OGH 10ObS177/93

OGH10ObS177/9323.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Lohr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karoline M*****, gesetzlich vertreten durch die ***** Sachwalterin *****, vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage zur Alterspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Juli 1993, GZ 12 Rs 116/92-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.August 1992, GZ 20 Cgs 144/92-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der Beklagten eine (nach § 253 Abs 2 oder 3 ASVG idF vor der 51. ASVGNov ab Vollendung des 60. Lebensjahres als Alterspenison gebührende) Invaliditätspension. Deshalb ist sie in der Krankenversicherung nach dem ASVG teilversichert (§ 8 Abs 1 Z 1 lit a ASVG). Nach § 73 Abs 5 Satz 1 leg cit hat die Beklagte von jeder an die Klägerin zur Auszahlung gelangenden Pension und Pensionssonderzahlung 3 vH einzubehalten. (Zum Charakter dieses Abzuges, der nach dem 2. Satz der bezogenen Gesetzesstelle seit der

29. ASVGNov BGBl 1973/31 auch von den Ausgleichszulagen vorzunehmen ist, MGA ASVG 53. ErgLfg 471 FN 8). Im für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Jahr 1992 betrug das monatliche Ausmaß der Pension der Klägerin 2.180,40 S. Davon wurden ihr wegen des erwähnten Einbehaltes von 3 vH (= 65,40 S) nur 2.115 S ausgezahlt. Weiters bezog sie in diesem Kalenderjahr eine monatliche Leibrente von 2.500

S. Das monatliche Nettoeinkommen ihres geschiedenen Ehegatten, gegen den sie einen Unterhaltsanspruch hat, betrug im selben Zeitraum 12.615,90 S.

Mit Bescheid vom 9. 2. 1992 stellte die Beklagte fest, daß der Klägerin ab 1. 1. 1992 eine Ausgleichszulage von monatlich 5,70 S gebührt.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, der Klägerin ab 1. 1. 1992 eine Ausgleichszulage von monatlich 242,60 S zu zahlen, und wies das auf Zahlung einer um monatlich 536,10 S höheren Ausgleichszulage ab.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes gebühre der Klägerin die Ausgleichszulage nur in der Höhe des Unterschiedes zwischen der Summe aus ihrer Pension (2.180,40 S), ihrem aus der Leibrente erwachsenden Nettoeinkommen (2.500 S) und dem gemäß § 294 Abs 1 lit b ASVG zu berücksichtigenden Betrag (1.577 S = 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens ihres geschiedenen Ehegatten von 12.615,90 S), insgesamt also 6.257,40 S, einerseits und dem für sie im Kalenderjahr 1992 geltenden Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG von 6.500 S andererseits.

Die Beklagte ließ das erstgerichtliche Urteil zur Gänze unbekämpft. Die Klägerin bekämpfte es nur insoweit mit Berufung, als ihr nicht eine Ausgleichszulage von monatlich 308,10 S zuerkannt wurde. In der ansonsten richtigen Gegenüberstellung der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und zu berücksichtigendem Unterhaltsbetrag einerseits und Richtsatz andererseits wäre ihre Pension nämlich nicht mit dem Bruttobetrag von 2.180,40 S, sondern nur mit dem (wegen Einbehalts des im § 73 Abs 5 ASVG genannten Betrages) tatsächlich ausgezahlten Nettobetrag von 2.115 S zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin ab 1. 1. 1992 eine monatliche Ausgleichszulage von 308,10 S zu leisten, das auf eine um 470,60 S höhere Ausgleichszulage gerichtete Mehrbegehren aber abwies.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei dem Erstgericht insofern ein offensichtlicher Irrtum unterlaufen, als es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von einem anrechenbaren Nettoeinkommen der Klägerin von 4.680,40 S (2.180,40 S Pension + 2.500 S Leibrente) ausgegangen sei, obwohl es die Höhe der Pension im Rahmen der Feststellungen mit 2.115 S (2.180,40 S - 65,40 S) festgestellt habe. Richtigerweise wäre von einem anrechenbaren Nettoeinkommen der Klägerin von 4.615 S (2.115 S Pension + 2.500 S Leibrente) zuzüglich des nach § 294 Abs 1 ASVG mit 1.576,90 S (aufgerundet 1.577 S) zu berücksichtigenden Unterhaltsanspruches gegen den geschiedenen Ehegatten auszugehen.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG).

