Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 9. 7. 1944 geborene Kläger hat den Beruf eines Tischlers erlernt. Während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1. 5. 2001) war er in 129 Beitragsmonaten als Lastkraftwagenfahrer tätig. Dabei bediente er auch den auf dem LKW befindlichen Arbeitskran und versetzte damit teilweise Schalungen. Der Kläger kann auf Grund seines näher festgestellten medizinischen Leistungskalküls die von ihm überwiegend ausgeübte Tätigkeit eines LKW-Fahrers nicht mehr in Bezug auf alle damit verbundenen Anforderungen verrichten. Er wäre jedoch in der Lage, die Tätigkeit eines Fahrers von Klein-LKWs oder eines Zustellers auszuüben. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit eines LKW-Fahrers und die beiden erwähnten Verweisungstätigkeiten fallen unter den Oberbegriff "Lenken von Kraftfahrzeugen", wozu ua Kenntnisse der im Betrieb verwendeten Fahrzeuge und des notwendigen Zubehörs, Kenntnisse und Verwendung der einschlägigen Treibstoffe, Schmierstoffe, Reinigungsmittel, Schutzmittel etc, Kenntnisse des Aufbaus und der Wirkungsweise der Kraftfahrzeugmotoren und der elektrischen Kraftfahrzeuganlagen, des Fahrgestelles, der Karosserie, der Lenk- und Bremssysteme udgl benötigt werden. Weiters gehören dazu auch das Überprüfen und Feststellen der Fahrbereitschaft und der Betriebssicherheit sowie der Verkehrssicherheit im Sommer- und im Winterbetrieb sowie Kenntnisse der für das Lenken von Kraftfahrzeugen erforderlichen kraftfahrrechtlichen und verkehrsrechtlichen Vorschriften.
Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das noch strittige Begehren des Klägers auf Zahlung einer Invaliditätspension ab 1. 8. 2001 mit der Begründung ab, der Kläger habe im Kernbereich eine Tätigkeit im arbeitskulturellen Umfeld "Verkehr und Transport" verrichtet, weshalb er im Rahmen der zumutbaren Änderungsmöglichkeiten im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG auf die Tätigkeiten eines Kleinlastwagenkraftfahrers, Taxifahrers, Schulbuslenkers oder Zustellers verwiesen werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Eine Verwendung im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG müsse insbesondere dann als zumutbar angesehen werden, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt worden sei und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich sei. Der Kläger habe überwiegend die Tätigkeit eines Kraftfahrers ausgeübt. Auf Grund seines Gesundheitszustandes sei er zwar nicht mehr in der Lage, Lastkraftwagen zu lenken, allerdings sei es ihm möglich, einer Tätigkeit als Kleinlastkraftwagenfahrer oder Zusteller nachzukommen. Dass sein Leistungskalkül hiefür ausreiche, werde im Berufungsverfahren nicht bestritten. Damit seien die Verweisungstätigkeiten jedoch dem bisherigen Arbeitsumfeld des Klägers ähnlich, weshalb eine Invalidität gemäß § 255 Abs 4 ASVG nicht gegeben sei.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO für zulässig, weil noch keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der durch das SVÄG 2000 eingeführten Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG vorliege und der Auslegung dieser Bestimmung über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach § 255 Abs 4 ASVG hat der Versicherte Anspruch auf eine Pension nach dieser Gesetzesstelle, wenn er gesundheitlich außerstande ist, einer Tätigkeit nachzugehen, die er während der letzten 15 Jahre durch mindestens 10 Jahre hindurch ausgeübt hat. Allerdings sind dabei zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen.
Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im 15-jährigen Beobachtungszeitraum auch vor dem für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG maßgebenden Stichtag (1. 8. 2001) mindestens 120 Kalendermonate hindurch "eine" Tätigkeit als Lastkraftwagenfahrer ausgeübt hat. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass unter dem Begriff der "einen" Tätigkeit nicht eine einzige (einheitliche) Tätigkeit zu verstehen ist, sondern auch bei mehreren ausgeübten Tätigkeiten - unter Bedachtnahme auf die wesentlichen Tätigkeitselemente (den Kernbereich) - sehr ähnliche Tätigkeiten zu einer Tätigkeit zusammengefasst werden können (vgl 10 ObS 352/02s). So hat der erkennende Senat in der erwähnten Entscheidung eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Baubranche und eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Metallwarenerzeugung auf Grund der sehr ähnlichen Tätigkeitsmerkmale als "eine" Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG beurteilt. Nicht entscheidend sei hingegen, dass der damalige Kläger diese Tätigkeiten bei verschiedenen Dienstgebern und in unterschiedlichen Branchen (Baubranche-Metallwarenerzeugung) verrichtet habe (vgl auch 10 ObS 185/02g).
In der Frage der Verweisbarkeit eines Versicherten nach § 255 Abs 4 ASVG geht der erkennende Senat grundsätzlich davon aus, dass das nach dieser Gesetzesstelle in Betracht kommende Verweisungsfeld jedenfalls enger ist als jenes nach § 255 Abs 1 ASVG (vgl auch Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 Rz 266), jedoch im Hinblick auf die erwähnten "zumutbaren Änderungen" dieser Tätigkeit weiter als das Verweisungsfeld der früheren Bestimmung des § 253d ASVG. In diesem Sinne wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass eine Verweisung nach § 255 Abs 4 ASVG dann als zumutbar angesehen werden muss, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist (10 ObS 56/03p mwN). Kriterien sind dabei neben dem technischen Umfeld ua auch die Kontakte mit Mitarbeitern und Kunden sowie die räumliche Situation, etwa ob die Arbeiten im Freien oder am Fließband auszuüben sind. Der Branche kann keine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen; sie kann aber bei der Konkretisierung des Arbeitsumfeldes eine Rolle spielen (10 ObS 185/02g ua).
Es bedarf keiner näheren Begründung, dass es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Lastkraftwagenfahrer und der für den Kläger als Verweisungsberuf in Betracht kommenden Tätigkeit als Fahrer eines Klein-LKWs oder Zusteller um sehr ähnliche Tätigkeiten handelt, welche das Lenken von Kraftfahrzeugen zum wesentlichen Tätigkeitsinhalt haben. Auch vom technischen und persönlichen Umfeld sowie vom räumlichen Arbeitsbereich betrachtet ähneln die genannten Verweisungstätigkeiten der vom Kläger bisher ausgeübten Tätigkeit. Der Kläger vermag dagegen nur ins Treffen zu führen, dass er bei seiner bisherigen Tätigkeit auf Baustellen eingesetzt war und er bei Ausübung der genannten Verweisungstätigkeiten in einer anderen Branche tätig wäre. Einem solchen allenfalls notwendig werdenden Branchenwechsel kommt jedoch nach Auffassung des erkennenden Senates in der Frage der Verweisbarkeit nach § 255 Abs 4 ASVG keine allein ausschlaggebende Bedeutung zu (10 ObS 185/02g; 10 ObS 352/02s). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, AB 187 BlgNR XXI GP 3) damit argumentiert, dass ein anderer Tätigkeitsbereich als bisher jedenfalls unzumutbar sei, wenn er eine wesentliche Änderung des beruflichen Umfeldes des Versicherten bedeuten würde, wie zB der Verweis auf eine Tätigkeit, die in einem anderen arbeitskulturellen Umfeld erbracht werden müsse (zB Bauhilfsarbeiter in der Textilbranche), ist darauf hinzuweisen, dass das "arbeitskulturelle Umfeld" keinen unmittelbaren Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat und der Kläger auch nicht als "Bauhilfsarbeiter" im üblichen Wortsinn qualifiziert werden kann.
Da die Vorinstanzen eine Invalidität des Klägers im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG somit zu Recht verneint haben, musste der Revision ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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