Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Witwenpension in Höhe von zuletzt 233,89 EUR monatlich sowie eine Ausgleichszulage in Höhe von zuletzt 513,11 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 12. 8. 2008 stellte die Beklagte fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage mit 31. 1. 2008 ende, und entschied, dass der durch die Zuerkennung einer Unterhaltsrente entstandene Überbezug der Ausgleichszulage in Höhe von 3.133,76 EUR mit der vom Amt der Wiener Landesregierung einbehaltenen Nachzahlung verrechnet werde.
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin sinngemäß, ihr die Ausgleichszulage auch über den 31. 1. 2008 hinaus zu gewähren. Sie sei ein anerkanntes Opfer der Verfolgung durch den Nationalsozialismus. Sie habe dadurch schwere gesundheitliche Schäden erlitten, welche schon seit Jahrzehnten und weiterhin täglich enorme Ausgaben und einen sehr hohen Kostenaufwand mit sich brächten. Die ihr zuerkannte Unterhaltsrente stehe ihr neben der Opferrente zur Deckung ihres besonderen Kostenaufwands für ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des entstandenen Überbezugs in Höhe von 3.133,76 EUR. Die Klägerin beziehe seit dem 1. 1. 2008 eine ihr bescheidmäßig zuerkannte Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) in Höhe von 842,40 EUR monatlich. Diesen Bezug habe sie der Beklagten nicht gemeldet. Eine Unterhaltsrente nach dem OFG sei auf den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage anzurechnen. Die Bruttopension der Klägerin betrage ab 1. 1. 2008 233,89 EUR monatlich, der anwendbare Richtsatz betrage 747 EUR monatlich, weshalb unter Anrechnung der Unterhaltsrente kein Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage bestehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, die Klägerin sei zur Duldung der Aufrechnung des entstandenen Überbezugs an Ausgleichszulage von 3.133,76 EUR gegen die vom Amt der Wiener Landesregierung zuerkannte Unterhaltsrente verpflichtet. Es stellte noch fest, dass der Klägerin mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, Opferfürsorge, vom 18. 4. 2008 rückwirkend ab dem 1. 1. 2008 bis auf weiteres eine Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz in der Höhe von monatlich 842,40 EUR zuerkannt wurde. In diesem Bescheid wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass aufgrund der Zuerkennung der Unterhaltsrente die bis dahin gewährte Ausgleichszulage der Beklagten entfalle und die Verrechnung des Übergenusses an Ausgleichszulage mit den Nachzahlungen an Unterhaltsrente ab Jänner 2008 seitens der Magistratsabteilung 40 direkt mit der Beklagten erfolgen werde. Trotz ausdrücklicher rechtlicher Belehrung erstattete die Klägerin keine Meldung an die Beklagte über die mittlerweile gewährte Unterhaltsrente.
Die Bruttopension der Klägerin beträgt ab 1. 1. 2008 233,89 EUR monatlich, der anwendbare Richtsatz beträgt 747 EUR monatlich. Der Überbezug beläuft sich daher auf 513,11 EUR monatlich. Für den Zeitraum vom 1. 2. 2008 bis 31. 7. 2008 errechnet sich abzüglich Krankenversicherungs- und Familienversicherungsbeitrag ein Übergenuss von 3.133,76 EUR.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage habe mit der Zuerkennung der Unterhaltsrente geendet. Auf diesen Umstand sei die Klägerin bereits im Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung ausdrücklich hingewiesen worden. Ein Nebeneinander von Ausgleichszulage und Opferunterhaltsrente sei rechtlich ausgeschlossen; nur die in § 149 Abs 4 GSVG taxativ aufgezählten Einkunftsarten blieben bei der Feststellung des Nettoeinkommens außer Betracht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Nach der taxativen Aufzählung des § 149 Abs 4 lit i GSVG seien bei der Ermittlung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage neben anderen hier nicht in Betracht kommenden Einkünften die nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und nach dem Opferfürsorgegesetz gewährten Grund- und Elternrenten ausgenommen. Da Unterhaltsrenten nach § 11 Abs 5 OFG in diesem Ausnahmekatalog nicht angeführt seien, seien sie bei der Berechnung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage als Einkünfte zu berücksichtigen. Es fehle an der für die Zulässigkeit eines Analogieschlusses erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der rechtserheblichen Frage, ob eine Unterhaltsrente nach § 11 OFG bei der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen ist, nicht vorliegt. Sie ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin macht in ihren Revisionsausführungen geltend, aus § 149 Abs 4 lit i GSVG ergebe sich die ratio legis, vor allem auch die Opfer des Nationalsozialismus und des Kampfes für ein freies und demokratisches Österreich im Hinblick auf die Gewährung einer Ausgleichszulage dadurch zu privilegieren, dass gerade diese Art von