OGH 10ObS155/88

OGH10ObS155/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Walter Darmstädter (Arbeitnehmer) und Dr. Rudolf Pokorny (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine M***, Pensionistin, 1170 Wien, Neuwaldeggerstraße 54/9/4, gesetzlich vertreten durch die Sachwalterin Berta G***, pA 1010 Wien, Teinfaltstraße 1/2/11, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich

Hillegeiststraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. März 1988, GZ 32 Rs 16/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. November 1987, GZ 6 Cgs 1133/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 1. Juli 1987 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 16. Juni 1986 auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses (zur Berufsunfähigkeitspension) ab, weil sie nicht hilflos im Sinne des § 105a ASVG sei.

Das Erstgericht wies die auf einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab Antragstag gerichtete Klage ab. Nach seinen wesentlichen Feststellungen bezieht die am 13. Dezember 1935 geborene Klägerin seit 1. Oktober 1980 eine Berufsunfähigkeitspension, deren Höhe seit Jänner 1987 S 6.334,30 beträgt. Die Pensionistin leidet an einem pseudotabischen Syndrom bei chronischer Polyneuropathie nach schwerem Alkoholmißbrauch und an organischer Demenz bei Verdacht auf einen beginnenden hirnatrophischen Prozeß. Sie kann sich allein an- und auskleiden, waschen, zumindest kleine Speisen zubereiten, essen und die Notdurft verrichten, jedoch nicht mehr allein einkaufen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie kann die Klägerin auch aufräumen und Medikamente selbst (ein)nehmen, wenn man sie ihr in die Tagesschachteln vorlegt (schriftliches Gutachten ON 4, AS 9; mündliche Ergänzung in der Verhandlung am 24. November 1987, ON 6, AS 14).

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge, weil es - unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum § 105a ASVG (zB JBl 1988, 64; ZAS 1988/5 mit Kommentar Tomandls) - ausschloß, daß die für die notwendigen Dienstleistungen, zu denen auch die Einteilung der Medikamente in die Tagesschachteln zähle, aufzuwendenden und überschlagsmäßig einzuschätzenden Kosten so hoch sein könnten wie der begehrte Hilflosenzuschuß.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinne abzuändern. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Die grundsätzlichen Einwände der Revision gegen die ua an den zitierten Stellen veröffentlichte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 105a ASVG wurden vom Vertreter der Revisionswerberin schon wiederholt erhoben. Der erkennende Senat hat dazu in seiner diesem Parteienvertreter bereits zugestellten Entscheidung vom 26. April 1988 10 Ob S 80/88 eingehend Stellung genommen, weshalb auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen werden kann.

Die auf Ausgleichszulagenempfänger abgestellten Revisionsausführungen gehen nicht von den Einkommensverhältnissen der Rechtsmittelwerberin aus. Deren Pension betrug nämlich im Jahre 1987 14mal jährlich S 6.712,60 brutto und lag damit erheblich über dem damaligen Ausgleichszulagenrichtsatz von S 4.672. Aus dem damaligen Nettomonatsbezug von S 6.334,30 ergibt sich, daß die Revisionswerberin im Jahre 1987 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von rund S 7.400 hatte. Daß bei den heute insbesondere in Großstädten üblichen Lebensverhältnissen (zB Ausstattung der Haushalte mit einem Kühlschrank, reiche Auswahl an länger haltbaren Lebensmitteln) in der Regel ein tägliches Einkaufen von Lebensmitteln nicht erforderlich ist, ist offenkundig und daher ebenso Tatsachengrundlage der zitierten ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates wie der Umstand, daß für die mit diesem Einholen der Lebensmittel und übrigen Bedarfsgegenstände verbundenen Dienstleistungen im Monatsdurchschnitt nicht annähernd Beträge in der Höhe des Hilflosenzuschusses bezahlt werden müssen. Dabei ist die Anzahl der Besorgungen auf das nötige Maß einzuschränken, das mit den in der Revision genannten drei Einkäufen pro Woche in der Dauer von jeweils zwei Stunden üblicherweise überschritten werden wird. Dies gilt auch dann, wenn ein Pensionist sich nicht - wie die Revisionswerberin - an den Aktionen "Essen auf Rädern" und "Heimhilfe" beteiligt.

Der mit dem im vorliegenden Fall nötigen Einordnen und Bereitstellen des jeweiligen Tagesbedarfes an Medikamenten in Tagesschachteln verbundene Zeit- und Arbeitsaufwand ist so gering, daß er die Kosten der nötigen Einkäufe nicht wesentlich vermehren wird.

Zusammenfassend sei zu den in der Revision angestellten Kostenüberlegungen gesagt, daß das von der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates geforderte Abstellen auf die im Lebenskreis des Pensionisten bei realistischer Betrachtung anzunehmenden Kosten der erforderlichen Dienstleistungen eine aus § 105a ASVG abzuleitende Hilfe für die Feststellung jenes Maßes an Wartungs- und Hilfsbedürfnis darstellen soll, ab dem ein Pensionist derart hilflos ist, daß ihm ein wenigstens diese Kosten abdeckender Hilflosenzuschuß gebührt.

Dieses Maß an Hilfsbedürftigkeit ist bei der Revisionswerberin noch nicht erreicht, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG.

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