1. Zur in der Revisionsbeantwortung bezweifelten Rechtsmittellegitimation:

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit dem Sitz in Wien ist nach § 25 Abs 1 Z 1 lit a Träger der Pensionsversicherung nach dem ASVG für das ganze Bundesgebiet. Als Versicherungsträger ist sie nach § 32 Abs 1 Körperschaft des öffentlichen Rechtes und hat Rechtspersönlichkeit. Ihre Verwaltung ist durch die Hauptstelle am Sitz des Versicherungsträgers, also in Wien, und Landesstellen in Wien, Linz, Salzburg und Graz zu führen. Die Hauptstelle hat die Verwaltung des Versicherungsträgers zu führen, soweit nicht einzelne Aufgaben durch Gesetz oder Satzung den Landesstellen übertragen sind. Die Landesstellen haben ua die Bestellung von Bevollmächtigten zur Vertretung der Anstalt bei den für ihren Sprengel in Betracht kommenden Landesgerichten als Arbeits- und Sozialgerichten bzw dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den Oberlandesgerichten zu besorgen (§ 418). Sowohl bei der Hauptstelle als auch bei den Landesstellen handelt es sich, wie vom erkennenden Senat schon wiederholt ausgesprochen wurde (SSV-NF 1/71, 4/136, 5/33 und 44), um Einrichtungen des Versicherungsträgers, die seine Verwaltung zu führen haben, aber - im Gegensatz zu diesem - keine Rechtspersönlichkeit besitzen. Partei sind daher weder die Haupt- , noch die Landesstellen, sondern einzig und allein der Versicherungsträger (vgl zB auch § 40 Abs 1 Z 3, § 77 Abs 1 und 3, § 85, § 87 Abs 3 ASGG).

Beklagte Partei der vorliegenden Rechtsstreitigkeit und als solche auch rechtsmittellegitimiert ist also demnach nur die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit dem Sitz in Wien. Sie ist auch gemäß § 75 Z 1 ZPO in der Revision eindeutig und richtig mit ihrem Namen und Sitz als beklagte Partei bezeichnet. Der offenbar irrtümliche und nach den obigen Ausführungen unrichtige Beisatz "Landesstelle Wien" ist daher unbeachtlich.

2. Zur Berechtigung der Revision:

Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293), so hat der Pensionsberechtigte, solange er sich im Inland aufhält, nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes V des Vierten Teiles des ASVG Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension (§ 292 Abs 1). Bei Feststellung des Anspruches nach Abs 1 ist auch das gesamte Nettoeinkommen des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (Ehegattin) ... zu berücksichtigen (Abs 2 leg cit). Nettoeinkommen iS der Abs 1 und 2 ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge (Abs 3 leg cit). Die Ausgleichszulage gebührt in der Höhe des Unterschiedes zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen (§ 292) und den gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293) andererseits (§ 296 Abs 1).

In den wiedergegebenen Gesetzesstellen wird zwischen der Pension (des Ausgleichszulagenwerbers) einerseits und dem aus seinen übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen, bei dem auch das gesamte Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen ist, andererseits unterschieden. Die Begriffsdefinition des Nettoeinkommens im § 292 Abs 3 als die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlichen Abzüge bezieht sich ausdrücklich nur auf Nettoeinkommen iS der Abs 1 und 2 der zit Gesetzesstelle, nicht aber auf die Pension (des Ausgleichszulagenwerbers). Deshalb hat der erkennende Senat schon in SSV-NF 3/129 ausgeführt, daß bei der Berechnung der Ausgleichszulage zwischen der Pension, zu der die Ausgleichszulage gewährt werden soll und die ungeschmälert zu berücksichtigen sei, und den übrigen Einkünften unterschieden werden müsse (zust Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage in ZAS 1992, 9 (12)).