Bezügen nicht in das Einkommen der betroffenen Personen einzuberechnen sei. Es seien daher auch alle nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährten Rentenleistungen, die Opfer des Nationalsozialismus erhielten, von der Einberechnung in das Einkommen befreit. Hiezu gehörten auch Renten nach dem deutschen Bundesentschädigungsgesetz. Auch wenn der Ausnahmenkatalog des § 149 Abs 4 GSVG grundsätzlich taxativ gestaltet sei, liege gemessen an der Absicht der Regelung und unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes eine planwidrige Gesetzeslücke vor, welche im Wege der Analogie zu schließen sei. Die von der Klägerin nach dem OFG bezogene Unterhaltsrente sei daher nicht in die Berechnung des Einkommens für ihren Anspruch auf Ausgleichszulage einzubeziehen.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Allgemein setzt ein Analogieschluss eine „Gesetzeslücke“ voraus, das heißt, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann. Maßstab kann nur die gesamte geltende Rechtsordnung sein, die hinsichtlich des zu beurteilenden Falles eine „planwidrige Unvollständigkeit“, das heißt eine nicht gewollte Lücke, erkennen lässt. Nach herrschender Ansicht schließt auch eine taxative Aufzählung das Vorliegen einer „unechten“ Gesetzeslücke, bei welcher der Normzweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert, nicht unter allen Umständen aus. Analogie ist vielmehr bei einer taxativen Aufzählung möglich und geboten, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihrem Tatbestand ähnlichen Fall Beachtung fordert (vgl F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 7 Rz 2; 10 ObS 110/00z = SSV-NF 14/55 mwN uva). Ist allerdings für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge von der Gesetzgebungsinstanz bewusst nicht angeordnet worden, fehlt es an der Gesetzeslücke und daher an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (F. Bydlinski aaO § 7 Rz 2).
Der erkennende Senat hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten für den Anspruch auf Ausgleichszulage außer Betracht zu lassenden Einkünfte im § 149 Abs 4 GSVG (entspricht inhaltlich § 292 Abs 4 ASVG) abschließend aufgezählt sind, weshalb alle in diesem Ausnahmekatalog nicht genannten Bezüge in Geld und Geldeswert zum Einkommen zu zählen sind (10 ObS 130/90 = SSV-NF 4/139 ua; RIS-Justiz RS0085360). Nach § 149 Abs 4 lit i GSVG sind bei der Ermittlung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage die nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) und dem Opferfürsorgegesetz (OFG) gewährten Grund- und Elternrenten, ein Drittel der nach dem Heeresversorgungsgesetz gewährten Beschädigten- und Witwenrenten sowie die Elternrenten einschließlich einer allfälligen Zusatzrente und schließlich eine nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährte Rentenleistung, die aus dem Anlass des Kampfes oder des Einsatzes gegen den Nationalsozialismus gebührt, ausgenommen.
Der Begriff „Grundrente“ und „Elternrente“ nach dem KOVG 1957 ist klar umrissen. Nur die Beschädigtenrente gemäß den §§ 10 und 11 Abs 1 und 2 und die Witwenrente nach den §§ 34 und 35 Abs 1 und 2 KOVG 1957 werden als „Grundrente“ und als „Zusatzrente“ geleistet. Neben der ausdrücklich geregelten „Elternrente“ (§§ 34, 44 ff KOVG 1957) ist daher unter „Grundrente“ nach dem KOVG 1957 nur die Beschädigtengrundrente und die Witwengrundrente nach den zitierten Bestimmungen zu verstehen. Das OFG ist mit dem KOVG 1957 nahe verwandt und bezieht sich in seinen Bestimmungen vielfach darauf. Gegenstand der Rentenfürsorge nach § 11 Abs 1 OFG ist die Opferrente, die Hinterbliebenenrente und die Unterhaltsrente. Die Opferrente gemäß § 11 Abs 2 OFG ist in der Höhe der für Beschädigte nach den Bestimmungen des KOVG 1957 in Betracht kommenden Grundrente zu bemessen. Gemäß § 11 Abs 3 OFG ist die Hinterbliebenenrente in der Höhe der Grundrente zu leisten, die Witwen nach den Bestimmungen des KOVG 1957 gebührt. Gemäß § 11 Abs 4 OFG sind Opfer- und Hinterbliebenenrenten im Übrigen nach den jeweils für die Entschädigung der Kriegsopfer geltenden Grundsätzen und Bestimmungen und im Ausmaß der für die Kriegsopfer vorgesehenen Vergütungen zu leisten. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass Grundrenten nach dem OFG nur in den Leistungen gemäß § 11 Abs 2 bis 4 OFG (Opferrente und Hinterbliebenenrente) enthalten sein können. Durch die 13. GSVG-Novelle (BGBl 1987/610) erfolgte in Anpassung an eine gleichartige Ergänzung des entsprechenden § 292 Abs 4 lit i ASVG durch die 44. ASVG-Novelle (BGBl 1987/609) eine Erweiterung des Ausnahmekatalogs des § 149 Abs 4 lit i GSVG dahin, dass auch der Opferrente nach dem OFG vergleichbare Renten nach anderen ausländischen Rechtsvorschriften in diesen Katalog aufgenommen wurden (vgl dazu Teschner/Widlar/Pöltner, MGA ASVG 52. ErgLfg Anm 14a zu § 292).
