OGH 10ObS13/10z

OGH10ObS13/10z9.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. KR Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Adelheid K*****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 2009, GZ 25 Rs 89/09p-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die am 6. 3. 1959 geborene Klägerin hat den Beruf einer Einzelhandelskauffrau erlernt und war zuletzt als Verkäuferin beschäftigt. Im Vordergrund ihres Leidenszustandes steht eine undifferenzierte Schizophrenie verbunden mit einer emotionalen Störung und einer Antriebsstörung. Allgemein sind durch die Erkrankung ihre Belastbarkeit und ihr Antrieb reduziert. Ihre Stresstoleranz ist erheblich herabgesetzt, ebenso die Fähigkeit zur Kommunikation und zum sozial adäquaten Verhalten. Eine fortlaufende Therapie mit neuroleptischen Medikamenten und psychotherapeutischer Begleitung ist notwendig.

Der Gesundheitszustand der Klägerin hat sich bisher stabilisiert. Unter konsequenter Fortsetzung der Neuroepileptikertherapie und der psychotherapeutischen Begleitung ist eine weitere Stabilisierung innerhalb eines Jahres möglich, was derzeit aber noch nicht prognostizierbar ist (Anmerkung: Diese Feststellung wurde aufgrund des Gutachtens des nervenärztlichen Sachverständigen getroffen, der die Klägerin am 28. 1. 2009 untersucht hat).

Mit Rücksicht auf den bestehenden Gesundheitszustand kann die Klägerin unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses keine Tätigkeiten verrichten, die ein körperlich und geistig gesunder Versicherter von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten erbringen kann.

Mit Bescheid vom 17. 11. 2008 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 21. 8. 2008 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht, das die Verhandlung am 22. 4. 2009 geschlossen hatte, sprach der Klägerin mit Urteil von diesem Tag die Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß vom Stichtag 1. 9. 2008 bis 31. 8. 2010 zu.

Das Berufungsgericht gab der auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension nur bis 31. 1. 2010 (= 1 Jahr nach der Untersuchung durch den nervenärztlichen Sachverständigen) gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Aus dem Umstand, dass bei vorübergehender Berufsunfähigkeit die Pension nur bis zu jenem Zeitpunkt zuzuerkennen sei, für den mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der Berufsunfähigkeit vorhergesagt werden könne, ergebe sich zwangsläufig, dass dann, wenn - wie im Fall der Klägerin - eine maßgebliche Besserung nicht sehr wahrscheinlich sei, die Pension gemäß § 256 Abs 1 ASVG für die Höchstdauer von 24 Monaten ab Stichtag zuzuerkennen sei. Die Revision sei im Hinblick auf die einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig.

In ihrer (auf Abänderung im Sinne eines Zuspruchs der Berufsunfähigkeitspension nur bis 31. 1. 2010) gerichteten außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei geltend, dass auch bei befristeter Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension die Beweislast für das Aufrechtbleiben der Berufsunfähigkeit beim Pensionswerber liege. Die Klägerin habe den Beweis für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit nur bis zu dem Zeitpunkt erbracht, in dem noch nicht von der Möglichkeit einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes auszugehen gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargestellt.

§ 256 ASVG erhielt seine aktuelle Fassung mit dem StruktAnpG 1996, BGBl 1996/201. Soweit nicht dauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit anzunehmen ist (Abs 2), gebührt die Invaliditätspension (oder Berufsunfähigkeitspension) „längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag". Nach den Gesetzesmaterialien (RV 72 und Zu 72 BlgNR 20. GP) soll mit der Regelung erreicht werden, dass Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit grundsätzlich befristet für die Dauer von längstens zwei Jahren zuzuerkennen sind. Entsprechend dem früher geltenden Recht (bis zum Inkrafttreten des StruktAnpG 1996 konnte bei vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit die Pension ausnahmsweise für eine bestimmte Frist zuerkannt werden) soll die Regelung auch eine Befristung für einen kürzeren Zeitraum zulassen, wenn die medizinische Beurteilung eine entsprechend rasche Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten erwarten lässt.

Die in Übereinstimmung mit den dargelegten Gesetzesmaterialien stehende Ansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den Fällen vorübergehender geminderter Arbeitsfähigkeit.

Nach der zu § 256 ASVG idF vor Inkrafttreten des StruktAnpG 1996 ergangenen Rechtsprechung ist vorübergehende Invalidität oder Berufsunfähigkeit dann anzunehmen, wenn ihr Wegfall wegen wesentlicher Besserung des die Invalidität oder Berufsunfähigkeit verursachenden Zustandes zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0085150, RS0089210). Mit anderen Worten muss nicht der Versicherte das laufende Aufrechtbleiben des Zustandes über sechs Monate hinaus bis zur Höchstdauer von 24 Monaten beweisen; vielmehr obliegt es dem Versicherungsträger zu beweisen, dass sich der Zustand mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der Höchstdauer von 24 Monaten zum Besseren wenden und die bestehende Invalidität oder Berufsunfähigkeit wegfallen wird. Ganz allgemein hat der Versicherungsträger eine Veränderung im Gesundheitszustand des Versicherten, die sich zu seinen Gunsten auswirkt, zu beweisen (vgl 10 ObS 413/90 = SSV-NF 5/17 = RIS-Justiz RS0084341 [T2]). Das Vorliegen dauernder Invalidität (Berufsunfähigkeit) über die gesetzliche Befristung hinaus ist dagegen vom Versicherten zu beweisen (vgl 10 ObS 242/03s).

Dass das geforderte Maß an Wahrscheinlichkeit einer maßgeblichen Besserung im Fall der Klägerin nicht erreicht ist, hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung dargelegt.

Da sich die Berufungsentscheidung somit im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur hält, ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

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