen negativ werden könne. Durch die Berücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkommensquellen, könne der Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber einem Fall, in dem der Pensionswerber neben dem Pensionseinkommen über keinerlei Einkünfte verfüge, nicht erhöht werden. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung könnte dazu führen, daß ein Pensionsberechtigter, dessen Pensionsanspruch den Richtsatz des § 293 ASVG um ein Vielfaches übersteige ohne weiteres Ausgleichszulage erhalten könnte, wenn er nur in einer anderen Einkunftsart einen entsprechend höheren Verlust erziele. Da ohne Berücksichtigung der Verluste aus dem Gewerbebetrieb die Pensionsansprüche der Klägerin im strittigen Zeitraum den Richtsatz überstiegen hätten, stehe ihr keine Ausgleichszulage zu. Die klagende Partei bekämpft dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung insoweit, als ihr für 1982 nicht eine Ausgleichszulage zur Witwenpension von monatlich S 2.074,20 und für 1983 eine solche von monatlich S 2.188,80 zugesprochen wurde und stellt einen entsprechenden Abänderungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht gemäß § 292 Abs 1 und 2 ASVG, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und gegebenenfalls des Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche die Höhe des für den Pensionsberechtigten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatzes nicht erreicht. Unter Nettoeinkommen im Sinne dieser Bestimmung ist, soferne nicht einer der im § 292 Abs 4 bis 13 ASVG geregelten Sonderfälle vorliegt, nach dem Abs 3 dieser Gesetzesstelle die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt dabei, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer.

§ 292 ASVG enthält also ebenso wie der damit übereinstimmende

§ 149 GSVG und § 140 BSVG eine Bestimmung des Begriffes

"Nettoeinkommen" die zwar in der Wendung "nach Ausgleich mit Verlusten" dem § 2 Abs 2 Einkommensteuergesetz 1967 nachgebildet ist, im übrigen aber mit der Definition dieses Gesetzes und des nunmehr geltenden Einkommensteuergesetzes nicht übereinstimmt. Außerdem enthält es, anders als die Einkommensteuergesetze, eine Definition des Begriffes "Einkünfte". Aus all dem folgt, daß im Sozialversicherungsrecht nicht einfach die Regeln der Einkommensteuergesetze angewendet werden können, weil dies in den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nur für die Bewertung der Sachbezüge vorgesehen ist und eine uneingeschränkte analoge Anwendung wegen der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze nicht in Betracht kommt. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß in Einzelfällen auf steuerrechtliche Bestimmungen zurückgegriffen werden kann und muß (SSV-NF 2/48).

Da in der in § 292 Abs 4 ASVG enthaltenen taxativen Aufzählung in lit i unter anderem nur die nach dem KOVG gewährten Grundrenten außer Betracht zu bleiben haben, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß eine nach dem KOVG gewährte Zusatzrente zu den Einkünften im Sinne der Bestimmungen über die Ausgleichszulage gehört. Dies bestreitet auch die klagende Partei nicht, meint aber, § 292 Abs 1 ASVG unterscheide zwischen der Pension (hier Witwenpension) einerseits und einem aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommen. Die KOVG-Zusatzrente falle daher, ebenso wie Einküfte aus dem Gewerbebetrieb, unter den Begriff des aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und es sei in diesem Umfang ein Ausgleich mit Verlusten vorzunehmen. Da die Verluste aus dem Gewerbebetrieb in den Jahren 1982 und 1983 jeweils die Höhe der KOVG-Zusatzrente überstiegen hätten, stehe der Klägerin eine Ausgleichszulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen Witwenrente und Richtsatz zu. Diese Auffassung ist zutreffend.

Der erkennende Senat hat in der auch von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung SSV-NF 1/21 ausgesprochen, daß unter dem in § 292 Abs 3 ASVG (dieser ist gleichlautend mit § 149 Abs 3 GSVG) definierten Nettoeinkommen als "Summe sämtlicher Einkünfte ... nach Ausgleich mit Verlusten" nur das verstanden werden kann, was einer Person letzlich zur Verfügung steht, auch wenn sie mehrere Einkunftsarten hat, das was ihr letztlich insgesamt zukommt. In Fällen, in denen eine Person über mehrere Einkunftsarten verfügt, sind daher Verluste aus der einen Einkunftsquelle mit Gewinnen aus der anderen Einkunftsquelle auszugleichen und es ist das wirtschaftliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung sämtliche Einkunftsarten zu ermitteln. Dieser Saldo ist bei der Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches zugrundezulegen. Durch die Berücksichtigung von Verlusten aus anderen Einkunftsquellen darf aber der Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber einem Fall, in dem der Pensionswerber neben dem Pensionseinkommen über keinerlei Einkünfte verfügt, nicht erhöht werden. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung des § 292 Abs 1 ASVG "erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens ... nicht die Höhe des Richtsatzes". Daraus folgt aber auch, daß bei der Berechnung der Ausgleichszulage zwischen der Pension, zu der die Ausgleichszulage gewährt werden soll und die ungeschmälert zu berücksichtigen ist, hier also der Witwenpension der Klägerin, und den übrigen Einkünften unterschieden werden muß. Die KOVG-Zusatzrente der Klägerin zählt also zu den "übrigen Einkünften" innerhalb derer ein Verlustausgelich vorzunehmen ist. Daß Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Ansprüchen anders zu behandeln wären als solche privatrechlicher Natur, läßt sich aus dem Gesetz nicht ableiten und wäre auch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung abzulehnen.

Da für einen Rechtsmißbrauch in der Weise, daß die Tätigkeit aus Gewerbebetrieb nur entfaltet wurde, um Gewinne aus anderen Einkunftsarten aufzufangen und dadurch die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszulage zu schaffen, kein Anhaltspunkt besteht, nach den Feststellungen wurde vor dem strittigen Zeitraum im Jahr 1981 ein Gewinn erzielt, sind die Verluste der Klägerin aus Gewerbebetrieb daher gegen die KOVG-Zusatzrente aufzurechnen. Da sich hiebei ein negativer Saldo ergibt, der Klägerin aus den übrigen Einkünften insgesamt letztlich also nichts zugekommen ist, hat sie Anspruch auf Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen Witwenpension und dem für sie geltenden Richtsatz. Die Ausgleichszulage beträgt daher für 1982 S 2.074,20 monatlich (Witwenpension S 1.880,80, Richtsatz S 3.955,--) und für 1983 S 2.188,80 (Witwenpension S 1.984,20, Richtsatz S 4.173,--). Der berechtigten Revision war daher wie im Spruch Folge zu geben. Revisionskosten konnten nicht zugesprochen werden, da keine Kosten verzeichnet wurden (§ 54 Abs 1 ZPO).

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