OGH 10ObS186/93

OGH10ObS186/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Ilona Gälzer und Franz Riepl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ulrike M*****, Verkäuferin,***** vertreten durch Dr.Kurt Hanusch, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.April 1993, GZ 7 Rs 131/92-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.Juli 1992, GZ 21 Cgs 34/92-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre Revisionskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch Unterlassung der Einvernahme des von der Klägerin beantragten Zeugen Walter S***** liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Der bereits vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmangel erster Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (Ballon, Zu den Verfahrensmängeln im Zivilprozeßrecht in FS Matscher, 15 ff; SSV-NF 5/116, 6/28, ua, zuletzt mit ausführlicher Begründung 10 ObS 134/93).

Da im übrigen die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit - sowohl nach § 255 wie auch nach § 273 ASVG - setzt voraus, daß sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichem Ausmaß verschlechtert hat. Es ist daher ausschlaggebend, ob die Klägerin ursprünglich arbeitsfähig gewesen ist, deren Arbeitsfähigkeit jedoch durch eine nach dem Eintritt in das Erwerbsleben eingetretene Verschlechterung beeinträchtigt ("herabgesunken") worden ist (SSV-NF 4/160 mwN, SSV-NF 5/100 ua).

Da die die Berufsunfähigkeit bedingende Debilität und Anpassungsstörung der Klägerin, also die primär intellektuelle Unterbegabung schon vor Eintritt in das Erwerbsleben bestanden, hat sich insoweit ihr körperlicher und geistiger Zustand nicht verändert. Ihre Arbeitsfähigkeit wurde sohin durch keine Verschlechterung nach Eintritt in das Erwerbsleben beeinträchtigt. Wenn ein Versicherter auf Grund seiner körperlichen und geistigen Gebrechen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, dennoch eine Berufstätigkeit, wie die Klägerin, ausübt, ist diese unverändert vorhandene Unfähigkeit eine geregelte Arbeit zu verrichten, bei Prüfung des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit außer Betracht zu lassen. Andernfalls hätte es der Versicherte in der Hand, seine geminderte Arbeitsfähigkeit im Sinne der §§ 255 oder 273 ASVG bloß durch die Aufgabe seines bisherigen Arbeitsplatzes herbeizuführen. Wer trotz bestehender Behinderung, die ihn vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen würde, Versicherungszeiten erwirbt, kann sich nach Erreichung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für eine Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension nicht darauf berufen, daß er - ohne Änderung seines körperlichen oder geistigen Zustandes - wegen seiner Behinderung nunmehr invalid oder berufsunfähig sei (SSV-NV 4/160).

Daran ändert auch nichts, daß in der Zeit von 1988 bis 1990 keine Behindertenhilfe gewährt wurde, weil diese gemäß § 42 des Behindertengesetzes für die Steiermark (LGBl 316/1964) antragsabhängig ist und daher das Fehlen einer Behindertenhilfe bis zur Antragstellung keinen Rückschluß zuläßt, daß die körperlichen und geistigen Gebrechen, die vom Arbeitsmarkt ausschließen, vor der Antragstellung nicht vorlagen. Daß nach der Aussage des medizinischen Sachverständigen die allgemeine, also auch reproduktive Intelligenzleistung der Klägerin in jenem Bereich liegt, wie er auf Grund der Schulbildung erwartet werden kann, besagt nichts, weil feststeht, daß die Klägerin nie ein körperlich und geistig gesunder Versicherter war und trotz ihrer Intelligenzleistung nie Berufsfähigkeit bestand.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG.

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