Das Ergebnis dieser wörtlichen Auslegung stimmt mit dem der historischen und der systematisch-logischen überein.

Vor der 29. ASVGNov war der Anspruch auf Ausgleichszulage vom

"Gesamteinkommen" abhängig. Durch die genannte Novelle wurde dieser

Begriff durch den Ausdruck "Pension zuzüglich eines aus übrigen

Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und

der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge" ersetzt. Dazu führte

die in MGA ASVG 52. ErgLfg 1410ff FN 1 wiedergegebene RV 404 BlgNR

13. GP, 106f aus (die Unterstreichungen stammen vom

Urteilsverfasser): "Während künftig hinsichtlich der Einkünfte, die

vom Pensionsberechtigten allenfalls neben dem Pensionsbezug aus

anderen Einkommensquellen erzielt werden, vom Begriff des

Nettoeinkommens im Sinne der Rechtsprechung in bürgerlichen

Rechtssachen ausgegangen werden soll, erschien es erforderlich

klarzustellen, daß der Ermittlung des Anspruches auf Ausgleichszulage

nicht die Nettopension, sondern die Bruttopension zugrunde zu legen

ist. Andernfalls würden nämlich die Krankenversicherungsbeiträge, die

gemäß § 73 Abs 5 in der Fassung des vorliegenden Entwurfes auch von

der Ausgleichszulage zu leisten sind, faktisch vom Bund finanziert

werden... Neben der Bruttopension des Pensionsberechtigten ... sind

maßgebend ... Schließlich ist im Abs 2 des § 292 vorgesehen, daß bei

Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage auch das gesamte

Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten ... zu

berücksichtigen ist... Unter `gesamten Nettoeinkommen`wird die Nettopension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens im Sinne der Bestimmungen des Abs 3 zu verstehen sein. Der Anspruch auf Ausgleichszulage soll also künftig vom gesamten Einkommen des Pensionsberechtigten (Bruttopension zuzüglich des aus anderen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens) und dem hinzugerechneten Nettoeinkommen des Ehegatten ... abhängig sein..."

Dieses Auslegungsergebnis wurde schon vom Oberlandesgericht Wien als bis 31.12.1986 letzter Instanz in Leistungsstreitsachen vertreten (28.4.1978 SVSlg 26.063 = SSV 18/57; 19.6.1979 SVSlg 26.061). Es stimmt auch mit der Lehre überein:

So führt Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 415 aus, während die übrigen Einkünfte des Pensionsberechtigten wie auch alle Einkünfte seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten nettomäßig der Feststellung der Ausgleichszulage zugrunde gelegt würden, gehe die Pension des Pensionsberechtigten selbst ohne Verminderung um die gesetzlich geregelten Abzüge in die Berechnung ein. Ansonsten würden die Beiträge zur Krankenversicherung der Pensionisten, die von der Pension einschließlich der Ausgleichszulage zu leisten seien, faktisch vom Bund aus Mitteln der Ausgleichszulage finanziert werden. Daß dieser Effekt vermieden werden solle, liege auf der Hand. Auch im Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 193 spricht Tomandl in diesem Zusammenhang von der Bruttopension.

Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage in ZAS 1992, 9 (12) definiert Nettoeinkommen als jenes Einkommen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten mit Ausnahme des Pensionseinkommens letztlich zur Verfügung stehe.

Daß der Ermittlung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht die Netto-, sondern die Bruttopension zugrunde zu legen ist, wird zB auch im ARD-Sozialversicherungs-Handbuch 8. ErgLfg 383 und bezüglich des im wesentlichen wortgleichen § 140 BSVG von Radner ua, BSVG2 , 570 vertreten.

Das Urteil des Berufungsgerichtes beruht also auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Deshalb war es durch Wiederherstellung der der Rechtsansicht des erkennenden Senates entsprechenden erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG iVm den §§ 41 und 50 ZPO.

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