Davon unterscheidet sich aber die hier verfahrensgegenständliche Unterhaltsrente nach § 11 Abs 5 OFG grundsätzlich. In der Unterhaltsrente ist nämlich keine Grundrente enthalten. Die Unterhaltsrente ist vielmehr zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Dauer und in dem Ausmaß zu leisten, als das Einkommen des Berechtigten eine im OFG festgelegte Höhe (ähnlich dem Richtsatz für Ausgleichszulagen) nicht erreicht. Das Gesetz trifft auch nähere Bestimmungen betreffend die Höhe der monatlichen Unterhaltsrente bzw die Anrechnung anderweitigen Einkommens. Eine gewisse Parallelität der Unterhaltsrente mit dem Anspruch auf Ausgleichszulage liegt somit auf der Hand. Die diesen beiden Leistungen zugrundeliegende vergleichbare Zielsetzung rechtfertigt es auch, dass zur Vermeidung darüber hinausgehender Leistungen eine gegenseitige Berücksichtigung stattfindet. Dies erfolgt in der Form, dass die Ausgleichszulage gegenüber der Unterhaltsrente subsidiär ist. Berücksichtigt man diese dargelegten Grundsätze, kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Unterhaltsrente gemäß § 11 Abs 5 OFG keine „Grundrente“ iSd § 149 Abs 4 lit i GSVG ist und daher bei der Einkommensermittlung gemäß dessen Absätze 1 bis 3 zu berücksichtigen ist (in diesem Sinne auch OLG Wien SSV 19/89).
Soweit die Klägerin einen Analogieschluss schließlich damit zu begründen versucht, dass nach § 149 Abs 4 lit i GSVG auch eine nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährte Rentenleistung von der Anrechnung auf das Einkommen ausgenommen sei, ist darauf hinzuweisen, dass unter den vom Nationalsozialismus betroffenen Personen zwischen „Opfern“ und Personen, die aktiv gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben (Widerstandskämpfer) oder sich in anderer Weise gegen den Nationalsozialismus eingesetzt haben, zu unterscheiden ist. Gemäß § 149 Abs 4 lit i letzter Teilsatz GSVG hat bei Anwendung der Abs 1 bis 3 eine nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährte Rentenleistung, die aus dem Anlass des Kampfes oder des Einsatzes gegen den Nationalsozialismus gebührt, außer Betracht zu bleiben. Aus diesem Gesetzeswortlaut ergibt sich eindeutig, dass auch eine nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährte Rentenleistung nur dann von der Anrechnung ausgenommen ist, wenn sie aus Anlass des Kampfes oder des Einsatzes gegen den Nationalsozialismus gebührt. Die Ausnahme von der Anrechnung auf die Ausgleichszulage hat der Gesetzgeber somit ausdrücklich nur jenen Personen eingeräumt, die aktiv gegen den Nationalsozialismus gekämpft oder sich in anderer Weise gegen den Nationalsozialismus eingesetzt haben. Da diese Voraussetzungen auf die am 14. 6. 1944 geborene Klägerin zweifellos nicht zutreffen, kommt der von ihr begehrte Analogieschluss nicht in Betracht.
Die Vorinstanzen sind somit zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Unterhaltsrente auf das Gesamteinkommen anzurechnen ist, sodass der Klägerin unbestritten ab 1. 2. 2008 eine Ausgleichszulage nicht gebührt.
Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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